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Suchtkranke am Arbeitsplatz: Was kann man tun?

Glas Wishkey und Tablettendose auf Holztisch
Suchtkranke brauchen Unterstützung und keine Stigmatisierung. | Bild: Syda Productions / AdobeStock

Suchtkrankheiten sind häufig und betreffen Menschen aus allen sozialen Schichten. Dennoch wird das Thema tabuisiert und Betroffene sowie ihre Familien stigmatisiert und ausgegrenzt. Stigmatisierung führt jedoch zum Rückzug, was die gesundheitlichen und sozialen Folgen der Sucht weiter verstärkt. 

Für das Verständnis wichtig zu wissen ist, dass es sich bei Sucht um eine Erkrankung mit psychischem Hintergrund handelt. Der Konsum von Substanzen stellt lediglich eine sichtbare Folge der psychischen bzw. körperlichen Beschwerden der Betroffenen dar.

Wie entsteht eine Sucht?

Häufig beginnen Missbrauch und Abhängigkeit von Substanzen (wie Alkohol oder Drogen) ohne einen tiefergehenden Grund. Die Person konsumiert aus Spaß, will etwas ausprobieren oder sich „erwachsen“ fühlen und ist überzeugt jederzeit davon wegkommen zu können. 

Unbemerkt schleicht sich mit der Zeit die Gewöhnung ein: Ein Feierabendbier, der Joint oder die Zigarette auf einer Party gehören für die Betroffenen einfach dazu. Aus dieser Gewohnheit entsteht im weiteren Verlauf eine Substanzabhängigkeit: Der Körper meldet sich mit zunächst leichten Entzugserscheinungen wie schlechter Laune, getrübter Stimmung, Lustlosigkeit oder Kopfschmerzen. 

Um diese anfänglichen Symptome zu beseitigen, greifen Betroffene – in der Annahme sich selbst helfen zu können – erneut zu Alkohol oder anderen vermeintlich harmlosen Mitteln. Die Gefahr einer Abhängigkeit ist jedoch bereits groß, wenn eine psychische Gewöhnung eingetreten ist. 

Suchtgefahr: Wenn der Alltag zur Belastung wird

Wesentlich gefährlicher als dieser allmähliche Beginn ist der akute Einstieg in die Sucht – wenn z. B. für ein bestehendes psychisches Problem keine schnell verfügbare Behandlungsmöglichkeit in Sicht ist. Darüber hinaus machen Betroffene z. B. Probleme am Arbeitsplatz, finanzielle Schwierigkeiten oder partnerschaftliche Krisen häufig mit sich selbst aus, da sie zunächst mit niemandem darüber sprechen wollen oder können.

Stattdessen werden Alkohol, Drogen oder Beruhigungstabletten konsumiert, um die Probleme des Alltags zu vergessen. Das verstärkt allerdings subtil die Krise und bringt ernsthafte gesundheitliche Risiken mit sich.  

Suchtrisiko durch verschreibungspflichtige Opioide

Auch Schmerzpatienten besitzen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Substanzgebrauchsstörung. So sind Opioide zwar unverzichtbar für die Behandlung starker Schmerzen, doch besteht auch hier die Gefahr von Missbrauch und Abhängigkeit. Um betroffene Patienten frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, die Anzeichen der Abhängigkeit, Toleranzentwicklung und die typischen Entzugssymptome zu kennen.  

Wenn z. B. Schmerzpatienten darüber berichten, dass sie ihre Schmerzen inzwischen sehr gut im Griff haben, aber die Opioide zum Schlafen brauchen oder um den Tag besser zu überstehen, könnte dies bereits ein Hinweis auf eine mögliche Abhängigkeit sein. 

Zur Erinnerung: Wann spricht man von einer Abhängigkeit?

Gemäß ICD-10 ist ein Abhängigkeitssyndrom durch folgende Punkte gekennzeichnet: 

  • Starker Wunsch, die Substanz einzunehmen.
  • Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren.
  • Anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen.
  • Dem Substanzgebrauch wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben.
  • Es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung (Tendenz zur Dosissteigerung).
  • Bei Beendigung oder Reduktion des Konsums kommt es manchmal zu einem körperlichen Entzugssyndrom. Quelle: DIMDI 

Suchterkrankung entstigmatisieren

Personen mit einer Suchterkrankung wird häufig die Schuld für ihr Verhalten selbst zugeschrieben und ihnen deshalb mit Ablehnung oder Abwertung begegnet. Sätze wie „Er ist selbst schuld an seinem Leiden“, „Warum geht er nicht in die Entzugsklinik?“ oder „Hat er keine Familie, die sich um ihn kümmert?“ sind leider immer noch alltäglich und ein Zeichen der fehlenden Toleranz gegenüber diesem schwerwiegenden Problem. 

Entstigmatisierung der psychischen Erkrankung sowie eine umfassende Aufklärung über die persönlichen Risikofaktoren und gesundheitlichen Gefahren der Suchtmittel sind deshalb eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. 

Diese sollte auch am Arbeitsplatz und in der Kundenberatung ihren Platz finden. Hierfür können z. B. Informationsveranstaltungen an Schulen oder Gemeinschaftseinrichtungen ein guter Anfang sein. Des Weiteren gilt es im Umgang mit Kunden sowie Kollegen sensibel für Auffälligkeiten zu sein.

Gut zu wissen: Handzettel für die Beratung   

Um in der Apotheke mit drogenabhängigen Kunden ins Gespräch zu kommen, wurde von Schülern der Sabine-Blindow-Schule in Hannover ein Handzettel entwickelt. Neben vielen Informationen sind darauf auch Anlaufstellen für Beratungen zu finden. Außerdem gibt es Platz für individuelle Notizen.

Der Handzettel soll Anknüpfungspunkte für ein Gespräch bieten und den Kunden zeigen, dass Apotheken auch in diesem Bereich kompetente Ansprechpartner sind. Der Handzettel kann hier heruntergeladen werden. 

Wie geht man mit Suchtkranken im Team um? 

Verhält sich jemand aus dem Team anders als sonst oder besteht der Eindruck, dass ein Kollege häufig berauscht erscheint, darf das Team die Augen vor dem Problem nicht verschließen. Gleichzeitig sollte die Angelegenheit nicht in „großer Runde“ besprochen werden. Liegt ein entsprechender Verdacht vor, sollte zuerst ein Gespräch mit den Vorgesetzten erfolgen.

Da hinter einer Suchterkrankung weit mehr als nur der Substanzmissbrauch steckt, wird das Problem durch ein einmaliges Gespräch mit dem Betroffenen nicht gelöst. Dennoch sollte das Problem ernst genommen werden. Denn durch die suchtbedingten Verhaltensweisen können auch Gesundheit und Sicherheit der Kollegen und Kunden erheblich beeinträchtigt werden. 

Im Umgang mit suchtgefährdeten oder -kranken Beschäftigten bekleiden Vorgesetzte daher eine entscheidende Rolle: Sie haben eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter und müssen für einen reibungslosen und ordnungsgemäßen Arbeitsablauf sorgen. 

Suchterkrankungen können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zunächst sollte das Team jedoch darum bemüht sein, der betroffenen Person zu helfen und sie – sofern möglich – dabei zu unterstützen, ärztliche und psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.  

Gut zu wissen: Hier erhalten Suchtkranke Unterstützung

Beratung zum Thema Suchterkrankungen wird von vielen gemeinnützigen Stellen und Verbänden angeboten, u. a.: