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Apotheken-Protest schafft es auf „Bild“-Titelseite

Titelseite der Bild auf Ipad
Der Apotheken-Alarm gelangt auf die Titelseite einer Boulevardzeitung. | Screenshot: Bild.de; Bild: Smartmockups.com / Montage: PTAheute

Zum Brötchen dazu gab es am gestrigen Dienstagmorgen beim Bäcker in der „Bild“ den „Apotheker-Aufstand gegen Lauterbach“. Angekündigt wurde der Beitrag bereits auf der Titelseite des Springer-Blatts: „Apotheker-Alarm. Medikamentenmangel immer schlimmer“. Im inneren Teil war dann zu lesen: „Tiere sind in Deutschland besser versorgt als Kinder.“ 

Anlass der Berichterstattung: Mehr als 200 Apothekerinnen und Apotheker hatten ihre Defektliste an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und auch an die „Bild“ geschickt.

Apotheker berichten über Anzahl fehlender Arzneimittel

Die Zahl der fehlenden Arzneimittel liegt dabei zwischen 300 und 1.400 Posten. Es geht um „Antibiotika, Kinder-Antibiotikasäfte, Hustenblocker, Herzmedikamente, Blutdruck- und Cholesterinsenker, Diabetes-Medikamente, Insuline, Asthma-Spray, Augentropfen, Magentabletten“. Tenor sei: „Wir verwalten einen Mangel“ und dass die „gewissenhafte und pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung“ derzeit akut in Gefahr sei.

Zitiert werden unter anderem Carsten Moser von der Stern-Apotheke in Emmerich, Nordrhein-Westfalen – „Aktuell fehlen bei uns 1.402 Medikamente aus 651 verschiedenen Darreichungsformen – das sind mehr als 1.000 Personen, die mindestens ein, zum Teil lebenswichtiges, Medikament nicht bekommen haben“ – oder Marc Schmidt, St. Georg Gesundheitsdienste in Bruchsal in Baden-Württemberg, mit der titelgebenden Aussage: „Unsere Tiere sind besser versorgt als unsere Kinder – Tierärzte haben ausreichend Antibiotika.“

Einen ersten Aufschlag hatte es am vergangenen Montag gegeben. Apotheker Philipp Hoffmann aus Diez in Rheinland-Pfalz meldete sich bei dem Boulevardblatt mit einer Liste von 710 Arzneimitteln, die derzeit nicht verfügbar seien. „Wir können schon jetzt vor der Grippesaison keine Belieferung der Bevölkerung mehr aufrechterhalten“, sagte er dazu.

Lauterbachs Aussagen sorgen für Empörung bei Apothekern

Grund für die Aufregung ist unter anderem eine Pressekonferenz von Lauterbach vergangene Woche. Bei der Vorstellung seines Fünf-Punkte-Plans zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln in diesem Herbst und Winter hatte er erklärt, man sei in diesem Jahr „deutlich besser aufgestellt“ als im vergangenen. Sollte es keine „Hamsterkäufe“ geben und auch keine besonderen Infektionswellen, würde man durch den Winter kommen.

Auch wenn er sich bei diesem Pressetermin ausdrücklich bei den Apothekerinnen und Apothekern für ihre Arbeit bedankte: Zuvor hatte er ihnen im ARD-Morgenmagazin vorgeworfen, in ihrem Kampf für ein besseres Honorar mit Panikmache zur Versorgungslage „Mütter und Kinder zu verunsichern“. 

Die Empörung im Anschluss war riesig. Neben zahlreichen Kommentaren in den sozialen Medien von Apothekerinnen und Apothekern erklärte beispielsweise der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Hans-Peter Hubmann, die Bundesregierung ignoriere die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken seit Jahren. Sie nehme damit in Kauf, dass die Menschen in Deutschland schlechter versorgt würden, weil es womöglich keine wohnortnahe Apotheke mehr gebe. 

Der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), Thomas Rochell, nannte die Aussagen Lauterbachs eine „maßlose Unterstellung“ und weiter: „Die Lieferengpässe sind Realität. Sie werden nicht von den Apotheken herbeigeredet.“

Auch Pharmagroßhandel und Ärztekammer warnen 

Übrigens sind es nicht nur Apothekerinnen und Apotheker, die vor einer schwierigen Lage warnen. Bereits Ende August hatte der Pharmagroßhandel darauf hingewiesen, dass „die Versorgungssituation für diese Arzneimittel bereits jetzt nicht nur angespannt, sondern aus unserer Sicht äußerst prekär ist“. 

Am vergangenen Montag schlug auch die Ärztekammer Berlin Alarm: Sie erwarte in diesem Herbst und Winter im Vergleich zum Vorjahr „keine Entspannung“. Vielmehr sei zu befürchten, „dass sich der jetzt schon bestehende Medikamentenmangel verschärft und im Falle von Infektionswellen wie im vergangenen Jahr nicht ausreichend Fiebersäfte oder Antibiotika zur Verfügung stehen“.