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GKV-Spitzenverband zieht Bilanz: DiGA: Nutzen für Patienten oft fragwürdig

Handy wir in den Händen gehalten, offene App sichtbar
Mit digitalen Gesundheitsanwendungen können Patienten Erkrankungen beobachten und lindern. | Bild: tadamichi / AdobeSTock

Digitale Gesundheitsanwendungen – kurz DiGA – können seit Herbst 2020 von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet oder direkt von Patienten bei der Krankenkasse beantragt werden. Die Kosten für die digitalen Anwendungen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen.

Wie sich der Versorgungsbereich der DiGA in den letzten drei Jahren entwickelt hat, dazu hatte jüngst der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) erstmals einen DiGA-Report vorgelegt. Nun hat auch der GKV-Spitzenverband in seinem aktuellen DiGA-Bericht Bilanz gezogen und kommt zu einem ganz anderen Schluss als der Herstellerverband.

Zur Erinnerung: Was ist eine DiGA?

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind Smartphone-Apps oder Browseranwendungen, die Patienten darin unterstützen, ihre Erkrankung zu erkennen, zu überwachen, zu lindern oder zu behandeln.  

DiGA sind Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa. Im Gegensatz zu herkömmlichen Gesundheits-Apps unterliegen sie der Kontrolle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und müssen entsprechende Anforderungen erfüllen, um im sogenannten DiGA-Verzeichnis gelistet werden zu können.  

Die Hersteller müssen dabei nachweisen, dass die DiGA einen positiven Versorgungseffekt für die Patienten haben sowie sicher, werbefrei und robust sind. Außerdem müssen die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.

DiGA: GKV-Spitzenverband kritisiert Nutzen und Preise

Während der Herstellerverband das Erprobungsjahr als wichtigen Rahmen für Hersteller sieht, mit dem diese die Entwicklung ihrer DiGA finanzieren können, wollen die Kassen nicht für Anwendungen bezahlen, deren Nutzen noch nicht belegt ist.

Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin beim GKV-Spitzenverband, sieht Nachbesserungsbedarf. Sie fordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. DiGA sollten im Verhältnis zu anderen Leistungsbereichen gleichbehandelt werden. So hätten die Anwendungen zwar das Potenzial zur Verbesserung der medizinischen Versorgung und stärkeren Vernetzung, allerdings zeige sich ein Ungleichgewicht zu anderen Leistungen, denn der Nutzennachweis einer DiGA sei vergleichsweise an einfachere Zugangsvoraussetzungen geknüpft. 

Auch die geforderten Preise für DiGA, die Hersteller im ersten Jahr frei bestimmen dürfen, findet der GKV-Spitzenverband nicht wirtschaftlich.

Bilanz der DiGA ist ernüchternd

113 Millionen Euro bezahlten die gesetzlichen Krankenkassen bisher für die digitalen Gesundheitsanwendungen. Im Berichtsraum wurden 374.000 DiGA in Anspruch genommen, das sind circa 83 Prozent aller bei den Kassen eingegangenen Verordnungen. Die Ausgaben und Inanspruchnahmen haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. 

Laut Stoff-Ahnis ist die DiGA-Bilanz jedoch „von Ernüchterung geprägt“. Auch im dritten Jahr nach ihrer Einführung lösten die Gesundheits-Apps nicht ihr Versprechen ein, die gesundheitliche Versorgung grundlegend zu verbessern. Es könne nicht sein, dass ein Unternehmen für eine DiGA im ersten Jahr der Einführung 2.000 Euro und damit das Zehnfache des Durchschnitts der verhandelten Preise ab dem zweiten Jahr aufrufe. Und das, obwohl nicht einmal nachgewiesen sei, dass die Anwendung den Patienten überhaupt etwas nutze. „Das Geld der Beitragszahlenden soll in eine bessere Versorgung fließen und keine Wirtschaftsförderung finanzieren“, findet die Vorständin.

Nutzennachweis von DiGA rückläufig

DiGA-Hersteller müssen nachweisen, dass eine Anwendung den Patienten einen medizinischen Nutzen bringt. Hersteller können ihre DiGA zunächst auch nur vorläufig im BfArM-Verzeichnis listen lassen. Sie müssen dazu nur zeigen, dass ein positiver Versorgungseffekt anzunehmen ist. Der Nachweis muss aber erst innerhalb von zwölf Monaten (in Ausnahmefällen 24 Monaten) nachgereicht werden. 

Laut Bericht ist der Anteil der DiGA, die bei ihrer Aufnahme in den GKV-Leistungskatalog direkt einen Nutzen nachweisen konnten, stark gesunken: So konnte im Zeitraum Oktober 2022 bis September 2023 lediglich eine von 19 DiGA einen Nutzennachweis bei der Aufnahme ins Verzeichnis vorzeigen. In den ersten beiden Jahren waren es ein Viertel der neu zugelassenen DiGA.  

Der SVDGV hingegen verweist in seinem Bericht darauf, dass ein Großteil der DiGA den Nachweis nachreichen kann und nur wenige (bisher sechs) aus dem Verzeichnis gestrichen werden (zum Stichpunkt des Reports waren 13 DiGA dauerhaft aufgenommen).

Steigende Preise für DiGA

Im ersten Jahr können die Hersteller die Preise für ihre DiGA selbst festlegen. Der Durchschnittsbetrag einer DiGA bei Aufnahme ins Verzeichnis liegt dem Bericht zufolge bei derzeit über 593 Euro. Im ersten Berichtsjahr waren es noch 407 Euro, im zweiten 557 Euro. Hingegen liegen die Preise, die ab dem 13. Monat zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband verhandelt werden, mit 221 Euro bei nur knapp der Hälfte. 

Das führt laut GKV-Spitzenverband zu einer mangelnden Wirtschaftlichkeit und zu Problemen, wenn ein Hersteller Insolvenz anmeldet. Denn für jede ab dem 13. Monat verordnete oder genehmigte DiGA muss der Hersteller den Differenzbetrag zwischen Herstellerpreis und Vergütungsbetrag an die Kassen zurückzahlen. Die Ausgleichsansprüche würden bei Insolvenz der Hersteller gar nicht oder nicht in Gänze erfüllt.  

Der SVDGV hingegen sieht die Umsätze, die im ersten Jahr generiert werden, als notwendig für den Aufbau eines vielfältigen DiGA-Markts. Nur so könnten die hohen Kosten finanziert werden, die für die Studien notwendig sind.

Forderungen des GKV-Spitzenverbands

Abschließend formuliert der GKV-Spitzenverband drei zentrale Forderungen:

  • Nur DiGA mit nachgewiesenem medizinischem Nutzen und echtem Mehrwert sollten ins Verzeichnis aufgenommen werden dürfen.
  • Das Gebot der Wirtschaftlichkeit muss gewahrt werden. Die Preise müssen angemessen und am Patientennutzen orientiert sein.
  • DiGA müssen in die Versorgungspfade integriert werden. Dafür muss das Digitalisierungspotenzial bei der Behandlung und der Vernetzung über Leistungssektoren hinweg genutzt werden.

Des Weiteren fordert der Verband, dass die tatsächliche Nutzung der DiGA von den Herstellenden transparent gemacht und bei der Vergütung berücksichtigt werden muss.

Auf der Webseite des GKV-Spitzenverbandes finden Sie den gesamten DiGA-Report.