COVID-19-Krankheitsverlauf
Corona-Pandemie
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Ibuprofen bei COVID-19: Was sagen WHO, EMA und die AMK?

WHO-Generaldirektor bei Pressekonferenz
Die WHO korrigiert ihre Aussage von Dienstag zu Ibuprofen und COVID-19 und schließt sich nun der Einschätzung von EMA und AMK an: Die WHO rät nicht von Ibuprofen ab. | Bild: Xinhua / Imao Images

Eine Whatsapp-Sprachnachricht sorgte vergangenes Wochenende für viel Tumult: Ibuprofen-Einnahme könnte mit einem schwereren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung einhergehen, so die Botschaft. Wer diese Information verbreitet hat, ist nach Informationen der PTAheute-Redaktion nach wie vor unklar. 

Klar ist aber, dass die Nachricht viele Menschen verunsichert hat. In den letzten Tagen haben nun die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und die AMK (Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker) ihre Einschätzung dazu bekannt gegeben – wobei sich ihre Empfehlungen zunächst nicht vollständig deckten. 

Einig waren sich WHO, EMA und AMK im wohl wichtigsten Punkt: Es gibt keine neu veröffentlichten Daten, die eindeutig bestätigen, dass Ibuprofen eine COVID-19-Erkrankung verschlechtert.

Was sagt die WHO?

In einer Pressekonferenz am Dienstag (17.03.2020) in Genf erklärte ein WHO-Sprecher: „Es gibt keine neuen, veröffentlichten Beweise, dass Ibuprofen-Einnahme mit einer erhöhten Sterblichkeit in Zusammenhang steht.“ Die Experten prüften die Lage. 

„In der Zwischenzeit empfehlen wir Patienten in der Selbstmedikation statt Ibuprofen eher Paracetamol einzusetzen.“ Der WHO-Sprecher betonte dabei ausdrücklich die Einnahme ohne ärztlichen Rat, also die Selbstmedikation. Würde Ibuprofen von Ärzten verordnet, liege die Therapie-Entscheidung bei den Medizinern. 

Allerdings war das Statement des WHO-Sprechers nicht das letzte Wort der WHO zu Ibuprofen und COVID-19 – am Donnerstag ruderte die Weltgesundheitsorganisation zurück, hat ihre Einschätzung geändert und ihre Warnung vor der Einnahme von Ibuprofen bei COVID-19-Verdacht zurückgenommen. „Auf der Basis der heute vorhandenen Informationen rät die WHO nicht von der Einnahme von Ibuprofen ab“, teilte die WHO mit.

EMA: alle Behandlungsmöglichkeiten nutzen

Auch die EMA positionierte sich am Mittwoch zu den Hypothesen eines möglichen Zusammenhanges von Ibuprofen und SARS-CoV-2. Ihre wissenschaftliche Einschätzung deckt sich mit derjenigen der WHO: „Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Beweise, die einen Zusammenhang zwischen Ibuprofen und der Verschlechterung von COVID-19 herstellen.“ 

Wie bereits die WHO ankündigte, will auch die EMA dies weiter beobachten und alle neuen Informationen, die im Zusammenhang mit der Pandemie verfügbar werden, überprüfen. Allerdings: Die EMA rät nicht präferenziell zu Paracetamol, man sollte alle verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten nutzen: „Bei Beginn der Behandlung von Fieber oder Schmerzen bei COVID-19 sollten Patienten und medizinisches Fachpersonal alle verfügbaren Behandlungsoptionen, einschließlich Paracetamol und NSAR, in Betracht ziehen.“ 

Jedes Medikament habe seine eigenen Vorteile und Risiken. Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe könnten NSAR wie Ibuprofen gemäß den genehmigten Produktinformationen weiterhin verwenden, so die Einschätzung der EMA. Man sollte diese Medikamente in der niedrigsten wirksamen Dosis über einen möglichst kurzen Zeitraum einsetzen, und es gebe derzeit keinen Grund für Patienten unter Ibuprofen, das Arzneimittel abzusetzen.

Was sagt die AMK?

Die AMK (Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker) teilt die wissenschaftliche Einschätzung und die Empfehlungen der EMA – und seit Donnerstag auch die der WHO. Die Arzneimittelkommission erkennt keinen Grund, neben Paracetamol nicht auch Ibuprofen bei COVID-19-Erkrankten anzuwenden.

Französische Arzneimittelbehörde bevorzugt bei Infektionen generell Paracetamol

Die französische Behörde für Arzneimittelsicherheit (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé, ANSM) hat in dieser Woche ebenfalls daran erinnert, „bei Schmerzen und/oder Fieber, insbesondere im Zusammenhang mit einer Infektion, (...) dem Einsatz von Paracetamol Vorrang einzuräumen“. 

Dies ist allerdings keine Empfehlung speziell für aktuelle SARS-CoV-2-Infektionen: Die ANSM rät bei Schmerzen und Fieber – insbesondere im Zusammenhang mit häufigen Infektionen wie Mandelentzündung (Angina), Entzündung von Nasenschleimhaut und Rachenschleimhaut (Rhinopharyngitis), Mittelohrentzündung (Otitis), Husten, Lungenentzündung (Pneumonie) oder Windpocken –, grundsätzlich Paracetamol zu bevorzugen. Sie empfiehlt, entzündungshemmende Arzneimittel wie Ibuprofen zu meiden, da diese eine Infektion verdecken und die Schwere der Symptomatik verschleiern könnten.

Schweizer Gesundheitsbehörde: Behandlung von Fieber nicht immer notwendig

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in der Schweiz rät auch erst mal zur Vorsicht, betont jedoch: „Es gibt derzeit keine eindeutigen Hinweise darauf, dass diese Art von Medikamenten den Krankheitsverlauf verschlimmert.“ 

Und weiter: „Bis zu einem Ergebnis empfehlen wir eine vorsichtige Haltung gegenüber dem Gebrauch von Medikamenten auf der Basis von Ibuprofen.“ Die Schweizer bringen einen neuen Aspekt in die Diskussion um den Einsatz von fiebersenkenden Arzneimitteln, denn: Nicht immer sei eine Fiebersenkung unbedingt vonnöten. „Die Behandlung von Fieber ist jedoch allgemein nicht notwendig“, so die Schweiz.

Verunsicherung wird bleiben, Paracetamol erste Lieferengpässe

Nachdem am Wochenende Warnungen zu Ibuprofen via Social-Media-Kanäle viral gingen, wird – trotz der Entwarnungen seitens WHO, EMA und AMK – wahrscheinlich weiterhin Unsicherheit herrschen. Diese dürfte mittlerweile so groß sein, dass viele Menschen ohnehin und aus freien Stücken auf Ibuprofen verzichten und bei Fieber und Verdacht auf COVID-19 Paracetamol einnehmen. 

Das zeigt sich Berichten aus Apotheken zufolge bereits: Erste Lieferschwierigkeiten bei Paracetamol machen sich breit, da sich Patienten nach der ursprünglichen WHO-Meldung vor allem auf Paracetamol als Alternative stürzten. 

Die Abgabe rezeptfreier Mengen an Paracetamol ist in Deutschland auf eine Packung mit 20 Tabletten à 500 mg begrenzt. „Hamster“ werden sicherlich jedoch die Mühe nicht scheuen, verschiedene Apotheken aufzusuchen. Paracetamol ist auch einer der Wirkstoffe, für die Indien als wichtiger Hersteller generischer Arzneimittel jüngst einen Exportstopp verhängte.

Kommentar der Autorin

Auch im Falle von Ibuprofen und COVID-19 gilt wie immer in der Wissenschaft: Sie ist nicht starr und einmal gesetzt für immer und allgemein gültig, sondern Forschen ist ein dynamischer Prozess des Erkenntnisgewinns. Der Text gibt die Einschätzungen zum aktuell veröffentlichten Stand der Wissenschaft wieder.

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