PTA im Porträt – Arbeitsbereiche
PTA – Der Beruf
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Arbeiten in anderen Ländern: PTA als Apotektekniker in Norwegen

Welche Aufgaben übernehmen PTA in norwegischen Apotheken? | Bild: © Galyna Andrushko - Fotolia.com

Das Königreich Norwegen liegt auf der skandinavischen Halbinsel und grenzt im Osten an Schweden und im Nordosten an Finnland und Russland. Nicht nur als Urlaubsziel ist das skandinavische Land beliebt. Viele Menschen aus dem Ausland haben in Norwegen ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden. 

Darunter die deutsche PTA Melanie Fornasiere, die als „Apotektekniker“ in Kristiansand, der fünftgrößten Stadt im norwegischen Südland, arbeitet. Mitte des Jahres 2014 kamen wir durch Zufall mit Melanie Fornasiere in Kontakt. Sie hat im August 2006 ihre Ausbildung zur PTA in Castrop-Rauxel abgeschlossen und ist nach Norwegen ausgewandert. 

Wie es ist, in einem anderen Land als PTA zu arbeiten, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es im Apothekenalltag gibt, verrät sie uns im Interview.

Wie kam es dazu, dass Sie nach Norwegen gegangen sind und konnten Sie die Sprache bzw. haben Sie einen Sprachkurs besucht?

Melanie Fornasiere:

Bereits im Sommer 2011 hatte ich mich an der Volkshochschule zum Sprachkurs norwegisch angemeldet, weil ich schon als Kind viele Urlaube mit meiner Familie in Norwegen verbracht habe und das Land und die Sprache von klein auf mochte. Nach einem Urlaub in Kristiansand im Jahr 2011 fing ich an, intensiver zu lernen, mit dem Ziel, irgendwann dorthin auszuwandern. Zwei Jahre später wurde mein Wunsch, ins Ausland zu gehen, stärker. Manchmal muss man etwas wagen. Also habe ich mein Leben auf den Kopf gestellt.

Und wie nahmen Sie Ihre Auswanderung dann in Angriff?

Melanie Fornasiere:

Im Internet fand ich eine Organisation, die Gastarbeiter ins Ausland vermittelt. Man lebt zunächst für einige Zeit bei einer Gastfamilie, um die Sprachkenntnisse zu vertiefen und die Kultur besser kennenzulernen. Schnell fand ich eine Familie, bei der ich für ein halbes Jahr leben und arbeiten konnte.

Danach erkundigte ich mich nach dem PTA-Beruf in Norwegen und sammelte einige Informationen. In Norwegen braucht man eine sogenannte „autorisation“, um im Gesundheitswesen arbeiten zu können. Um dieses Zertifikat zu bekommen, muss man unter anderem alle Zeugnisse übersetzen lassen und ein polizeiliches Führungszeugnis beantragen, um das „certificate of current professional status“ zu bekommen, welches man für den Autorisationsantrag braucht. 

Außerdem muss man sich von seiner PTA-Schule eine Bescheinigung ausstellen lassen, wie viele Ausbildungsstunden man in den jeweiligen Fächern absolviert hat. Alle Bescheinigungen dürfen nicht älter als drei Monate sein, wenn der Antrag nach Oslo geschickt wird. 

Vier Monate später war mein letzter Arbeitstag in der Apotheke in Deutschland. Und auch wenn ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge ging: Das anstehende Abenteuer hat mich in eine anhaltend positive Stimmung versetzt. Zwei Flüge, zwei Zugfahrten und insgesamt 14 Stunden später mit insgesamt 40 Kilo Gepäck kam ich in dem kleinen Dorf Dombås inmitten Norwegens an. Die Gastfamilie betreibt Ferienhütten und einen Campingplatz mit Café. Meine Aufgaben waren die Betreuung der Rezeption, der Service im Restaurant und natürlich die Hütten zu putzen.

Wie gestaltete sich die Suche nach einem Arbeitsplatz in Ihrem Beruf als PTA?

Melanie Fornasiere:

Nachdem ich etwa einen Monat in Norwegen gelebt und gearbeitet hatte, fing ich an, Bewerbungen zu schreiben und mich bei diversen Jobportalen zu registrieren. Zwei Monate lang suchte ich jeden Tag nach einer Stelle als PTA. Meine Autorisation zum „Apotektekniker“, wie die PTA in Norwegen heißt, wurde zwischenzeitlich anerkannt. 

Eines Tages fand ich dann zufällig eine Stellenausschreibung in meiner Favoritenstadt Kristiansand. Die Apotheke suchte wegen Expansion drei Apotektekniker und eine Aushilfe. Zwei Wochen später entdeckte ich ein weiteres Angebot in Kristiansand – dieses Mal in einer ganz neu eröffneten Apotheke. Beide Jobs sollten dann beginnen, wenn mein Halbjahresvertrag bei meiner Gastfamilie auslief. Einen Monat später war ich schon auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch für beide Stellen. 

Auch einen Sprachtest musste ich absolvieren, den ich mit 98% bestand und es wurde eine Referenz über mich bei meinen Gasteltern eingeholt. Vier Wochen später durfte ich mich sogar entscheiden, für welche Apotheke ich arbeiten möchte und dort arbeite ich bis heute – übrigens mit sehr viel Freude.

PTA Melanie Fornasiere arbeitet als Apotektekniker in einer Apotheke in Norwegen. | Bild: privat

Wie ist das Apothekensystem in Norwegen geregelt? Wer darf eine Apotheke führen? Vor zwölf Jahren fiel dort das Fremd- und Mehrbesitzverbot und viele Apotheken wurden verkauft. Es gibt inzwischen überwiegend Apothekenketten, oder?

Melanie Fornasiere:

Ja, mittlerweile gibt es hier überwiegend Ketten. Die größte ist Apotek 1, die zur Deutschen Phoenix Group gehört. Inzwischen gibt es 300 Apotheken bei Apotek 1. Dann gibt es noch Vitusapotek, Boots Apotek und Ditt Apotek. Mit einem Masterabschluss in Pharmazie kann man bei Apotek 1 eine Apotheke leiten. Hier bietet die Kette Fortbildungskurse für Provisorpharmazeuten an, die gerne leitende Positionen übernehmen wollen.

Wie sind die Öffnungszeiten geregelt?

Melanie Fornasiere:

Das ist recht unterschiedlich. Das kommt darauf an, wo sich die Apotheke befindet. In einem Einkaufszentrum sind die Öffnungszeiten schon mal von 10:00 Uhr bis 21:00 Uhr. In einer kleineren Apotheke im Dorf wird oft schon um 16:00 Uhr oder 17:00 Uhr zugemacht. 

Hauptsächlich wird in zwei Schichten gearbeitet. Notdienst gibt es zum Beispiel in der Apotheke, in der ich arbeite, gar nicht.

Wie viele Apotheken kommen in Norwegen auf wie viele Einwohner?

Melanie Fornasiere:

Laut einer Statistik von 2011 kommen auf eine Apotheke 7.172 Einwohner. In Deutschland gibt es etwa doppelt so viele Apotheken. Dort waren es 2011 3.800 Einwohner/Apotheke. Die Anzahl der Apotheken ist nach der Gesetzesänderung in Norwegen stark angestiegen. 2001 kamen auf eine Apotheke 11.280 Einwohner.

Wie verhält es sich in Norwegen mit verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Präparaten? Was steht unter Rezeptpflicht, was nicht?

Melanie Fornasiere:

Es gibt einige Arzneimittel, die in Deutschland rezeptpflichtig sind und hier frei verkäuflich – aber auch umgekehrt, Arzneimittel, die in Deutschland apothekenpflichtig sind und für die man in Norwegen ein Rezept benötigt. 

Um ein Beispiel für ein Medikament zu nennen, das in Deutschland ohne Rezept abgegeben werden kann und hier der Verschreibungspflicht unterliegt, ist z. B. Loceryl® Nagellack bei Nagelpilz. Hierfür und für einige andere typische OTC-Medikamente in Deutschland, braucht der norwegische Kunde immer eine Verordnung vom Arzt.

Tragen Krankenkassen die Kosten für Medikamente oder wie ist das in Norwegen geregelt?

Melanie Fornasiere:

Wir haben hier keine Krankenkassen wie das in Deutschland der Fall ist. Aber es gibt ein Versicherungssystem „Folketrygden“ in der alle Personen automatisch versichert sind, die einen Job und einen festen Wohnsitz in Norwegen haben. Diese Versicherung deckt auch einen Teil der Kosten für bestimmte Arzneimittel, unter anderem bei chronisch kranken Patienten. 

Ansonsten zahlt der Patient zunächst alles selbst, kann sich aber für die billigste Variante entscheiden – so ähnlich wie in Deutschland die Rabattverträge geregelt sind. Hier ist quasi jede Verordnung ein Privatrezept. 

Es gibt aber bestimmte Medikamente, die auf blauen Rezepten verordnet werden können. Bei diesen wird dann ein Teil der Kosten oder sogar der gesamte Betrag übernommen, wenn der Patient das billigste Präparat wählt und eine „Frikort“ (Zuzahlungsbefreiung) hat. Kinder unter 16 Jahren müssen gar nichts bezahlen.

Ist das Sortiment an frei verkäuflichen Arzneimitteln ähnlich wie in Deutschland?

Melanie Fornasiere:

Hier gibt es viele Medikamente aus Deutschland. Einige Medikamente haben aber einen anderen Namen. Voltaren® heißt hier rezeptfrei Voltarol®. Die Rezeptvariante dagegen Voltaren ®. Insgesamt ist die Auswahl aber etwas kleiner als in Deutschland – vor allem auch was die Phytomedizin angeht. Das vermisse ich hier noch sehr. Meine Favoriten die ich in Deutschland empfohlen habe, gibt es hier nicht. Da musste ich mich auch erst einmal umstellen. Und es gibt beispielsweise keine Tees oder Teemischungen. So etwas wird in Gesundheitsshops verkauft – nicht in Apotheken. 

In Norwegen wird mehr Paracetamol verkauft, Vitamin D, Fluortabletten und Mundspüllösung. Und es gibt hier eine umfangreiche Auswahl für Babys in den Apotheken, z. B. Schnuller, Brustpumpen, Flaschen und Babyshampoos. Auch die Auswahl an Hautpflegeprodukten ist größer, als in Deutschland. Wir verkaufen auch Vichy, La Roche- Posay und Eucerin. Insgesamt haben wir aber acht Regale mit Hautpflegeserien.

Die Offizin ist größer, als ich das aus Deutschland kenne, es gibt aber nur eine Freiwahl – keine Sichtwahl. Der Kunde hat zu allen rezeptfreien Arzneimitteln Zugang, außer zur „Pille danach“. Trotzdem wird natürlich auch in Norwegen zu nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln beraten. Ich gehe dann auf die Kunden zu, um sie zu beraten. 

Eine Besonderheit in der norwegischen Apotheke ist, dass es zwei Kassenbereiche gibt, eine Ausgangskasse für kurze und „schnelle“ Einkäufe ohne Rezept und vier sogenannte Rezepturkassen, an denen wir die Rezepte bearbeiten. Hierfür muss der Kunde auch eine Wartenummer ziehen und man hat entsprechend mehr Zeit und Ruhe – sowohl für die Bearbeitung des Rezeptes, als auch für eine ausführliche Beratung.

Apothekenteams in Norwegen bestehen aus Apothekern, Provisorpharmazeuten, Rezeptarpharmazeuten und Apotekteknikern. | Bild: privat

Welche Berufe gibt es in norwegischen Apotheken?

Melanie Fornasiere:

Hier in Norwegen sind die Berufe etwas anders als bei uns. Es gibt den Apotheker, der hier Provisorpharmazeut heißt, oder Apotheker wenn er die Apotheke führt. Dann gibt es den Rezeptarpharmazeut, der den Bachelor-Abschluss in Pharmazie absolviert hat. Und den Apotektekniker, der drei Jahre zur Schule geht. 

Der Beruf der PTA liegt irgendwo zwischen Rezeptarpharmazeut und Apotektekniker. PTA in Deutschland können mehr als ein Apotektekniker in Norwegen, beispielsweise Rezepturen herstellen. Außerdem hat die PTA ein umfangreiches Wissen über rezeptpflichtige Arzneimittel – dies ist bei Apotekteknikern nicht der Fall. 

Ich würde mir wünschen, dass an dem Ausbildungssystem zur PTA in Deutschland etwas geändert wird, sodass PTA, die im Ausland arbeiten wollen, bessere Chancen haben, dass die Ausbildung anerkannt wird. Im Idealfall sollte die Ausbildung europaweit gleich sein. Es war schon eine Umstellung, dass mein erlernter Beruf dem im Ausland nicht mehr ganz entsprach. Gerade am Anfang hatte ich damit Schwierigkeiten.

Wer übernimmt in einer norwegischen Apotheke welche Aufgaben?

Melanie Fornasiere:

In Norwegen ist der Apotektekniker mehr für die frei verkäuflichen Arzneimittel und die Kosmetik in der Freiwahl verantwortlich. Einer der Apotektekniker ist auch Verkaufsteamleiter, der dann zusätzlich für Kampagnen verantwortlich ist. Wir haben hier alle drei Wochen eine neue Kampagne mit neuen Angeboten. 

Ich selbst stehe mehr an der Ausgangskasse und verkaufe die rezeptfreien Arzneimittel und berate dazu. Der Rezeptarpharmazeut und der Provisorpharmazeut arbeiten hauptsächlich an den Rezeptkassen. Außerdem nehmen sie telefonische Rezeptbestellungen von Ärzten an. Das darf ein Tekniker nicht. Wenn ich z. B. ein Rezept bearbeite, muss ich nach der Etikettkontrolle eine Freigabe und eine Kontrolle vom Rezeptar oder Apotheker bekommen. In diesem Punkt arbeiten viele PTA in Deutschland doch viel selbstständiger und eigenverantwortlicher – auch, wenn sie unter Aufsicht eines Apothekers arbeiten.

Wie sind Ihre Arbeitszeiten?

Melanie Fornasiere:

Ich arbeite entweder von 9:00 bis 15:00 Uhr oder von 11:00 bis 18:00 Uhr und jeden zweiten Samstag von 10:00 bis 16:00 Uhr. In Norwegen habe ich eine 36-Stunden-Woche und dadurch mehr Freizeit als in Deutschland. Dort habe ich oft zwischen 8:00 Uhr morgens und 19:00 Uhr abends gearbeitet, so wie die meisten meiner PTA-Kolleginnen auch. Dafür hatte ich aber natürlich auch einen freien Tag in der Woche. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, kürzer zu arbeiten und dafür keinen freien Tag mehr in der Woche zu haben. 

Werden Sie in einer Apotheke oder in mehreren Filialen eingesetzt?

Melanie Fornasiere:

Ich arbeite nur in der Apotheke, in der ich fest angestellt bin. Wenn man als Aushilfe arbeitet, kann es vorkommen, dass man zwischen zwei Apotheken springen oder auch den Arbeitsplatz dauerhaft wechseln muss. In Deutschland musste ich ab und zu auch in einer Filiale arbeiten. Das habe ich gerne gemacht, auch, wenn es manchmal stressig war.

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