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CAR-T-Zellen – wissen Sie, wie's funktioniert?

Bild: Design Cells / Adobe Stock

Die früheren Grundpfeiler einer Krebsbehandlung waren Chemotherapie, Bestrahlung und Operation. Auch heute noch sind diese Behandlungsmethoden aus der Tumortherapie nicht wegzudenken. Allerdings hat sich das Rad der Forschung und Entwicklung auch in der Onkologie weiter gedreht. Seit 2011 ergänzen sogenannte Checkpoint-Inhibitoren die Behandlungsmöglichkeiten bestimmter Krebserkrankungen. Das Wirkprinzip der Checkpoint-Inhibitoren unterscheidet sich gänzlich von den seit Jahren eingesetzten Zytostatika (Chemotherapien). Klassische chemotherapeutische Wirkstoffe beeinflussen vornehmlich die Teilung von Zellen – sowohl von gesunden Körperzellen, als auch von entarteten Krebszellen. Dass Zytostatika jedoch vor allem Tumorzellen treffen, liegt daran, dass sich Krebszellen schneller teilen als gesunde Körperzellen.

Bei Krebs versagt das Immunsystem

Genauso wie unser Abwehrsystem körperfremde Erreger, beispielsweise Bakterien und Viren, abfängt, hat es auch die Aufgabe, entartete körpereigene Zellen aufzuspüren und zu zerstören. Unter anderem sind an dieser Eliminierung cytotoxische T-Zellen beteiligt. Zur Erinnerung: T-Zellen (T-Lymphozyten) zählen zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten).

Diese „Aufpasserfunktion“ des Immunsystems klappt allerdings nicht immer einwandfrei, und den bösartigen Zellen kann es folglich gelingen, sich zu einer gefährlichen Zellmasse zu vermehren. Krebszellen sind schlau: Sie haben Tricks entwickelt, um der körpereigenen Abwehr zu entkommen – was letztlich für sie überlebenswichtig ist. Sie bremsen zum Beispiel an bestimmten Stellen unser Immunsystem schlichtweg aus. Hier setzen Wirkstoffe wie Checkpoint-Inhibitoren an: Sie lösen an wichtigen Schaltstellen (Checkpoints) diese Bremsen des Immunsystems. Die Folge: Unser körpereigenes Abwehrsystem wird wieder handlungsfähig, erkennt die Krebszellen als bösartig und kann diese zerstören. Der erste Vertreter der Checkpoint-Inhibitoren war 2011 Ipilimumab (Yervoy®). Es folgten Nivolumab (Opdivo®), Pembrolizumab (Keytruda®), Avelumab (Bavencio®), Durvalumab (Imfinzi®), Atezolizumab (Tecentriq®).

Was sind CAR-T-Zellen?

Um ein handlungsfähiges Immunsystem geht es im Prinzip auch bei CAR-T-Zellen – hier werden Krebspatienten nicht mit körperfremden Arzneimitteln (Chemotherapie oder Checkpoint-Inhibitoren) behandelt, sondern mit ihren eigenen T-Zellen – die allerdings etwas „bearbeitet“ werden müssen. Zugelassen sind in Deutschland zwei CAR-T-Zell-Therapien: Tisagenlecleucel in Kymriah® von Novartis und Axicabtagen Ciloleucel in Yescarta® von Gilead. Eingesetzt werden diese beiden Wirkstoffe bei bestimmten Formen des Blutkrebses (zum Beispiel Leukämie und Lymphom).

Kymriah® ist zugelassen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis 25 Jahren mit refraktärer (therapieresistenter) oder rezidivierender, also wiederkehrender (nach Transplantation oder zweitem bzw. späterem Rezidiv) akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (ALL). Außerdem hat Kymriah® die Zulassung für Erwachsene mit refraktärem oder rezidiviertem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr Linien einer systemischen Therapie.

Yesacarta® ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr systemischen Therapien.

Die T-Zelle muss den Tumor erkennen, damit sie ihn zerstören kann

Was muss eine T-Zelle leisten, damit sie letztlich in der Lage ist, eine entartete, bösartige Krebszelle zu entfernen? Im Großen und Ganzen und vereinfacht gesagt sind das zwei Dinge: Die T-Zelle muss die Tumorzelle zunächst erst einmal „sehen“ und als bösartig erkennen. Im zweiten Schritt muss diese T-Zelle dann aktiviert werden, um die Krebszellen zu zerstören.

Dass die T-Zelle dies alles kann, dafür wird sie etwas „bearbeitet“ – und zwar außerhalb des Körpers des Krebspatienten. In einem ersten Schritt werden dem Blutkrebspatienten somit weiße Blutkörperchen (Leukozyten) entnommen und daraus die T-Zellen gewonnen. Damit aus den T-Zellen schließlich aggressive Tumorkiller werden, wird ihre Erbsubstanz mit einem speziellen Gen erweitert. Wie gelangt dieses Gen jedoch in die T-Zelle? Dafür bedient man sich eines Tricks: Und zwar wird das Gen zunächst in ein inaktives Virus eingebaut. Das Virus dient sozusagen als Fähre und schleust das gewünschte zusätzliche Gen in die T-Zelle ein. Dort wird es in die genetische Information (Erbinformation) der T-Zelle fest eingebaut.

T-Zelle erhält „Antenne“ zu Erkennung der Tumorzelle

Das zusätzliche Gen trägt die Information für ein bestimmtes Eiweiß (Protein). Mit der eingebauten genetischen Information produziert die T-Zelle dieses Protein und baut es anschließend in ihre T-Zell-Oberfläche ein. Eine Informationseinheit des neuen Gens codiert für ein Antikörperfragment. Wie eine „Antenne“ erkennt dieser Antikörper nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip bestimmte krebsspezifische Oberflächenproteine, folglich die Krebszelle, und bindet diese. Dadurch wird die T-Zelle aktiviert und in die Lage versetzt, die Krebszelle zu zerstören. Damit die Zerstörung erfolgen kann, benötigt die CAR-T-Zelle, neben dem Antikörperfragment nach außen, noch eine zweite Informationseinheit. Diese versetzt die T-Zelle in die Lage, sogenannte Perforine (zytolytisches Protein, kann Zellen auflösen) freizusetzen, die zum Zelltod der gebundenen Tumorzelle führen. Ab sofort ist es keine „normale“ T-Zelle mehr, sondern eine CAR-T-Zelle. CAR steht für „chimärer Antigen-Rezeptor“, da das Genkonstrukt, mit dem die patienteneigenen T-Zellen ausgestattet werden, einerseits für ein Antikörperfragment als Antigenrezeptor und andererseits für eine T-Zell-Signaleinheit kodiert.

Veränderte T-Zellen kommen zurück in den Körper des Patienten

Bevor die veränderten, scharf gestellten T-Zellen jedoch zurück in den Körper des Patienten gebracht werden, werden diese noch vermehrt. Auch der Patient wird auf die neuen T-Zellen vorbereitet. Vor der eigentlichen Therapie werden die T-Zellen des Patienten zunächst mit einer Chemotherapie zerstört, so dass die über eine Infusion zurück in den Körper des Patienten gebrachten neuen CAR T-Zellen optimale Bedingungen zur Vermehrung haben.

Antikörper gegen CD 19

Nach außen ist das „neue“ Protein ein Antikörper gegen CD 19 – ein spezifischer Marker auf B-Zellen (B-Lymphozyten, gehören zu den weißen Blutkörperchen). Dieser ist ein interessantes Ziel bei B-Zell-Leukämien oder B-Zell-Lymphomen, da CD 19 auf den B-Zellen stark exprimiert wird, sprich sich auf der Oberfläche der B-Zellen findet. Die Idee ist, dass der CD-19-Antikörper – wenn er zurück in den Körper des Patienten gebracht wird – an CD 19 der B-Zellen bindet und durch diesen Antigen (CD 19)-Antikörper (modifizierte T-Zelle)-Kontakt die T-Zelle aktiviert und die Krebszelle somit zerstört wird.

Häufige Nebenwirkung unter CAR-T-Zell-Therapie: Zytokinfreisetzungssyndrom

Bislang wurden über 1.000 Patienten mit der CAR-T-Zell-Methode behandelt. Nicht bei jedem Blutkrebspatienten spricht die CAR T-Zell-Therapie in gleichem Maß gut an. Der Anteil an Komplett-Remissionen (vollständiges Nachlassen der Krankheitssymptome) lag in Studien zwischen 70 und 94 Prozent. Als häufige Nebenwirkung (etwa 80 Prozent) leiden die mit CAR-T-Zellen behandelten Patienten an einem sogenannten Zytokinfreisetzungssyndrom. Zytokine sind Proteine, die unterschiedliche Funktionen im Körper wahrnehmen. Sie steuern Wachstumsprozesse sowie die Kommunikation zwischen Immunzellen oder sind an Entzündungsreaktionen beteiligt.

Zytokinfreisetzungssyndrome sind in der Krebsbehandlung nicht unbekannt: Bei hoher Tumorlast, ausgelöst durch die Krebstherapie, werden durch die massiv zerfallenden Krebszellen auch viele Zytokine freigesetzt. Bei CAR-T-Zellen kommt hinzu, dass durch Aktivierung der – dahingehend ja veränderten – T-Zellen große Mengen an Zytokinen, unter anderem Inerleukin-6 (IL-6), frei werden. Die Patienten leiden dann an hohem Fieber, Schüttelfrost, Hypertonie (Bluthochdruck) und Übelkeit.

In manchen Fällen kann diese Nebenwirkung tödlich enden, jedoch steht sie offenbar auch in Zusammenhang mit einem Ansprechen auf die CAR-T-Zell-Therapie: Man hat die Beobachtung gemacht, dass bei Non-Respondern, also Patienten, die auf eine CAR-T-Zelltherapie nicht ansprechen, auch diese Nebenwirkung ausbleibt.

Tocilizumab zur Behandlung der CAR-T-Zell-Nebenwirkungen

Zur Behandlung des massiven Zytokinsturmes hat die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Tocilizumab (Actemra®) im Juli dieses Jahres zugelassen. Tocilizumab ist ein Antikörper, der als Interleukin-6-Rezeptor-Antagonist wirkt. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ist noch nicht ganz so weit: Der dortige Humanarzneimittelausschuss CHMP hat jedoch die Zulassungserweiterung von Tocilizumab ebenfalls empfohlen. Zulassungserweiterung deshalb, da Tocilizumab bereits seit Jahren zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis auf dem Markt ist. Handelsname in Deutschland ist RoActemra®.