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Zum Weltmilchtag am 1. Juni: Ist Milch krebserregend?

Milchkanne und -flasche stehen im Kuhstall
Milchprodukte werden immer wieder mit Krebs in Zusammenhang gebracht. | Bild: ronstik / AdobeStock

„Milch macht müde Männer munter“ – mit diesem Slogan warb die Milchindustrie in den Fünfzigerjahren um die Aufmerksamkeit der Kunden. Und so manches Kind musste lernen, dass nur groß und stark wird, wer Milch trinkt. 

Doch mittlerweile bekommt das Bild vom gesunden Nahrungsmittel Kratzer: Einige Forscher äußern den Verdacht, dass bestimmte Bestandteile der Milch Krebs verursachen können. Was ist dran an der These?

Weltmilchtag am 1. Juni 

Kefir in der Türkei, Skyr in Island oder Buttermilch in Deutschland: Milchprodukte spielen als Lebensmittel in nahezu allen Ländern dieser Erde eine wichtige Rolle. Um der Milch und der Milchwirtschaft mehr Aufmerksamkeit zu schenken, haben Landesvereinigungen wie die  Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Internationale Milchwirtschaftsverband (IDF) im Jahr 1957 den Weltmilchtag ins Leben gerufen. 

Seither findet der Tag der Milch jährlich in mehr als 40 Ländern statt. Seit dem Jahr 2001 wird der Milchtag als internationaler Aktionstag in allen Ländern einheitlich am 1. Juni gefeiert.

Milch steigert das Risiko auf Darmkrebs

Tatsächlich gibt es vage Hinweise darauf, dass Kuhmilch Erreger enthält, die eine Entstehung von Krebszellen begünstigen könnten. Belastbare Forschungsergebnisse gibt es aber noch nicht. 

Anlass für die Vermutung, dass der Verzehr von Milch zur Entstehung von Krebs beitragen könnte, liefern unter anderem Beobachtungsstudien in Bevölkerungen, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) berichtet. So gebe es zum Beispiel in Ländern mit hohem Milch- und Rindfleischkonsum auch hohe Darmkrebsraten.

Gefährliche Erreger in Milch und Rindfleisch

Für Aufsehen sorgten im Februar 2019 neue Erkenntnisse des Medizin-Nobelpreisträgers Harald zur Hausen und des DKFZ. Die Forscher fanden in Kuhmilch und in Rindfleisch bislang unbekannte Erreger, von denen Gefahr für den Menschen ausgehen könnte. 

Die sogenannten Bovine Meat and Milk Factors (BMMF) stehen laut DKFZ im Verdacht, chronische Entzündungen zu verursachen, die wiederum ein höheres Risiko für Dickdarm- und möglicherweise auch für Brust- und Prostatakrebs zur Folge haben. 

Für ihre Studie untersuchten zur Hausen und seine Kollegen Blutseren von Hunderten europäischen Milchkühen und analysierten Milch und Milchprodukte aus Supermärkten. Außerdem entnahmen sie Blutproben von gesunden Menschen und Darmkrebs-Patienten. 

Das Ergebnis war nach Aussage der Forscher deutlich: Die BMMF fanden sich nicht nur in den tierischen Produkten, sondern auch in den untersuchten menschlichen Zellen. Noch nicht zuverlässig abschätzen lasse sich hingegen, wie bedeutend die Erreger für die Entstehung von Tumoren seien.

Infektion mit BMMF schon im Kindesalter möglich

Die Wissenschaftler vermuten, dass sich Menschen schon innerhalb ihres ersten Lebensjahres mit BMMF infizieren, weil ihr Immunsystem in diesem Zeitraum noch nicht ausgereift ist. 

Daraus folgern die Experten, dass Säuglinge nicht zu früh mit Kuhmilch gefüttert, sondern lieber bis zum zwölften Monat gestillt werden sollten. 

Im Erwachsenenalter hingegen nütze ein Verzicht auf Kuhmilch und Rindfleisch nichts, weil die Infektion dann bereits erfolgt sei.

Weitere Forschungen notwendig

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hebt hervor, dass diese Erkenntnisse und Empfehlungen auf einer sehr dünnen Datengrundlage beruhen. Inwieweit BMMF das Krebsrisiko beeinflussen, könne noch nicht zuverlässig bewertet werden, heißt es in einer Stellungnahme. Eine weitere Erforschung der Infektionserreger sei dringend notwendig.

Konsum von Milchprodukten auf niedrigstem Niveau

In Deutschland ist ein Abwärtstrend erkennbar: Immer weniger Menschen trinken Kuhmilch. Der Verbrauch ist auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gesunken. In den vergangenen gut 50 Jahren hat er sich fast halbiert. Der Pro-Kopf-Verbrauch aller Sorten Kuhmilch ging 2021 um 2,2 Kilogramm auf im Schnitt 47,8 Kilogramm zurück, wie es in einer Mitteilung des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft heißt. Das ist der niedrigste Milchverbrauch, seit es die gesamtdeutsche Statistik gibt (1991). 

Als möglicher Grund für den Abwärtstrend bei der Kuhmilch wird der verstärkte Konsum pflanzlicher Alternativen genannt, zum Beispiel von Hafer-, Soja- und Mandeldrinks.

Genmanipulierende Wirkung von Milchprodukten

Eine andere Theorie zum Zusammenhang von Milch und Krebsentwicklung vertritt der Hautarzt Bodo Melnik, der unter anderem als Professor an der Universität Osnabrück lehrt. Seine Forschung konzentriert sich auf die in Milch enthaltenen Mikro-Ribonukleinsäuren (miRNS). 

Melnik geht davon aus, dass diese Säuren beim Konsum von Milchprodukten wie ein Virus auf den menschlichen Körper übertragen werden und hier Schaden anrichten, indem sie die Aktivität der Gene beeinflussen. Der wachstumsfördernde Effekt von miRNS könne die Entstehung von bösartigen Tumoren begünstigen. Und Melnik warnt: „Der Verbraucher ist derzeit der genmanipulierenden Wirkung der miRNA des Rindes schutzlos und unbewusst ausgeliefert.“ 

Diese Sichtweise ist in der Wissenschaft allerdings hoch umstritten. So geht das BfR bislang davon aus, „dass Auswirkungen von mit der Milch aufgenommenen miRNAs auf die menschliche Gesundheit als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen sind.“ 

Das Bundesinstitut verweist unter anderem darauf, dass die Säuren im menschlichen Körper abgebaut werden können. „Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse liefern keinen Grund, der Allgemeinbevölkerung vom Konsum von Milch und Milchprodukten in den empfohlenen und in Deutschland üblichen Verzehrmengen abzuraten“, teilte ein Sprecher mit.

Unklare Wirkung von Milch auf den Körper

Die Thesen zu einer krebserregenden oder krebsfördernden Wirkung einzelner Milchbestandteile stehen also noch auf mehr als unsicheren Beinen. Weitere Forschung ist nach Einschätzung aller Experten dringend notwendig, um die Datenlage zu verbessern und zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Quelle: dpa/JH