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Grippeimpfung bei Babys

Die STIKO empfiehlt die saisonale Influenzaimpfung nicht standardmäßig für gesunde Babys. Wird sie aber in Betracht gezogen, muss bei der Impfstoffauswahl genau hingeschaut werden. Denn nicht jeder Impfstoff kommt für die Kleinsten in Frage. | Bild: New Africa / Adobe Stock

Geht es nach Meinung der STIKO, muss sich nicht jeder Säugling in Deutschland automatisch gegen Grippe impfen lassen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die saisonale Influenzaimpfung nicht standardmäßig für gesunde Babys, rät aber auch nicht davon ab. Die Grippeimpfung von Säuglingen in Deutschland dürfte insgesamt jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Kommt sie allerdings in Frage, gilt es einiges zu beachten, denn nicht jeder der verfügbaren Impfstoffe ist auch für jedes Kindesalter zugelassen – und nur ein einziger darf offiziell eingesetzt werden, wenn das Baby in den ersten sechs Lebensmonaten geschützt sein soll. PTAheute gibt eine Übersicht.

Passive Immunisierung der Babys durch aktive Immunisierung der Mutter 

Für die bevorstehende Grippesaison 2019/20 sind mehrere Grippeimpfstoffhersteller am Markt. Erstmals gibt es mit Flucelvax® Tetra (Seqirus) auch einen Vierfachgrippeimpfstoff, der in Säugetierzellen hergestellt wird. Die anderen Totimpfstoffe Influvac® Tetra (Mylan), Influsplit® Tetra (GlaxoSmithKline) und Vaxigrip® Tetra (Sanofi Pasteur) lassen die Hersteller in Hühnereiern produzieren. Auch die abgeschwächten Viren für den einzig verfügbaren Lebendimpfstoff, Fluenz Tetra®, lässt AstraZeneca in Hühnereiern vermehren. 

Die Impfstoffe unterscheiden sich nicht nur in ihrem Herstellverfahren, auch bei der Zulassung gibt es hinsichtlich der Grippeimpfung von Säuglingen und Kleinkindern Unterschiede. Für die Totimpfstoffe gilt: 

  • Influsplit® Tetra und Vaxigrip® Tetra dürfen Säuglinge ab sechs Monaten zur aktiven Immunisierung erhalten
  • Influvac® Tetra darf erst bei Kindern ab drei Jahren geimpft werden
  • Flucelvax® Tetra dürfen Kinder erst ab einem Alter von neun Jahren zum Grippeschutz bekommen

Was auffällt: ein aktiver Grippeschutz ist bei Babys frühestens ab einem Alter von sechs Monaten möglich. Allerdings ist es Sanofi Pasteur vor kurzem gelungen, dennoch die „Impflücke“ zwischen Geburt und dem Alter von sechs Monaten zu schließen: Als einziger Grippeimpfstoff hat Vaxigrip® Tetra auch die Zulassung zur aktiven Impfung von Schwangeren und zur passiven Impfung von Säuglingen ab der Geburt bis zu einem Alter von weniger als sechs Monaten nach der mütterlichen Impfung während der Schwangerschaft. Der Säugling produziert folglich keine eigenen Antikörper, sondern wird durch mütterliche (maternale) Antikörper geschützt, die über die Plazenta in den fetalen Blutkreislauf gelangen. Das war natürlich auch in den vorigen Jahren der Fall, nur hatte bislang keine Vakzine eine explizite Zulassung.

Aktive und passive Immunisierung – was ist der Unterschied?

Bei der aktiven Immunisierung ist das Ziel, einen langfristigen Schutz aufzubauen. Dazu werden abgetötete Erreger, Bruchstücke von Erregern oder abgeschwächte, jedoch vermehrungsfähige Erreger (Lebendimpfstoffe, wie bei Masern, Mumps, Röteln oder bei Grippe im Fall von Fluenz Tetra) geimpft. Der Körper reagiert auf die vermeintliche Infektion zum einen mit der Produktion von neutralisierenden Antikörpern und zum anderen mit Gedächtniszellen, die sich auch bei späteren tatsächlichen Infektionen an die Antigene der Erreger erinnern und sodann bewirken, dass die passenden Antikörper gebildet werden, die die Infektionserreger bekämpfen. Wichtig ist somit, dass die Antigene des Impfstoffes denen des tatsächlichen Erregers möglichst gleichen. 

Bei einer passiven Immunisierung hingegen werden dem Patienten direkt die passenden Antikörper (Immunserum) gegen den Krankheitserreger verabreicht – das wird beispielsweise bei Tierbissen und der Gefahr einer Infektion mit Tollwut praktiziert. Der Vorteil: Die Antikörper stehen sofort zur Verfügung und müssen nicht erst vom Patienten selbst produziert werden – er bleibt „passiv“. Die Antikörper wurden vor Verabreichung – also der passiven Impfung – außerhalb des Impflings produziert. Nachteil ist jedoch, dass die verabreichten Antikörper keinen langjährigen Schutz bieten. Sie werden vom Patienten innerhalb einiger Wochen abgebaut, was bedeutet: Bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger ist der Patient auch erneut gefährdet. 

Die Impfung einer Schwangeren führt ebenfalls zur passiven Immunisierung des Säuglings, da die Antikörper, die die werdende Mutter nach ihrer aktiven Impfung produziert, über die Plazenta in den fetalen Blutkreislauf gelangen.

Sonderstellung Fluenz® Tetra

Der Lebendimpfstoff Fluenz® Tetra hat für die Grippeimpfung von Zwei- bis 17-Jährigen die Zulassung. Als einziger Impfstoff wird er als Nasenspray appliziert. Eine Sonderstellung nimmt Fluenz® Tetra nicht nur in der Anwendungsart ein, sondern auch dadurch, dass die Vakzine – im Gegensatz zu allen anderen Grippeimpfstoffen – abgeschwächte, jedoch noch vermehrungsfähige Grippeviren enthält. Das bedeutet: Fluenz® Tetra darf bei immungeschwächten Kindern und Jugendlichen nicht angewendet werden. Dazu zählen beispielsweise Kinder mit akuter oder chronischer Leukämie, Lymphom, symptomatischer HIV-Infektion, zellulären Immundefekten oder hoch dosierter Cortisonbehandlung. Die Krux an der Sache: Gerade dieser Patientengruppe empfiehlt die STIKO den Grippeschutz.

Grippeschutz bei Babys: Keine Standard-Impfempfehlung

Die Ständige Impfkommission am RKI rät hierzulande nicht standardmäßig zum Grippeschutz bei Babys. Das RKI begründet: „Eine Influenzaimpfung bei gesunden Kindern oder bei Erwachsenen unter 60 Jahren verläuft in der Regel ohne schwerwiegende Komplikationen.“ Gleichzeitig betonen die Impfexperten aber auch, dass dies nicht bedeutet, dass die STIKO bei diesen Personen davon abrät.

Wird Grippe bei Säuglingen unterschätzt?

Wie wichtig die Grippeimpfung von Säuglingen – auch passiv durch maternalen Antikörperschutz – ist, hat jüngst eine von der CDC (Centers für Disease Control and Prevention, Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention, US-Bundesbehörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums) finanzierte länderübergreifende Studie (Albanien, Jordanien, Nicaragua, Philippinen) ergeben. Veröffentlicht wurde die Untersuchung Anfang September 2019 in Lancet Child & Adolescent Health. Das Ergebnis: Grippe wurde bei Säuglingen bislang massiv unterschätzt. Die Zahl der unter einjährigen Kinder, die in der Studie mit Grippe ins Krankenhaus eingeliefert wurden, war mindestens doppelt so hoch, wie bislang angenommen worden war.

USA: Grippeimpfung ab sechs Monaten

Andere Länder sehen im Gegensatz zu Deutschland eine Grippeimpfung auch für Säuglinge und Kinder vor: Die Vereinigten Staaten empfehlen generell jedem ab einem Alter von sechs Monaten einen Grippeschutz. Auch europäische Länder sprechen Impfempfehlungen für Grippe bei Kindern aus: Nordirland und Schottland raten zur Grippeimpfung im Alter von zwei bis elf Jahren, England im Alter von zwei bis sieben Jahren und Wales im Alter von zwei bis acht Jahren. In Lettland und Slowenien wird ein Grippeschutz für Säuglinge ab sechs Monaten bis zu zwei Jahren empfohlen. In Finnland sollen sich Babys ab sechs Monaten bis drei Jahren impfen lassen. Malta rät zum Grippeschutz zwischen sechs Monaten und fünf Jahren und die Slowakei zwischen sechs Monaten und zwölf Jahren.