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Kopfschmerzen durch Analgetika: An wie vielen Tagen sind Schmerzmittel erlaubt?

Bild: Andrey Popov / Adobe Stock

Es ist ein Teufelskreis, wenn Patienten durch die Einnahme von Analgetika aufgrund von Schmerzen erst Recht Kopfschmerzen bekommen. Nicht immer fällt es leicht, zu differenzieren – welche Kopfschmerzen liegen überhaupt vor: Sind es die „ursächlichen“ primären Kopfschmerzen oder gar die Schmerzmittel-induzierten sekundären Kopfschmerzen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele betroffene Patienten sicherlich noch nicht einmal wissen, dass Kopfschmerztabletten auch wieder Kopfschmerzen verursachen können, zumindest, wenn sie zu lange eingenommen werden. Etwa 100.000 Menschen leiden bundesweit an solch einem Analgetika-induziertem Kopfschmerz. Hier ist die Beratung der Apotheke gefragt

Das hat auch die Bundesapothekerkammer (BAK) erkannt – jüngst veröffentlichte sie einen Leitfaden für Apotheken zum Umgang mit Arzneimittelmissbrauch: „Arzneimittelmissbrauch – Leitfaden für die apothekerliche Praxis“. Er soll Apotheker unterstützen, Arzneimittelmissbrauch in der öffentlichen Apotheke zu erkennen und geht auch explizit auf die missbräuchliche Einnahme von Analgetika ein.

Wie können Analgetika Kopfschmerzen verursachen?

Man geht heute davon aus, dass ein Dauergebrauch von Schmerzmitteln die Schwelle im Schmerzleitungssystem herabsetzt – heißt: Um einen Schmerzreiz zu transportieren, muss der Reiz nur noch sehr klein sein. Das Ergebnis: Der Patient hat schon durch geringste Auslöser Schmerzen.

Sind Kombinationspräparate kritischer als Monopräparate?

Auch wenn vor allem Kombinationsanalgetika in harscher Kritik stehen und besonders in Verbindung gebracht werden mit einem „Suchtpotenzial“, kann man dies wohl so nicht unreflektiert unterschreiben. „Wichtiger als die Zusammensetzung der Präparate ist allerdings die Häufigkeit ihrer Einnahme und ihre Dosierung, also ihr bestimmungsgemäßer Gebrauch,“ schreibt die BAK-Leitlinie hierzu. „Häufigkeit der Einnahme“ – was ist denn zu viel?

Schmerzmittel: Nicht mehr als an zehn Tagen pro Monat

Eine Empfehlung kommt hier von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Alle Kopfschmerz- und Migränepräparate sollten nicht länger als drei Tage am Stück und nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat angewendet werden. Für Triptane zur Behandlung der Migräne verhält es sich ähnlich. Hier gilt: Triptane sollten Migränepatienten nicht häufiger als zweimal innerhalb von 24 Stunden, dreimal pro Attacke (in der Selbstmedikation maximal zwei Einzeldosen pro Attacke) und ebenfalls nicht öfter als an zehn Tagen pro Monat einnehmen.

Bis zur Entwicklung arzneimittelinduzierter Kopfschmerzen genügt bei manchen Patienten ein recht kurzes Einnahmefenster von vier Wochen. Andere Patienten wiederum entwickeln erst nach jahrelangem Missbrauch der Analgetika sekundäre Kopfschmerzen. Besonders gefährdet sind Frauen, sie leiden rund fünfmal häufiger an Analgetika-Kopfschmerzen als Männer. Auch Patienten mit Spannungskopfschmerzen, Migräne oder die bereits als Kind häufiger Kopfschmerzen hatten, zählen zur Risikogruppe – das überrascht nicht weiter. Denn sie greifen aufgrund ihrer Grundbeschwerden wohl natürlicherweise häufiger in die Schmerzmittelkiste. Die Kopfschmerzen, ausgelöst durch Schmerzmittel, äußern sich meist dumpf und pochend. Häufig leiden die Patienten bereits beim Aufstehen unter den Beschwerden. Diese verschlimmern sich außerdem durch körperliche Bewegung eher, als dass sie sich bessern.

Gefahren eines Schmerzmittelmissbrauchs

Neben dem sekundären Kopfschmerz bergen dauerhafte analgetische Therapien weitere Gefahren: Bekannte Nebenwirkungen von NSAR wie Ibuprofen, Diclofenac oder ASS sind Magen-Darm-Blutungen oder Nierenschädigungen. Paracetamol belastet vor allem die Leber.

Die Frage ist nun: Wie erkennen Apotheker Schmerzmittelabhängige? Hier gibt die BAK-Leitlinie konkrete Hilfestellungen:

Wie erkennen Apotheker Analgetika-induzierten Kopfschmerz? 

Apotheker sollten an einen Ergotamin-, Triptan- oder Analgetika-induzierten Kopfschmerz denken, bei:

  • Mehr als 20 Kopfschmerztagen im Monat
  • Täglichen Kopfschmerzen von mehr als 10 Stunden
  • Regelmäßiger Einnahme von Analgetika / NSAR oder Ergotamin oder Triptanen
  • Einnahme in Kombination mit Codein, anderen Opioiden, Coffein, Antihistaminika
  • Zunahme der Stärke und Frequenz der Kopfschmerzen bei Entzug
  • Fehlendem Zusammenhang zwischen ursprünglichen Kopfschmerzen (Spannungskopfschmerzen, Migräne) und derzeitigem Kopfschmerzsyndrom. (Quelle: BAK-Leitfaden „Arzneimittelmissbrauch – Leitfaden für die apothekerliche Praxis“) 

Apotheken: Schmerzmittelabgabe nicht einfach verweigern

Die zweite, mindestens ebenso wichtige Frage ist: Was sollen Apotheker tun bei Verdacht auf Analgetika-Missbrauch – sollen sie die Abgabe schlichtweg verweigern? Das ist meist nicht sonderlich zielführend: An alternativen Einkaufsmöglichkeiten mangelt es in der Regel nicht. Die nächste Apotheke ist, zumindest in der Stadt, nicht weit, und auch der Online-versand von Arzneimitteln eröffnet „Schmerzmittel-Junkies“ eine recht anonyme Bezugsquelle. Sinnvoller ist hier, den Patienten aufzuklären und zu beraten – mit großer Wahrscheinlichkeit wissen die Kunden noch nicht einmal, dass die Ursache ihrer Kopfschmerzen in ihren „Helfern“, sprich ihren Schmerzmitteln, liegt. PTA und Apotheker sollten diesen Patienten zusätzlich einen Arztbesuch anraten. Unter Umständen müssen sie regelrecht einen Entzug von den Arzneimitteln durchstehen. Das liegt jedoch im Ermessen des Arztes. Entzugsmöglichkeiten gibt es sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor – der Erfolg lässt sich durchaus sehen: 70 Prozent der Patienten sind damit erfolgreich und anschließend von ihren Dauerkopfschmerzen befreit. Eine einfache Umstellung auf ein anderes Analgetikum führt in aller Regel nicht zu einer Besserung der Beschwerden.