PTA im Porträt – Arbeitsbereiche
PTA – Der Beruf
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PTA-Mangel, wo andere Urlaub machen: PTA an der Ostseeküste

Bild: © Tourismus Agentur Lübecker Bucht

Marlies Böckmann ist PTA und seit mehr als 25 Jahren in der Sonnen-Apotheke in Scharbeutz beschäftigt. Ihre Ausbildung hat sie vor vielen Jahren an der Theodor-Litt-Schule in Neumünster absolviert und ist dem Urlaubsparadies Scharbeutz immer treu geblieben. Besonders im Sommer, wenn die Touristen da sind, ist das Arbeiten direkt am Meer für die PTA besonders abwechslungsreich und anspruchsvoll. Zwischen Mai und September zieht es die meisten Touristen in das 12.000-Einwohner-Städtchen. Die Sonnen-Apotheke liegt direkt an der Uferpromenade und man kann von der Offizin aus sogar das Meer sehen. Die Apotheke lebt von einer großen Stammkundschaft, die eine ausführliche und ehrliche Beratung schätzt – und im Sommer natürlich auch von den Touristen, die ganz besondere Ansprüche an das Apothekenpersonal haben. 

Mehr als 25 Jahre Berufserfahrung (Marlies Böckmann) treffen auf frisches Wissen aus der PTA-Schule (Lennart Goss): Das Arbeiten in der Sonnen-Apotheke ist Teamwork. | Bild: Sonnen-Apotheke

In der Hochsaison sind es vor allem Sonnenbrand und Sonnenallergie, Schnitt- und Brandverletzungen, Hautentzündungen aller Art (Insektenstiche, allergische Reaktionen), Erkältungserkrankungen mit Fieber, Husten usw. und Augenentzündungen (bedingt durch Wind, Reize usw.), die gehäuft in der Sonnen-Apotheke vorkommen. Aber auch Magen-Darm-Probleme aufgrund des Ortswechsels sind an der Tagesordnung.

Manch einer muss zum Arzt geschickt werden

Eine Besonderheit im Touristenhochgebiet ist es wohl, dass einerseits viel mehr Kunden mit Eigendiagnosen in die Apotheke kommen, einige jedoch die Grenzen der Selbstmedikation bereits überschritten haben, wenn sie die Apotheke betreten. In der Hoffnung, sich einen Arztbesuch im Urlaub zu sparen, kommen sie beispielsweise mit einer Sportverletzung, einer eitrigen Konjunktivitis oder einer so massiven allergischen Reaktion in die Apotheke, dass es einem Verweis an örtliche Mediziner bedarf. Interessanterweise erhoffen sich auch viele Patienten, dass die Apotheke sie ohne ein Rezept mit ihrem Rx-Medikament versorgt, wenn die Medikation zu Hause vergessen wurde. Ein Verweis auf den Arzt ist natürlich auch hier unumgänglich.  

Die ärztliche Versorgung in Scharbeutz wird von einer Gemeinschaftspraxis und einem Allgemeinmediziner gewährleistet. Weitere Fachärzte sind in naher Umgebung zu finden. Viele Patienten erkundigen sich in der Apotheke nach einem Arzt oder wünschen eine ausführliche Beratung zu einem ihrer Probleme.  

Eine Einstellung auf die RX-Medikation ist bei der unterschiedlichen Bandbreite der Touristen im Sommer nicht möglich. Sie erhalten die vielfältigsten Medikationen in unterschiedlicher Packungsgröße und somit fallen deutlich mehr Bestellungen an, was eine besondere Herausforderung für die Logistik ist. Bei den OTC-Präparaten ist das wiederum anders. Sonnenmittel, Antiallergika und Schmerzmittel werden dann an den entsprechenden Bedarf angepasst, um die Menschen schnell und gezielt versorgen zu können. Wie in jeder anderen Apotheke auch, werden in der Sonnen-Apotheke viele Rezepturen, meist dermatologischer Art, hergestellt.

Wirklich so anders, als andere Apotheken?

„Der größte Unterschied zu anderen Apotheken“, so Marlies Böckmann, „besteht sicherlich darin, dass wir unheimlich viele OTC-Abgaben im Handverkauf haben – gerade in der Hochsaison. Hier ist eine gute Beratung einschließlich der Abklärung von Neben- und Wechselwirkungen enorm wichtig. Schließlich kennt man die Kunden meistens nicht und weiß nicht, ob und welche Medikamente sie möglicherweise regelmäßig einnehmen oder welche Besonderheiten es zu beachten gilt. So lernt und weiß man einfach unglaublich viel zu den einzelnen Indikationen und Präparaten.“ Die Themen Sonnenschutz, Sonnenkosmetik und Sportverletzungen sind in vielen Apotheken nur vernachlässigtes Randsortiment. In der Sonnen-Apotheke gehören diese Produkte zu den Topsellern und die PTA und Apotheker müssen sich auch damit sehr gut auskennen, um die Kunden entsprechend gut beraten zu können. Vor allem in der Hochsaison spielen junge Familien mit kleinen Kindern eine große Rolle in der Sonnen-Apotheke. Von Fieber über Magen-Darm-Beschwerden bis hin zur Wundversorgung nach einem Spielplatzunfall: Hier wird vom Team viel Feingefühl erwartet. Aber auch hier sind die Grenzen der Selbstmedikation einzuhalten und Eltern mit ihren Kindern auch einmal zum Kinderarzt zu schicken. In Urlaubsorten wie Scharbeutz sind Apotheken also mehr Ansprechpartner in allen gesundheitlichen Belangen, als das in anderen Apotheken, beispielsweise in Innenstädten der Fall ist. 

Die Sonnen-Apotheke liegt in unmittelbarer Nähe zur Ufer-Promenade in Scharbeutz. | Bild: Aonnen-Apotheke

Ein typischer Arbeitstag in der Urlaubshochburg

Morgens kann es schon einmal sein, dass die ersten Kunden schon vor der Apotheke warten, wenn die Apotheke öffnet. Meist werden dann bestellte RX-Präparate oder Rezepturen abgeholt und dann geht auch nach und nach der Handverkauf los. Hier ist jeder Tag anders, die typischen Sommerindikationen kommen mal mehr und mal weniger vor. Auch Stammkunden lösen ihre Rezepte ein und erwarten eine fundierte Beratung. Mal kommt eine Rezeptur dazwischen, die PKA wird dabei unterstützt, die oft umfangreiche Warensendung zu verräumen. Der Apothekentag ist sehr schnell um – Leerlauf gibt es vor allem im Sommer so gut wie nie. PTA sind in der Sonnen-Apotheke also rund um die Uhr in Aktion und arbeiten auch sehr selbständig in vielfältigen Aufgabengebieten. Um für die täglichen Herausforderungen fit zu sein, wird in der Sonnen-Apotheke viel „Inhouse“-geschult. Vor allem was Produkte angeht, aber auch in Sachen Naturheilkunde. Apothekenleiter Konrad Baumann hat beispielsweise eine Fortbildungen in Naturheilverfahren und Homöopathie absolviert. Die Kenntnisse trägt er gerne in sein Team. Die meisten Kammerfortbildungen sind mindestens 20 km entfernt, selten in Lübeck, oft in Hamburg oder Kiel. Umso mehr Wert wird auf eine selbstständige Fortbildung durch Fachzeitschriften, über E-Learnings oder Webinare gelegt. Die Apothekenleiter bieten PTA hier alle Möglichkeiten und freuen sich über den Fortbildungseifer ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Die Sonnen-Apotheke in Scharbeutz

Konrad und Alexander Baumann suchen händeringend nach PTA. Für die beiden Apotheker ist der Fachkräftemangel schon längst in der Apotheke angekommen. | Bild: Sonnen-Apotheke

Die Apotheke wird seit 25 Jahren von Konrad Baumann geführt. Seit Januar dieses Jahres ist auch der Sohn Alexander Baumann nachgerückt, nachdem er seine Approbation als Apotheker erhalten hat.  Das Team umfasst momentan zwei Approbierte, zwei PTA und eine PKA. Alexander Baumann kümmert sich neben den üblichen Aufgaben im HV im Wesentlichen um das Marketing und Aktionen, während sein Vater sich um die Verwaltung der Apotheke kümmert. Den beiden gelingt es trotz offenbar bester Voraussetzungen nicht, zwei offene Stellen adäquat zu besetzen. Für Alexander Baumann, Apotheker und Junior-Chef in der Sonnen-Apotheke hat der PTA-Mangel ganz unterschiedliche Gründe. Zum einen seien die Wohnmöglichkeiten nicht optimal verteilt und die Mieten oft sehr hoch. Des Weiteren seien natürlich auch bestimmte Regelungen im Apothekenbetrieb notwendig, um die Urlauber und die Einheimischen in den Sommermonaten versorgen zu können. So muss auch mal ein paar Wochen auf Urlaub in den Sommerferien verzichtet werden. Des Weiteren bietet die Küste in Ostholstein leider nur wenig attraktive Ausgeh- und Erlebnismöglichkeiten für junge Menschen. 

PTA-Praktikum an der Küste

PTA-Praktikant Lennart Goss absolviert zur Zeit seine Famulatur in der Sonnen-Apotheke in Scharbeutz und wird dort vier Wochen bis Mitte August unterstützend tätig sein. Die Küste bietet in seinen Augen zahlreiche Vorteile, insbesondere die ländliche Schönheit und die Ruhe und Abgelegenheit. Aufgrund seiner familiären Wohnsituation hat er sich für ein Praktikum an der Küste entschieden und hat sich auf Empfehlung in der Sonnen-Apotheke beworben. Auch plant er seine berufliche Zukunft in dieser Gegend. Seine Ausbildung absolviert er zurzeit an der G13-Schule in Hamburg. Das Besondere in dieser Apotheke sei die Individualbetreuung durch Junior-Chef Alexander Baumann. Er nehme sich sehr viel Zeit und kläre ihn über alle wichtigen Prozesse und Themen auf, die in einer Apotheke von Relevanz sind. Er spreche mit ihm auch über die detaillierte Pharmakologie, Abgabehinweise, Beratung usw. Des Weiteren werde ihm schon während der Famulatur eigenverantwortliches Arbeiten erlaubt, sofern es seine Ausbildung im Moment zulässt. Er lerne sehr viel in der Sonnen-Apotheke, weil es eine so große Vielfalt an Kunden gebe. Ihn reizt die Gegend und er sucht jeden Tag nach der Arbeit den Strand zum Schwimmen auf. Fragt man Lennart Goss, wieso so wenige seiner Kolleginnen und Kollegen an der Küste arbeiten möchten, hat er eine eindeutige Antwort:  „Die jungen Leute genießen die räumliche Nähe zum Ausbildungsplatz und suchen zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmungen, welche insbesondere durch die Großstädte gegeben werden.“

Was muss man einer guten PTA bieten, um sie langfristig an die Apotheke zu binden?

„Ich denke“, so Alexander Baumann, Junior-Chef in der Sonnen-Apotheke, „dass man einer guten PTA eine möglichst abwechslungsreiche Aufgabengestaltung zuteilen und viel eigenverantwortliches Arbeiten gestatten sollte. Natürlich sollte auch das Gehalt stimmen und die Möglichkeit nach Fortbildungen gegeben sein, aber es gibt Dinge, die in meinen Augen von größerem Wert sind. Bei uns steht das Team eindeutig im Vordergrund. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Betriebsatmosphäre. Die Motivation wird im Wesentlichen durch einen freundlichen und herzlichen Umgang miteinander bestärkt. Gemeinsames Lachen oder ein regelmäßig gemeinsames Frühstück sind enorm wichtig für ein gutes Betriebsklima und die notwendige Vertrauensbasis. Unser Team setzt sich aus Kräften zusammen, die seit 25 Jahren in der Apotheke arbeiten und gleichzeitig sorgen wir mit junger Unterstützung für einen frischen Wind. Jeder kann von dem anderen Mitarbeiter lernen, sei es von neusten pharmazeutischen Kenntnisse eines PTA-Praktikanten oder von der Erfahrung einer langjährigen PTA. Es ist ein Geben und Nehmen. Die Einführung neuer Produkte verbunden mit entsprechenden Inhouse-Schulungen sorgen für eine zusätzliche Motivation, da man immer auf dem neusten Kenntnisstand bleibt  und sich mit aktueller pharmazeutischer Thematik auseinandersetzen kann. Des Weiteren werden wir ab Herbst Aktionswochen zu diversen Themen einführen, an welchen alle Mitarbeiter beteiligt sein sollen. Ab August werden wir gemeinsam Ideen sammeln und uns konkrete und innovative Umsetzungsmöglichkeiten überlegen. Natürlich haben wir das Glück, dass die Örtlichkeit Scharbeutz einen traumhaften Arbeitsplatz bietet, so kann man nach der Arbeit schwimmen gehen oder den Abend in einem der zahlreichen Bars ausklingen lassen. Wir arbeiten schließlich dort, wo andere Menschen Urlaub machen!“

Fachkräfte-Mangel in ganz Deutschland – auch bei PTA

Das Beispiel der Sonnen-Apotheke in Scharbeutz in Schleswig-Holstein ist kein Einzelfall. Je nach Bundesland zeigt sich das Nachwuchsproblem heute unterschiedlich stark. Während Hamburg oder Bayern nicht über einen Mangel an Bewerbern für die PTA-Ausbildung klagen müssen, ist die Situation in überwiegend ländlichen Regionen wie Brandenburg und Sachsen bereits jetzt besorgniserregend. Woran liegt es also, dass es so schwer ist, PTA zu finden? Nun, zum einen gibt es immer weniger Realschulabsolventen – und damit weniger Anwärter auf den PTA-Beruf. Zwar gibt es heute im Großen und Ganzen noch ausreichend PTA in Deutschland, aber schon jetzt zieht es viele der 63.000 ausgebildeten PTA nach ihrem Abschluss nicht mehr in eine öffentlichen Apotheke, sondern in einen anderen Arbeitsbereich. Auch beim Bundesverband PTA (BVpta) sieht man die Probleme. Der Verband fordert eine Verlängerung der Ausbildungszeit auf drei Jahre und mehr Verantwortung für die Mitarbeiter. Bei den Apothekern trifft das bislang auf wenig Gegenliebe. Für die Verantwortlichen des BVpta ist das nicht nachvollziehbar. Denn es gibt einen Mangel und der Bedarf werde gesehen – trotzdem weigere sich die ABDA, den Beruf attraktiver zu machen. Immer häufiger wird auch kritisiert, dass der Beruf fast ausschließlich mit den Argumenten beworben werde, er sei familienfreundlich und man könne in Apotheken gut Teilzeit arbeiten. Aber entscheidet man sich mit 16/17 Jahren wirklich für einen Beruf, weil sich der eignet, um eine Familie zu gründen?  

Auch das Thema Gehalt spielt für die Berufswahl eine entscheidende Rolle. Hier engagiert sich beispielsweise ADEXA – Die Apothekengewerkschaft dafür, dass fortbildungsfleißige PTA besser honoriert werden. Bei der letzten nächsten Tarifrunde soll über ein Vergütungsmodell für diejenigen Angestellten gesprochen werden, die das freiwillige Fortbildungszertifikat besitzen bzw. die über eine fachliche Zusatzqualifikation oder Weiterbildung verfügen. 

Den Apotheken in Gebieten mit einem Fachkräftemangel bleiben trotzdem nicht viele Mittel. Sie werben mit attraktivem Gehalt, flexiblen Arbeitszeiten, tollen Fortbildungsmöglichkeiten und selbstständigem Arbeiten. Auch die Sonnen-Apotheke in Scharbeutz. Dennoch ist es auch den Apothekern Konrad und Alexander Baumann bis heute nicht gelungen, zwei offene Stellen zu besetzen. 

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