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Rote-Hand-Brief zu Ocaliva®: Obeticholsäure täglich oder wöchentlich? – die richtige Dosierung schützt die Leber

Packshot: Intercept Pharma Deutschland / AKDAE

Die Leber machte dem PRAC bei seiner letzten Sitzung schwer zu schaffen – besser gesagt Arzneimittelnebenwirkungen auf das Organ. Für Katadolon® (Flupirtin) empfahl der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz bei der EMA (Europäische Arzneimittelagentur) gar die Zulassung zu widerrufen, mit Esmya® (Ulipristalacetat) bei Gebärmutter-Myomen sollen künftig keine neuen Patientinnen mehr behandelt werden, und auch Obeticholsäure ist nur bedingt ein Freund der Leber. Setzen Ärzte es eigentlich ein, um die Leber bei einer primär biliären Cholangitis zu schützen, geht dieser Schuss bei Überdosierung rasch nach hinten los. Die EMA betont aus diesem Grund nochmals die unterschiedlichen Dosierungsintervalle des Obeticholsäure-haltigen Arzneimittels.

Was ist eine primär biliäre Cholangitis?

Die primär biliäre Cholangitis (PBC) ist eine Lebererkrankung, die von den intrahepatischen (innerhalb der Leber gelegenen) Gallengängen ausgeht. Bei Patienten, die an PBC leiden, kann die von der Leber produzierte Gallenflüssigkeit nicht richtig abfließen. Der Grund hierfür sind Entzündungen der Gallengänge (Cholangitis), die diese allmählich zerstören. Als Ursache geht man derzeit von einem autoimmunen Geschehen aus. Durch diese Abflussbehinderung staut sich jedoch die Gallenflüssigkeit zurück in die Leber und schädigt diese. Es kommt zu bindegewebsartigen Umbauprozessen (Fibrosierung, Leberzirrhose), die die Leberfunktion zunehmend einschränken und auch das Risiko für Leberkrebs erhöhen. Bei manchen PBC-Patienten ist die Leber irgendwann derart geschädigt, dass eine Lebertransplantation erforderlich ist. Häufig beginnt die primär biliäre Cholangitis zwischen dem 40. Und 60. Lebensjahr. 90 Prozent der Patienten sind weiblich. Klinisch macht sich eine PBC durch Juckreiz, Gelbsucht (Ikterus) und eine Hypercholesterinämie bemerkbar.

Richtige Dosierung von Ocaliva®

Obeticholsäure setzen Ärzte bei einer primär biliären Cholangitis folglich ein, um die Leber vor Schäden zu schützen. Allerdings muss unter Ocaliva® bei Patienten, die bereits an einer Leberinsuffizienz leiden, das Dosierungsintervall angepasst werden. Die EMA erneuert nun die richtige Dosierung von Ocaliva® für PBC-Patienten mit bereits eingeschränkter Leberfunktion.

  • Patienten mit primär biliärer Cholangitis und eingeschränkter Leberfunktion ohne Zirrhose (Child-Pugh A)nehmen Obeticholsäure täglich. Sie starten ihre Therapie mit Ocaliva® 5 mg für sechs Monate, anschließend erhöhen sie die tägliche Dosis auf 10 mg Ocaliva®.
  • Patienten mit primärer biliärer Cholangitis und einer eingeschränkten Leberfunktion mit Zirrhose (Child-Pugh B oder C) nehmen zunächst Ocaliva® 5 mg einmal wöchentlich. Vertragen die Patienten Obeticholsäure gut, können sie nach drei Monaten die Dosis auf Ocaliva® 5 mg zweimal pro Woche erhöhen. Bei erneuter Toleranz sieht die Fachinformation als Zieldosis Ocaliva® 10 mg zweimal wöchentlich vor.

Was wohl häufiger im therapeutischen Alltag untergeht – dass sich im Verlauf der primär  biliären Cholangitis der Zustand der Leber verschlechtern kann, folglich eine Dosierungsanpassung vonnöten ist. Die Leberfunktion müssen Mediziner somit nicht nur zu Beginn der Behandlung mit Obeticholsäure, sondern auch fortlaufend während der Therapie überwachen. Verschlechtern sich die Leberwerte, müssen die Kontrollen engmaschiger erfolgen.

Wie wirkt Obeticholsäure?

Obeticholsäure, der Wirkstoff in Ocaliva®, ähnelt strukturell den körpereigenen Gallensäuren und bindet an den gleichen Rezeptor wie diese (Farnesoid-X-Rezeptor, FXR). Allerdings ist die Affinität von Obeticholsäure zum Rezeptor um ein Vielfaches größer – etwa Faktor 100 – als von endogenen Gallensäuren. Durch die Bindung simuliert Ocaliva® dem Körper, dass bereits ausreichend Gallensäuren im Körper zirkulieren – und die Leber reduziert deren Neusynthese. Ein aktivierter FXR fördert zusätzlich, dass vermehrt Gallensäuren aus der Leber ausgeschleust werden. Beide Mechanismen verringern auf diese Weise die Gallensäureexposition der Leberzellen.

Primär biliäre Cholangitis hieß nicht immer so, …

… sondern primär biliäre Zirrhose. Der ursprüngliche Name der Erkrankung stammt noch aus früheren Zeiten, in denen Patienten mit PBC häufig erst im zirrhotischen Stadium beim Arzt vorstellig wurden. Mittlerweile werden auffällige Leberwerte früher entdeckt, nicht selten auch als Zufallsbefund. Die primär biliäre Zirrhose wurde somit 2014 in primär biliäre Cholangitis umgetauft, angeblich auch, um die mit dem Begriff Zirrhose verbunden Stigmatisierung der Patienten als Alkoholiker zu umgehen.