Retax-Fragen
Praxiswissen
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Tipps des DeutschenApothekenPortal: Trotz Lieferengpässen retaxsicher versorgen?

Apotheker zeigt Kundin Medikament
Ist ein Arzneimittel nicht lieferbar, können bestimmte Alternativen angeboten werden. | Bild: Gorodenkoff / AdobeStock

Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:

Auch in unserer Apotheke ist die Patientenversorgung immer wieder durch Lieferengpässe erschwert, in vielen Fällen können wir die Patienten nicht mehr problemlos zeitnah versorgen. Außerdem sind wir oft unsicher, welche Alternativen überhaupt infrage kommen, ohne dass wir zusätzlich auch noch ein Retaxrisiko tragen müssen. Welche Tipps gibt es zur retaxsicheren Versorgung bei Lieferengpässen?

Abgaberangfolge, SARS-CoV-2-AM-VersVO und Einzelfallentscheidungen

Kann ein Patient nicht mit dem vorgesehenen Arzneimittel versorgt werden, kann in der Apotheke natürlich zunächst nach aut-idem-konformen Alternativen geschaut werden. Diese können, sofern sie der Abgaberangfolge des Rahmenvertrags entsprechen, ohne Retaxrisiko abgegeben werden. Wird von der Abgaberangfolge abgewichen oder von den Sonderregeln der SARS-CoV-2-AM-VersVO Gebrauch gemacht, so muss dies auf dem Rezept dokumentiert werden, um nicht in eine Retaxfalle zu tappen.

In manchen Fällen ist die Versorgung aber weitaus komplizierter und hier gilt es, die Augen nach aktuellen Einzelfallentscheidungen offenzuhalten. Ein prominentes Beispiel war im Frühjahr/Sommer dieses Jahres der Tamoxifen-Engpass

Aktuell sind Apotheken täglich mit Lieferengpässen bei Ibuprofen- und Paracetamol-haltigen Fiebersäften konfrontiert. Hier können Apotheken durch Rezepturherstellung die Versorgung aufrechterhalten. Durch eine Bekanntmachung des BfArM, in der es darum geht, wie dabei vorzugehen ist, wird die Gefahr von Retaxationen weitestgehend reduziert.

Import als Alternative bei Lieferengpass: Was ist zu beachten?

In manchen Fällen kann ein Lieferengpass durch Importarzneimittel überbrückt werden. Doch stellt sich die Frage, wie dabei die rechtliche Situation ist. Für Einzelimporte gelten gemäß § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) folgende Voraussetzungen:

  • Bestellung für eine einzelne Person in geringer Menge
  • Abgabe im Rahmen einer bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis
  • Arzneimittel in dem Staat, aus dem es nach Deutschland importiert wird, rechtmäßig in Verkehr
  • Keine hinsichtlich des Wirkstoffs identischen und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbaren Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet in Deutschland verfügbar
  • Keine Rücknahme, kein Widerruf, kein Ruhen der Zulassung in Deutschland gem. § 30 Abs. 4 AMG
  • Keine Dopingsperre
  • TSE-Verordnung zutreffend und erfüllt
  • § 5 (Verbot bedenklicher Arzneimittel) und § 8 (Verbote zum Schutz vor Täuschung) AMG nicht betroffen

Soll ein einzeln importiertes Arzneimittel zulasten einer gesetzlichen Krankenkasse (GKV) abgerechnet werden, ist in jedem Fall für jede Verordnung vorab eine Genehmigung durch die Krankenkasse erforderlich, in der auch der Abrechnungspreis bestimmt wird. Wird diesen Vorgaben nicht entsprochen, so droht eine Retax. 

Vigabatrin-Lieferengpass: Erleichterte Vorgaben sichern Patientenversorgung

Ein weiterer Lieferengpass betrifft seit Juli 2022 Vigabatrin-haltige Arzneimittel aus dem Bereich der Antiepileptika, genauer gesagt Sabril® Beutel und Sabril® 500 mg Filmtabletten. Da der Lieferengpass nach offiziellen Meldungen voraussichtlich bis zum ersten Quartal 2023 andauern kann, wird nun durch den Hersteller Sanofi italienisch und französisch gekennzeichnete Ware in den deutschen Markt gebracht. Auch dies ist ein ungewöhnlicher Vorgang, doch wurde in diesem Fall sichergestellt, dass Apotheken die Arzneimittel retaxsicher abgeben können:

  • Gemäß einer Ausnahmegenehmigung basierend auf der Regelung des § 4 Abs. 1 der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) ist die ausländische Ware in Deutschland verkehrsfähig. Die entsprechende Gestattung ist auf der Seite des BfArM veröffentlicht und voraussichtlich bis 31.12.2022 befristet. Der Ware wird bei der Auslieferung ein deutsches Begleitschreiben beigelegt.
  • Die ausländische Ware wird zum gleichen Preis mit identischem Herstellerabgabepreis und -rabatt abgegeben und erhält eine eigene PZN. Seit 15.10.2022 erscheinen die ausländischen Präparate auch in der Lauer-Taxe.
Sabril® Beutel in der Lauer-Taxe online, Stand 15.10.2022 | Screenshot: Lauer-Taxe / PTAheute
  • Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG sind in der Regel, wie oben beschrieben, genehmigungspflichtig, allerdings verzichtet der GKV-Spitzenverband in diesem Fall ausnahmsweise auf die Genehmigung, um eine reibungslose Versorgung zu ermöglichen.
  • Damit kann die Apotheke die ausländische Ware mittels Bedruckung der in der Taxe dargestellten PZN mit der GKV abrechnen. Zusätzlich empfiehlt sich ein Vermerk wie „Sabril-Lieferengpass“ oder Ähnliches auf dem Rezept. Diese Vorgehensweise ist vielen Apotheken vielleicht noch aus dem Jahr 2020 bekannt, als der damalige Pneumovax®-Engpass mit Importware aus Japan, die mit eigener PZN in der Taxe gelistet war, überbrückt wurde.

Fluorouracil-Lieferengpass: Import ermöglicht

Auch bei Fluorouracil-haltigen Injektionslösungen, die in parenteralen Zubereitungen zur Anwendung kommen, gibt es derzeit einen Lieferengpass. Hier wird ebenfalls mittels Sondergenehmigung durch das BfArM Abhilfe geschaffen: So dürfen Importpräparate, die für den englischen Markt bestimmt sind, trotz englischsprachiger Kennzeichnung in Deutschland in Verkehr gebracht werden. 

Die Abrechnung erfolgt in diesem Fall über die in der Taxe dargestellten PZN des deutschen Präparates über den in der Hilfstaxe vereinbarten Preis. Auch der englische Import unterliegt damit den deutschen Preisregularien.

Versorgung bei Lieferengpässen verursacht mehr Bürokratie

Um Lieferengpässe zu überbrücken und die Patienten zeitnah zu versorgen, ist in Apotheken in vielen Fällen ein erhöhter (bürokratischer) Aufwand erforderlich. Zudem dauert es oft länger, bis der jeweilige Patient versorgt werden kann. 

Es ist wünschenswert, dass bei länger andauernden Lieferengpässen verbindliche Lösungen zur Herstellung bzw. Abrechnung vereinbart werden, damit Apotheken zumindest nicht in ein Retaxrisiko laufen, wenn sie ihre Patienten mit Alternativen versorgen. Quellen:
https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/mitteilung_fiebersaefte_kinder.html
Rundschreiben apothekerverband Schleswig-Holstein e.V. Nr. 139 vom 05.10.2022
Information des ABDATA Pharma-Daten-Service „Abrechnung Fluorouracil-haltige Injektionslösungen
 

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