Rezeptur
Praxiswissen
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Herstellung von Antibiotika-Säften mit Penicillinen

Tabletten werden in einer Reibschale gemörsert
Um Engpässen entgegenzuwirken, können Apotheken Amoxicillin-Suspensionen selbst herstellen. | Bild: Lisa F. Young / AdobeStock

Eine antibiotische Behandlung bakterieller Infektionen erfolgt bei Kindern überwiegend mit flüssigen Darreichungsformen. Aus Gründen der Stabilität werden entsprechende Fertigarzneimittel als Trockensäfte angeboten. 

Wie bereits im letzten Jahr treten auch diesen Winter immer wieder Lieferengpässe bei diesen dringend benötigten Arzneimitteln auf. Um den Engpässen entgegenzuwirken, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kürzlich eine Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel veröffentlicht.

Zu diesen dringlichen Arzneimitteln für Kinder gehören verschiedene Antibiotika, Ibuprofen und Paracetamol zur Fiebersenkung, abschwellende Nasentropfen und Nasensprays mit Oxymetazolin oder Xylometazolin sowie Salbutamol zur Bronchienerweiterung.

Bei Lieferengpass: Was darf die Apotheke abgeben?

Gibt es nun bei einem Kinderarzneimittel, das auf dieser Liste steht, Lieferschwierigkeiten, so kann die Apotheke ohne Rücksprache mit dem Arzt statt des verordneten Fertigarzneimittels Folgendes abgeben:

  • Eine wirkstoffgleiche Rezeptur in gleicher Darreichungsform,
  • eine wirkstoffgleiche Rezeptur in anderer Darreichungsform oder
  • ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel in anderer Darreichungsform.

Die Nichtverfügbarkeit des gewünschten Fertigarzneimittels ist auf der Verschreibung zu kennzeichnen, ein neues Rezept ist dafür nicht erforderlich. Stellt die Apotheke eine Rezeptur her, so richtet sich die Vergütung nach der Arzneimittelpreisverordnung. Die Lieferengpassgebühr von 50 Cent darf dabei nicht abgerechnet werden.

Antibiotika-Säfte mit Penicillinen

Penicilline gehören zu den wichtigsten antibiotischen Wirkstoffen, die bei Kindern angewendet werden. Amoxicillin ist aus dieser Gruppe das am häufigsten verordnete Antibiotikum. Die Substanz wird als Einzelsubstanz oder in Kombination mit Clavulansäure verordnet. 

Auf der Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel ist neben Amoxicillin, Amoxicillin + Clavulansäure auch noch Phenoxymethylpenicillin aus dieser Arzneistoffgruppe zu finden. Bei Lieferschwierigkeiten können diese Wirkstoffe in der Rezeptur zu einer Suspension zum Einnehmen verarbeitet werden.

Zur Erinnerung: Allgemeines zur Suspensionsherstellung

Suspensionen sind Gemische von Feststoffen und einer flüssigen Phase. Die Feststoffe sind dabei in der Flüssigkeit unlöslich, weshalb die Teilchen mit der Zeit zu Boden sinken. Um dennoch eine einheitliche Dosierung zu erreichen, müssen die Feststoffteilchen gleichmäßig aufschüttelbar sein. 

Werden zur Herstellung von Suspensionen Fertigpräparate verwendet, muss zuvor bewertet werden, ob sich das Fertigarzneimittel fein pulvern und anschließend gut mit der Grundlage anreiben lässt. 

Bei Suspensionen zur Einnahme handelt es sich um volumendosierte Zubereitungen. Da die Dichte jeweils bekannt ist, ist eine gravimetrische Herstellung möglich. Die einzelnen Bestandteile können ganz normal abgewogen werden.

Flüssige Zubereitungen mit Amoxicillin

Amoxicillin gehört zu den oral anwendbaren Breitspektrum-Antibiotika und wird in der Kinderheilkunde zur Behandlung zahlreicher bakterieller Infektionen eingesetzt.

Zur Herstellung von Amoxicillin-Suspensionen ist die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC geeignet. Diese Grundlage ist speziell zur Herstellung von pädiatrischen Zubereitungen entwickelt worden und enthält keine für Kinder kritischen Hilfsstoffe. Sie kann entweder fertig bezogen oder in der Apotheke nach NRF S.52. hergestellt werden.

Gut zu wissen: Was tun, wenn der Gelbildner nicht lieferbar ist?

Der in der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC enthaltene nichtionische Gelbildner Hydroxyethylcellulose 10.000 in 0,5%iger Konzentration dient zur Erhöhung der Viskosität. Ist dieser nicht erhältlich, kann auch 2 % Hydroxyethylcellulose 250 verwendet werden.

Amoxicillin-Suspension: Herstellung aus Rezeptursubstanz

Amoxicillin-Trihydrat ist als bisher einziger antibiotischer Arzneistoff als Ausgangsstoff zur Herstellung von Rezepturen erhältlich. Zur Verarbeitung mit der Grundlage muss der Feststoff fein gepulvert vorliegen, beim Abwiegen ist gegebenenfalls ein Einwaagekorrekturfaktor zu beachten. 

100 ml Amoxicillin-Suspension 750 mg / 5 ml (aus Rezeptursubstanz)
Amoxicillin-Trihydrat17,22 g

Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC

(100 ml entsprechen 109,3 g)

zu 109,3 g 

Um 100 ml einer Amoxicillin-Suspension 750 mg / 5 ml herstellen zu können, werden 15 g Amoxicillin benötigt. Da 1 g Amoxicillin-Trihydrat 0,8712 g Amoxicillin entspricht, müssen folglich 17,22 g Amoxicillin-Trihydrat abgewogen werden15 g Amoxicillin entsprechen x g Amoxicillin-Trihydrat

Berechnung: 15 g Amoxicillin x 1 g Amoxicillin-Trihydrat : 0,8712 g Amoxicillin
 

Der Wirkstoff wird nach dem Abwiegen in einer glatten Schale mit etwa der gleichen Menge an Suspensions-Grundlage verrieben. Anschließend wird die noch fehlende Grundlage portionsweise bis zum Endgewicht hinzugefügt und verrührt.

Verpackung und Haltbarkeit von Amoxicillin-Suspensionen

Zum Abfüllen der fertigen Zubereitung können Braunglas- oder PET-Flaschen verwendet werden. Um ein effektives Schütteln vor Entnahme der Einzeldosis zu ermöglichen, sollte das Volumen der Flasche doppelt so groß sein wie der jeweilige Inhalt. Bei der Kennzeichnung ist der Hinweis „Vor Gebrauch schütteln“ zu berücksichtigen. 

Zur volumetrischen Dosierung wird eine Kolbenpipette verwendet, hierfür ist das Primärpackmittel mit einem passenden Steckeinsatz zu versehen. Außerdem ist die Suspension im Kühlschrank aufzubewahren. 

Die Aufbrauchsfrist orientiert sich an der Empfehlung für rekonstituierte Amoxicillin-Trockensäfte und liegt bei 14 Tagen. 

Kennzeichnung der Rezeptur nach Apothekenbetriebsordnung

Bei der Kennzeichnung der hergestellten Amoxicillin-Suspension gilt wie gewohnt § 14 Apothekenbetriebsordnung. 

Der Wirkstoff wird nach Körpergewicht des Kindes dosiert. Je nach Indikation beträgt die Dosierung 40 bis 90 mg / kg / Tag, aufgeteilt auf meist drei Einzeldosen. Die individuelle Dosierung wird in der Apotheke ausgerechnet und auf das Etikett geschrieben. Die Einnahme von Amoxicillin kann unabhängig von der Nahrungsaufnahme erfolgen.

Vorschlag zur Kennzeichnung:

Beispiels-Etikett für Amoxicillin-Suspension
Vorschlag für ein Etikett für 100 ml Amoxicillin-Suspension 750 mg / 5 ml

Amoxicillin-Rezepturen: Sirupe auch als Grundlage möglich

Zur Herstellung der Amoxicillin-Suspension können auch Zuckersirup DAB oder Himbeersirup als Grundlage verwendet werden. Beide Grundlagen sind vorgefertigt erhältlich.

Zuckersirup DAB besteht aus 64 Teilen Saccharose und 36 Teilen Gereinigtem Wasser. Aufgrund des hohen Zuckergehalts ist der Sirup mikrobiell nicht anfällig.

Beim Himbeersirup handelt es sich um ein Himbeer- und Kirschsaftkonzentrat, das mit Natriumbenzoat und Kaliumsorbat konserviert ist. Dabei ist zu beachten, dass Natriumbenzoat in Zubereitungen zur oralen Anwendung für Kinder unter 2 Jahren nicht geeignet ist.

Gut zu wissen: Das Problem mit Natriumbenzoat 

Aufgrund einer noch unreifen Enzymaktivität können Kinder unter 2 Jahren die aus dem Natriumbenzoat entstehende Benzoesäure nur unvollständig abbauen. Dadurch kann es zu einer schweren Schädigung im zentralen Nervensystem kommen.

Die Herstellung eines Amoxicillin-Safts mit Zucker- oder Himbeersirup erfolgt analog der Verarbeitung mit der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC. 100 ml Amoxicillin-Suspension entsprechen sowohl beim Zuckersirup DAB als auch beim Himbeersirup 133,2 g.

Herstellung durch Einsatz eines Fertigarzneimittels

Zur Herstellung von Amoxicillin-Suspensionen können auch Tabletten oder Filmtabletten eingesetzt werden. Als Trägerlösungen sind wieder die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC sowie die beiden Sirupgrundlagen geeignet. 

Bei der Verwendung von Filmtabletten ist zu beachten, dass sich der Filmüberzug nur in der DAC-Suspensionsgrundlage auflöst. In den Sirupgrundlagen bleiben größere Bruchstücke zurück und müssen daher vor der Weiterverarbeitung aus dem Pulver abgesiebt werden.

100 ml Amoxicillin-Suspension 750 mg / 5 ml (aus Fertigarzneimittel)
Amoxicillin 
(aus entsprechender Menge an Tabletten- oder Filmtablettenpulver)
15,0 g

Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC

(100 ml entsprechen 110,4 g)

zu 110,4 g 

Zur Herstellung können Fertigarzneimittel mit 750 mg Amoxicillin (als Amoxicillin-Trihydrat) verschiedener Firmen eingesetzt werden, die 100-ml-Ansatzmengen unterscheiden sich dabei kaum.  

Folgende Fertigarzneimittel wurden vom DAC/NRF überprüft und lassen sich mit der DAC-Grundlage sowie Zucker- und Himbeersirup verarbeiten:

  • Amoxicillin 1A 750 mg Filmtabletten
  • Amoxicillin AL 750 mg Filmtabletten
  • Amoxicillin Aristo 750 Tabletten

Nach Information von herstellenden Apotheken können auch Amoxicillin Micro Labs 750 mg Filmtabletten in der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC verarbeitet werden.

Fertigarzneimittel zunächst im Überschuss verreiben

Um Gehaltsschwankungen einzelner Tabletten auszugleichen, müssen diese stets im Überschuss verwendet werden. Zunächst werden 20 Tabletten mit jeweils 750 mg Wirkstoff genau abgewogen und die Masse notiert. 

Anschließend wird ein Überschuss an Tabletten in einer rauen Reibschale fein gepulvert und aus diesem Tablettenpulver die benötigte Masse von 20 Tabletten zur weiteren Verwendung in eine glatte Schale eingewogen. Darin wird die Pulvermischung mit etwa der doppelten Menge an Grundlage versetzt und gründlich verrieben. Danach kann die restliche Grundlage anteilig bis zur Ansatzmenge hinzugefügt und verrührt werden. 

Bei der Verwendung der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC liegt das Endgewicht der Suspension bei 110,4 g. Beim Zuckersirup DAB und Himbeersirup entsprechen 100 ml Amoxicillin-Suspension jeweils 133,9 g.

Gut zu wissen: Gehaltsschwankungen bei Fertigarzneimitteln

Bei Fertigarzneimitteln liegen die Grenzen für die Abweichung des Wirkstoffgehalts jeder einzelnen Arzneiform relativ weit auseinander: Eine Abweichung von bis zu +/- 10 Prozent ist möglich. 

Um diese Schwankung auszugleichen, müssen Fertigarzneimittel bei der Rezepturherstellung im Überschuss verwendet werden. Eine genaue Festlegung zur Größe dieses Überschusses gibt es nicht. Das NRF empfiehlt grundsätzlich eine mindestens zweistellige Anzahl an Tabletten zu verwenden.

Suspension mit Amoxicillin und Clavulansäure

Im DAC/NRF-Rezepturhinweis „Antibiotika“ ist mittlerweile auch eine Vorschrift zur Herstellung einer Suspension mit der Wirkstoffkombination Amoxicillin und Clavulansäure zu finden. Als Trägerlösung können die DAC-Suspensionsgrundlage zum Einnehmen und Zuckersirup DAB verwendet werden. Aufgrund der Säureempfindlichkeit des Kaliumclavulanats – Salz der Clavulansäure – ist Himbeersirup wegen seines niedrigen pH-Werts von 3 nicht geeignet.

100 ml Amoxicillin-Clavulansäure-Suspension 400 mg + 57 mg / 5 ml (aus Fertigarzneimittel)
Amoxicillin in Kombination mit Kaliumclavulanat 7:1 
(aus entsprechender Menge an Filmtablettenpulver)
8,0 g

Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC 

(100 ml entsprechen 108,2 g)

zu 108,2 g

Von Seiten des DAC/NRF wurde das Fertigarzneimittel Amoxi-Clavulan PUREN 875 mg / 125 mg Filmtabletten getestet. Nach Rückmeldung aus Apotheken ist auch eine Verwendung von Amoxicillin/Clavulansäure Devatis und Amoxiclav Basics Filmtabletten möglich.

Werden die Filmtabletten in Zuckersirup DAB verarbeitet, wird auf eine Ansatzmenge von 132,8 g aufgefüllt. Da sich der Filmüberzug in der Sirupgrundlage nicht löst, muss dieser vor der eigentlichen Herstellung abgesiebt werden. 

Die Aufbrauchsfrist der fertigen Zubereitung beträgt bei Lagerung im Kühlschrank 7 Tage.

Verarbeitung von Amoxicillin-Rezeptursubstanz und Fertigarzneimitteln mit verschiedenen Suspensionsgrundlagen

 Amoxicillin-Trihydrat RezeptursubstanzAmoxicillin-TablettenAmoxicillin-FilmtablettenAmoxicillin-Clavulansäure-Filmtabletten
Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC++++
Zuckersirup DAB+++
Filmüberzüge aus dem Pulver absieben
+
Filmüberzüge aus dem Pulver absieben
Himbeersirup+++
Filmüberzüge aus dem Pulver absieben
nicht möglich
Lagerungim Kühlschrank
Aufbrauchsfrist14 Tage7 Tage

Säfte mit Phenoxymethylpenicillin

Der Wirkstoff Phenoxymethylpenicillin (Penicillin V) ist in Trockensäften und Tabletten in Form seines Kalium-Salzes erhältlich. Zwar ist Phenoxymethylpenicillin-Kalium in Wasser leicht löslich, doch durch enthaltene wasserunlösliche Hilfsstoffe in den Tabletten müssen als flüssige Darreichungsformen trotzdem Suspensionen hergestellt werden. 

Laut Rückmeldungen von Apotheken können Penicillin V AL 1,5 M Tabletten bis zu einer Konzentration von 500.000 I.E. / 5 ml mit der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC verarbeitet werden. 500.000 I.E. entsprechen dabei 295 mg Phenoxymethylpenicillin bzw. 326,8 mg Phenoxymethylpenicillin-Kalium. 

Bei einer Lagerung im Kühlschrank kann von einer Aufbrauchsfrist zwischen 10 und 14 Tagen ausgegangen werden.

Aufschüttelbarkeit der Suspension prüfen

Bei der Herstellung von Antibiotika-Säften in der Rezeptur kann sich an den oben vorgestellten Ergebnissen orientiert werden. Bei jedem verwendeten Fertigpräparat muss aber die Aufschüttelbarkeit der Suspension individuell überprüft werden, denn die jeweils enthaltenen Hilfsstoffe können diese negativ beeinflussen. 

Zur Beurteilung sollte die fertige Suspension wenigstens 24 Stunden stehen gelassen werden. Größere Wirkstoffagglomerate dürfen sich dabei nicht bilden. Die Suspension muss leicht aufschüttelbar sein und unmittelbar vor der Applikation gleichmäßig aussehen. Quellen:
- DAC/NRF-Rezepturhinweis Antibiotika (06.11.2023)
- https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/mehr/aktuelle-fragen-und-antworten-zu-lieferengpaessen
- kinderformularium.de
- https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/amInformationen/Lieferengpaesse/Dringlichkeitsliste_kinderarzneimittel_arzneiittelliste_herbst_winter_23_24_pdf.pdf?__blob=publicationFile
 

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