Rezeptur
Praxiswissen
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Erste Untersuchungsergebnisse des ZL: Neue Aufbrauchsfrist für Ibuprofen-Suspensionen

PTA im Labor mit Schutzbrille
Mittels HPLC überprüft das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) zwei Monate lang den Wirkstoffgehalt von rezepturmäßig hergestellten Ibuprofen-Suspensionen. Erste Ergebnisse liegen nun vor. | Bild: IMAGO / agefotostock

Bereits seit dem Sommer sind Ibuprofen-haltige Fiebersäfte für Kinder nahezu ausverkauft und an der Situation hat sich seitdem wenig verändert. Durch die Herstellung von Individualrezepturen versuchen Apotheken, die Versorgung der Patienten dennoch sicherzustellen.

Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) hat die Stabilität der vom DAC/NRF entwickelten Ibuprofen-Suspensionen untersucht und im Oktober erste Ergebnisse dazu veröffentlicht. Nun liegen neue Daten vor.

Herstellung aus Rezeptursubstanz leicht möglich

Ibuprofen ist in Wasser praktisch unlöslich. Flüssige Zubereitungen zum Einnehmen müssen daher als Suspension hergestellt werden. Dazu können sowohl Ibuprofen-Rezeptursubstanz als auch Fertigarzneimittel-Tabletten verwendet werden. Als Trägerlösung ist die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.) geeignet. Diese Grundlage kann vorgefertigt bezogen oder in der Apotheke selbst hergestellt werden.

Ibuprofen-Suspension 40 mg/ml 
Ibuprofen 
(Rezeptursubstanz oder aus entsprechender Menge Tablettenpulver)
4,0 g
Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.)
(100 ml entsprechen 104,4 g)
zu 104,4 g

Die Rezeptursubstanz Ibuprofen lässt sich gut mit der Grundlage benetzen und verarbeiten. Entgegen früheren Empfehlungen kann auf die Zugabe weiterer Hilfsstoffe zur Verbesserung der Benetzung oder zur Aufschüttelbarkeit daher verzichtet werden. 

Tipps zur Herstellung bei Verwendung von Ibuprofen-Tabletten

Damit bei der Verwendung von Ibuprofen-Fertigarzneimitteln ein gleichmäßiges Pulver entsteht, müssen die Tabletten zunächst gut zerkleinert werden. Ein Aufweichen der Tabletten mit der Grundlage wird bei Ibuprofen nicht (mehr) empfohlen, da wegen des Filmüberzugs sonst größere Partikel in der Suspension entstehen können. 

Um Gehaltsschwankungen und Verluste beim Pulverisieren der Tabletten auszugleichen, müssen die Tabletten im Überschuss verrieben werden. Genaue Vorgaben zur Größe dieses Überschusses existieren nicht, die doppelte Menge an Tabletten erscheint jedoch sinnvoll. Aus diesem Überschuss wird dann der benötigte Anteil an Pulver zur Herstellung abgewogen. 

Herstellung mit Fantaschale und Pistill

Die Zubereitung kann gravimetrisch (durch Abwiegen) nach der allgemeinen Methode für Suspensionen hergestellt werden. Dies ist im DAC/NRF unter dem Punkt I.6.3.2. ausführlich beschrieben:

  • Zunächst wird der fein gepulverte Wirkstoff mit der Grundlage ohne Anwendung von Wärme angerieben. Um Agglomerate effektiv zu zerteilen, hängt die Menge der dazu verwendeten Grundlage von der eingesetzten Menge an Pulver ab. Pulvermengen über 0,1 Gramm werden in zwei Anteilen mit dem insgesamt Vierfachen unter häufigem Abschaben angerieben.
  • Im nächsten Schritt wird die Anreibung mit der Grundlage zu einem Fünftel oder einem Zehntel der Ansatzmenge aufgestockt und unter Abschaben gründlich vermischt.
  • Diese Aufstockung wird im letzten Schritt bis zur Ansatzmenge mit Grundlage ergänzt und erneut unter Abschaben verrührt.

Untersuchung der Stabilität mittels HPLC

Bis Oktober 2022 lagen für die entwickelten Rezepturvorschriften keine Stabilitätsdaten vor. Die Aufbrauchsfrist wurde daher von Seiten des DAC/NRF auf vier Wochen begrenzt. 

Damit die Apotheken jedoch für die Herstellung und Kennzeichnung verlässliche Angaben haben, hat das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) Untersuchungen zur Stabilität durchgeführt. 

Zunächst wurde die Stabilität der Suspensionen über einen Zeitraum von zwei Monaten untersucht. Geprüft wurden dabei folgende vier Zubereitungen:

  • Ibuprofen-Suspension 20 mg/ml (2%) aus Rezeptursubstanz
  • Ibuprofen-Suspension 40 mg/ml (4%) aus Rezeptursubstanz
  • Ibuprofen-Suspension 20 mg/ml (2%) aus Fertigarzneimittel
  • Ibuprofen-Suspension 40 mg/ml (4%) aus Fertigarzneimittel

Als Rezeptursubstanz kam pulverisiertes Ibuprofen (Firma Caelo) zum Einsatz, als Fertigarzneimittel wurden Ibuprofen 800 mg Tabletten (IBU 800 von 1 A Pharma) verwendet. 

Zur Prüfung wurden jeweils drei Proben der Suspension in Klarglas-Medizinflaschen gefüllt und zwei Monate bei 25 °C und 60% relativer Feuchte aufbewahrt. Um die Anwendung durch den Patienten zu berücksichtigen, wurden alle Proben über zwei Wochen regelmäßig für 30 Sekunden geschüttelt. Nach 7, 14 und 28 Tagen sowie nach zwei Monaten wurde der Gehalt an Ibuprofen mit Hilfe einer HPLC-UV-Analytik bei 220 nm bestimmt.

Neue Ergebnisse bestätigen Stabilität für drei Monate

Die erhaltenen Ergebnisse waren eindeutig: Alle vier Rezepturen wiesen auch nach zwei Monaten einen Ibuprofen-Gehalt zwischen 90 und 110% auf und ließen sich zur Entnahme der Einzeldosis für eine ausreichend lange Zeit homogen aufschütteln, keine bildete ein festes Sediment. Die im Oktober vorliegenden Ergebnisse ließen daher eine Verlängerung der Aufbrauchsfrist auf zwei Monate zu. 

Nun liegen auch die Ergebnisse der Untersuchungen nach 3 Monaten Lagerzeit vor: Auch nach dieser Zeit waren alle untersuchten Suspensionen ausreichend stabil. Aufgrund der vorliegenden Daten kann die Aufbrauchsfrist der hergestellten Ibuprofen-Suspensionen nun auf 3 Monate festgesetzt werden. 

Erste Untersuchungsergebnisse zeigten Unterschiede bei der Homogenisierung

Bei den Zubereitungen, die aus Rezeptursubstanz hergestellt wurden, konnte bei den ersten Untersuchungen eine deutliche Flotation des Wirkstoffs an die Oberfläche beobachtet werden. Durch Schütteln ließen sich diese Suspensionen aber wieder gut homogenisieren. Trotzdem scheint die Tendenz zu bestehen, dass sich die aus Fertigarzneimitteln (FAM) hergestellten Suspensionen besser homogenisieren lassen. Das zeigte sich auch bei den Gehaltsbestimmungen der einzelnen Proben: Die relative Standardabweichung war bei den Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln mit 0,5% geringer als bei den Zubereitungen aus Rezeptursubstanz (2,5%).

Dennoch sind beide Herstellungsarten zu empfehlen und können in der Apotheke durchgeführt werden.

Zur Erinnerung: Relative Standardabweichung

Bei der relativen Standardabweichung (auch Variationskoeffizient genannt) handelt es sich um ein statistisches Maß. Sie wird in Prozent angegeben. 

Die (normale) Standardabweichung gibt an, wie sehr die erhaltenen Messwerte um einen Mittelwert herum streuen. Bei der relativen Standardabweichung wird die Standardabweichung der Stichprobe in Relation zum Mittelwert gesetzt: Standardabweichung / Mittelwert * 100% = rel. Standardabweichung [%]

Bei einer kleinen relativen Standardabweichung (z. B. 1%) liegen die Messwerte nahe am Mittelwert, bei einer größeren relativen Standardabweichung (z. B. 50%) streuen diese stärker. 

Bezogen auf die Suspensionen bedeutet das, dass die Proben der FAM-Suspensionen einander ähnlicher waren (rel. Standardabweichung 0,5%) als die Proben der Rezeptursubstanz-Suspensionen (2,5%).

Abfüllung und Lagerung von Ibuprofen-Suspensionen

Unmittelbar nach der Herstellung wird die fertige Zubereitung in eine Braunglas- oder PET-Flasche gefüllt. Diese sollte groß genug sein, um ein effektives Umschütteln vor der Entnahme jeder Einzeldosis zu ermöglichen. Bei der Abgabe der Rezeptur sollten die Kunden explizit auf dieses Schütteln hingewiesen werden, bei der Beschriftung ist zudem der Hinweis „Vor Gebrauch schütteln“ zu berücksichtigen.

Zur Entnahme der korrekten Dosis sollte die Flasche mit einem passenden Steckeinsatz für eine Kolbenpipette versehen und die Kolbenpipette entsprechend beigelegt werden. Die fertige Zubereitung kann bei Raumtemperatur aufbewahrt werden.

Analgetika-Warnhinweis-Verordnung muss berücksichtigt werden

Bei der Kennzeichnung ist weiterhin die Analgetika-Warnhinweis-Verordnung wichtig. Diese schreibt vor, dass bei nicht verschreibungspflichtigen Rezeptur- und Defekturarzneimitteln zur oralen oder rektalen Anwendung ein Warnhinweis auf das Behältnis geschrieben werden muss. Dies gilt unter anderem für Ibuprofen-haltige Zubereitungen. 

Der entsprechende Warnhinweis, dessen Text zum 01.11.2022. leicht verändert wurde, lautet: „Ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als von der Apothekerin oder dem Apotheker empfohlen!“

Praxiserfahrung zeigt: Geschmack der Suspension nicht zufriedenstellend

Zahlreiche Rückmeldungen aus verschiedenen Apotheken haben gezeigt, dass der Geschmack der hergestellten Suspensionen nicht zufriedenstellend ist. Ibuprofen hat einen bitteren Geschmack und dieser ist wohl deutlich wahrnehmbar. 

Die Trägerlösung Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.) enthält zwar 11% Glucose-Monohydrat, allerdings hat dieser Einfachzucker nur eine mäßige Süßkraft. Auch ein höherer Anteil an Glucose-Monohydrat verbessert das Geschmacksempfinden nicht wesentlich. Zudem kommt es bei einer Erhöhung der Menge und auch bei der Verwendung von Saccharose zu einer veränderten Aufschüttelbarkeit. Gute Erfahrungen konnten mit dem Zusatz eines Flüssigaromas in Konzentrationen zwischen 0,1% und 0,5% gemacht werden. 

Verwendung von Himbeersirup kann Akzeptanz verbessern

Zur Geschmacksverbesserung kann die Suspensionsgrundlage auch mit Himbeersirup mit Kirschsaftzusatz (Sirupus Rubi Idaei) versetzt werden. Da dabei relativ große Mengen verwendet werden, ändert sich die Dichte der Grundlage und damit auch die Ansatzmenge. 

Der Himbeersirup hat eine Dichte von 1,31 g/ml, die der Suspensionsgrundlage nach DAC beträgt 1,04 g/ml. Werden nun bei 100 ml Suspensionsgrundlage 10 g durch Himbeersirup (7,63 ml) ersetzt, dann erhöht sich die Masse auf 106,1 g. Beim Einarbeiten von Ibuprofen als Rezeptursubstanz oder als Tablettenpulver beträgt die Sollmasse dann laut NRF 106,5 g.

Verweigert das Kind die Einnahme des Arzneimittels dennoch, kann versucht werden die jeweilige Dosis in eine gut schmeckende Flüssigkeit wie Fruchtsaft zu geben.Quellen:
NRF-Rezepturhinweis Ibuprofen (14.12.2022)
 

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