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Naloxon bei Vergiftung mit Opioiden

Hand hält Nasenspray mit Naloxon
Das Naloxon-haltige Nasenspray enthält nur eine Dosis, vor der Anwendung darf daher kein Probestoß ausgelöst werden. | Bild: IMAGO / ZUMA Wire

Opioide sind eine häufig eingesetzte Gruppe von Arzneistoffen, die im Körper an verschiedene Opioid-Rezeptoren binden können. Sie wirken analgetisch, sedierend, angstlösend und teilweise auch antitussiv. Die natürlich vorkommenden Vertreter sind im Opium, also dem an der Luft getrockneten Milchsaft unreifer Samenkapseln von Papaver somniferum (Schlafmohn), enthalten. 

Morphin stellt die bekannteste Verbindung aus dem Opium dar, zu den natürlichen Vertretern gehört auch das Codein. Weitere häufig verwendete Opioide, die halbsynthetisch oder synthetisch gewonnen werden, sind 

  • Hydromorphon,
  • Dihydrocodein,
  • Tilidin,
  • Oxycodon,
  • Buprenorphin,
  • Levomethadon und
  • Fentanyl.

Diese Substanzen werden als Analgetikum zur Behandlung von starken und sehr starken Schmerzen eingesetzt. Außerhalb der Schmerztherapie kommen sie auch zur Substitutionstherapie von Drogenabhängigen zur Anwendung. Das Rauschgift Heroin gehört auch zu den Opioiden, wird jedoch in Deutschland nicht als Arzneistoff eingesetzt.

Vergiftung mit Opioiden

Bei allen Opioiden besteht die Gefahr der Toleranzentwicklung sowie der psychischen und physischen Abhängigkeit. In der Drogenszene werden Opioide wegen ihrer euphorisierenden Wirkung missbräuchlich verwendet, ein Absetzen führt zu unangenehmen Entzugserscheinungen. 

Durch die Toleranzentwicklung können Abhängige hohe Dosen an Opioiden konsumieren, teilweise werden bis zu 1 Gramm Morphin toleriert. Bei nicht gewöhnten Erwachsenen liegt die letale Dosis von Morphin bei weniger als 0,1 Gramm bei parentaler Anwendung und zwischen 0,3 und 1,0 Gramm bei oraler Aufnahme. 

Bei einer akuten Überdosierung kommt es zu einer Miosis (verengte Pupillen), Bewusstlosigkeit und Atemdepression. Die Betroffenen fallen ins Koma und der Tod tritt durch eine Atemlähmung ein.

Opioid-Überdosierung: Naloxon als Antidot

Ein wirksames Gegenmittel bei einer Opioid-Vergiftung ist Naloxon, dabei handelt es sich um ein halbsynthetisches Morphin-Derivat. Behandelt werden hiermit Patienten, die versehentlich eine zu hohe Dosis ihres Opioids eingenommen haben, sowie Konsumenten von Drogen und auch schwangere Drogensüchtige. 

Die Substanz wirkt dabei als kompetitiver Antagonist an verschiedenen Opioid-Rezeptoren im Körper, d. h. Naloxon bindet  an die Rezeptoren, ohne eine Wirkung auszulösen. Bedingt durch die hohe Affinität von Naloxon zu den Opioid-Rezeptoren können andere Opioide davon verdrängt werden. Beispielsweise wird durch die Wechselwirkung von Naloxon mit zentralen µ-Rezeptoren die verminderte Ansprechbarkeit des Atemzentrums auf einen Kohlenstoffdioxid-Anstieg im Blut aufgehoben, die gefürchtete Atemdepression lässt somit nach. 

In der Notfallmedizin wird Naloxon meist intravenös oder intramuskulär appliziert.

Nebenwirkungen von Naloxon unter Opioiden

Die Gabe von Naloxon führt bei Patienten weder zu einer Toleranzentwicklung noch zu einer Abhängigkeit, auch eine Überdosierung wird meist gut vertragen. Die Betroffenen leiden dann an Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Blutdruckschwankungen. Allerdings ist zu beachten, dass Naloxon nicht nur die unerwünschten Wirkungen der Opioide aufhebt, sondern auch den analgetischen Effekt.

Bei Opioidabhängigen kann durch Naloxon zudem ein akutes Entzugssyndrom ausgelöst werden, dies gilt auch für Neugeborene von schwangeren Drogenabhängigen. Wenn Naloxon versehentlich gegeben wird – also wenn der Patient keine Opioide eingenommen hat – braucht nichts befürchtet zu werden. Naloxon weist praktisch keine eigene Wirkung auf.

Nasale Anwendung auch durch Laien möglich

Vom Patienten selbst oder durch betreuende Personen ist die Anwendung von Naloxon auch in Form eines Nasensprays möglich. Sowohl nach parenteraler als auch nasaler Applikation können durch den schnellen Übertritt über die Blut-Hirn-Schranke innerhalb von 1 bis 2 Minuten wirksame Plasmaspiegel erzielt werden. Naloxon besitzt allerdings eine relativ kurze Halbwertszeit – die Substanz wird in der Leber rasch metabolisiert und als Naloxonglucuronid über die Nieren ausgeschieden. 

Bei einer Vergiftung kann es daher auch nach der Gabe von Naloxon zum erneuten Auftreten einer Atemdepression kommen, da noch vorhandene Opioide erneut wirken. Aus diesem Grund ist häufig eine zweite Dosis des Antidots nötig.

Gut zu wissen: Fixe Kombinationen mit Naloxon

Manche Fertigarzneimittel mit Opioiden als Wirkstoffen enthalten bereits Naloxon in fixer Kombination. In Valoron® N Retardtabletten ist Tilidin zusammen mit Naloxon kombiniert. Tilidin liegt dabei zunächst als Prodrug (= Vorstufe) vor und wird bei der ersten Leberpassage in die eigentliche Wirkform überführt. Naloxon wird wegen seines hohen First-Pass-Effekts dabei inaktiviert und kann die Opioid-Rezeptoren nicht blockieren. Bei einer versehentlichen oder beabsichtigten Überdosierung kann in der Leber nicht das ganze Naloxon abgebaut werden, die Opioid-Rezeptoren werden gehemmt und die Wirkung des Opioids somit aufgehoben. Bei einer missbräuchlichen intravenösen Applikation spielt die Metabolisierung in der Leber ohnehin keine Rolle und Naloxon kann die Wirkung des Opioids voll antagonisieren. 

Auch das stark wirksame Opioid-Analgetikum Oxycodon ist in Kombination mit Naloxon (z. B. Targin® Retardtabletten) erhältlich. Naloxon kann dabei im Darm Opioid-Rezeptoren besetzen und soll damit einer durch Opioide ausgelösten Verstopfung vorbeugen. Nach der Aufnahme ins Blut wird Naloxon in der Leber wieder fast vollständig metabolisiert und Oxycodon kann seine analgetische Wirkung entfalten. Doch der Zusatznutzen von Naloxon ist hier fraglich, denn nicht wenige Patienten benötigen trotzdem Laxantien unter ihrer Opioid-Therapie. 

Zur Substitutionstherapie bei Opioid-Abhängigkeit kann Naloxon auch mit Buprenorphin (z. B. Suboxone®-Sublingualtabletten) kombiniert werden. Durch den Zusatz von Naloxon soll eine intravenöse Anwendung der Tabletten, nach Extraktion des Wirkstoffs aus der Darreichungsform, verhindert werden.

Naloxon-haltiges Nasenspray als Notfallmedikament

Bei einer Vergiftung mit Opioiden kann Naloxon als Antidot lebensrettend sein. Um Betroffenen möglichst schnell zu helfen, ist eine zeitnahe Gabe entscheidend. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland schon seit einigen Jahren ein Nasenspray mit Naloxon als Notfallmedikament. 

Beim Nyxoid® Nasenspray handelt es sich um eine Lösung im Einzeldosisbehältnis mit 1,8 mg Naloxon, jede Packung enthält dabei zwei Einzeldosis-Nasensprays. Das Arzneimittel ist zur Anwendung bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren bei bekannter oder vermuteter Opioid-Überdosierung zugelassen. Personen, bei denen das Risiko für eine Opioid-Vergiftung besteht, sollten das Nasenspray nach Möglichkeit immer bei sich tragen. Unabhängig davon muss bei einer Überdosierung mit Opioiden immer ein Notarzt verständigt werden, auch nach erfolgter Anwendung des Nasensprays. 

Denn auch wenn die Betroffenen nach der Applikation wieder aus dem Koma aufwachen und normal atmen, kann die Atmung jederzeit wieder aussetzen. Außerdem können Drogenabhängige nach Anwendung von Naloxon akute Entzugssymptome bekommen, diese äußern sich unter anderem in starker Unruhe, Herzrasen und Schwitzen.

So wird Naloxon als Nasenspray angewendet

Jedes Nasenspray enthält nur eine Dosis, vor der Applikation darf daher keinesfalls ein Probestoß ausgelöst werden. Die bewusstlose Person sollte zunächst auf den Rücken gelegt und der Kopf leicht nach hinten gebeugt werden. 

Vor der Anwendung wird das Nasenspray zwischen Mittel- und Zeigefinger gehalten, der Daumen befindet sich auf dem Kolben. Anschließend wird die Sprühdüse vorsichtig in ein Nasenloch eingeführt und kräftig auf den Kolben gedrückt, bis ein Klickgeräusch zu hören ist. 

Nun sollte mit Wiederbelebungsmaßnahmen wie Herzdruckmassage und Beatmung begonnen werden, bis die Person wieder aufwacht und selbst atmet. Bessert sich der Zustand innerhalb von 2 bis 3 Minuten nicht, kann eine zweite Dosis Naloxon in das andere Nasenloch gegeben werden. Quellen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-38-2018/revolution-im-notfallkoffer;
https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/EducationMaterial/Anlagen/naloxon-nyxoid-aerzte2.pdf?__blob=publicationFile;
https://de.mundipharma.com/sites/mundi-pharma-ger/files/mundipharma-ger/fachinformationen/FI%20Nyxoid%201.8%20mg%20Nasenspray%20Lsung%20im%20Einzeldosisbehltnis%20M%C3%A4rz%202019.pdf
 

Gut zu wissen: Rechtliche Situation 

Naloxon gehört nicht zu den Betäubungsmitteln, ist in Deutschland aber nur nach ärztlicher Verschreibung erhältlich. Mediziner können das Notfallmedikament an Konsumenten von Opioiden und unter Substitutionsbehandlung verordnen. Nach einer Aufklärung in einer Suchthilfeeinrichtung können Betroffene sich vom Arzt ein Rezept ausstellen lassen. 

Damit möglichst viele Drogenabhängige ein Naloxon-Nasenspray mit sich führen, gibt es Modellprojekte, in denen gezielt über die Anwendung des Nasensprays aufgeklärt wird.

In anderen Ländern wie beispielsweise in Kanada und den USA ist Naloxon auch ohne ärztliche Verschreibung erhältlich und wird in der Apotheke ohne Rezept abgegeben. Damit erhofft man sich die Zahl der Todesfälle durch eine Überdosierung von Opioiden zu senken.

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