Zuckersüßes Beratungswissen
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Teil 1: Fructose – süße Gefahr?

Zahlreiche industriell verarbeitete Lebensmittel enthalten Fructose. Doch die gesundheitlichen Auswirkungen eines übermäßigen Konsums sind bislang nur wenigen bekannt. | Bild: Privat

Fructose ist Bestandteil zahlreicher verarbeiteter Lebensmittel und wird von vielen Menschen daher täglich konsumiert. Leider ist selbst unter Gesundheitsfachleuten noch viel zu wenig bekannt, welche dramatischen Folgen eine erhöhte Fructose-Zufuhr auf den menschlichen Stoffwechsel haben kann. Damit Sie – als Teil des pharmazeutischen Personals – dazu beitragen können, gesundheitliche Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden, lohnt es sich, über dieses Thema Bescheid zu wissen.

Was ist „Isoglucose“?

Unter dem Begriff „Isoglucose“ verbirgt sich eine Sammelbezeichnung für ein aus Kartoffeln, Mais oder Weizen industriell hergestelltes Gemisch aus Glucose und Fructose. In den USA ist der Ausgangsstoff in der Regel genmanipulierter Mais und man spricht von High Fructose Corn Sirup (abgekürzt HFCS). In Deutschland finden wir auf den Zutatenlisten industriell produzierter Lebensmittel neben „Isoglucose“ die Begriffe „Invertzuckersirup“, „Glucose-Fructose-Sirup“ oder auch „Fructose-Glucose-Sirup“, wenn der Anteil der Fructose über 50% liegt.

Ein Liebling der Nahrungsmittelindustrie

Natürlicherweise findet sich Fructose in frischen Früchten und Gemüse. Diese sind – in normalen Maßen genossen – selbstverständlich unverzichtbarer Bestandteil einer gesundheitsfördernden Ernährung. Das Problem verbirgt sich viel mehr in den vielen Industrieprodukten, die – oft hinter verschleiernden Bezeichnungen – große Mengen Zucker und vor allem Fructose enthalten.

Fructose ist schon aus Kostengründen ein Liebling der Nahrungsmittelindustrie. Sie ist billig herstellbar und dazu fast doppelt so süß wie herkömmlicher Zucker. Darüber hinaus schmeckt Fructose-Sirup auch verarbeitet lecker, erzeugt beim Backen das erwünschte Volumen und verhindert bei tiefgekühlten Produkten die lästige Kristallbildung.

Was passiert mit Fructose im Körper?

Schauen wir zum Vergleich erstmal auf die Glucose. Glucose gelangt aus dem Dünndarm schnell ins Blut, wird mit Hilfe von Insulin in die Körperzellen transportiert und – überwiegend in der Leber – als Glykogen gespeichert.

Glucose gilt als wichtigster Energielieferant für den Körper, auf Fructose ist er dagegen nicht angewiesen. Die mit der Nahrung zugeführte Fructose wird vom Körper völlig ohne Insulin verstoffwechselt, weshalb man früher annahm, sie sei die geeignete Zuckerart für Diabetiker. Doch dies war ein Irrtum, was sofort klar wird, wenn man den weiteren Stoffwechselweg der Fructose verfolgt.

Aus dem Dünndarm gelangt die Fructose mit Hilfe eines Transportproteins direkt in die Leber. Kleine Mengen Fructose stellen für die Leber kein Problem dar. Sie wird von den Leberenzymen abgebaut und ausgeschieden. Fluten jedoch große Fructosewellen in den Körper – zum Beispiel nach dem Genuss stark gesüßter industrieller Produkte, vor allem in flüssiger Form (Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Softgetränke, Wellnessdrinks) –, ist die Leber in Not.

Was passiert? Weil es für Fructose keinen eigenen Körperspeicher gibt (wie Glykogen für Glucose) und auch keine Gegenregulation dabei hilft, das Überangebot von Fructose sinnvoll in Schach zu halten, rettet sich der Körper so: Die Leber fängt an, aus Fructose Fett zu produzieren und als Leberfett zu speichern. Eine Hyperlipidämie ist die gefährliche Folge.

Hinweis: Auch Glucose kann im Körper zu Fett verstoffwechselt werden, jedoch ist Fructose hierbei „effizienter“: Eine gleich große Menge an Fructose steigert die Fettneubildung um das 15-Fache.

Nicht alkoholbedingte Fettlebererkrankungen auf dem Vormarsch

Fettleber und Hyperlipidämie gehören zum Symptomenkomplex des Metabolischen Syndroms, von dem circa 30 – 35 Prozent der Bevölkerung in Deutschland betroffen sind, zunehmend auch Kinder. Gerade die nicht alkoholbedingten Fettlebererkrankungen haben in den letzten Jahren zugenommen, wobei die Deutsche Leberstiftung in erster Linie den Süßigkeiten- und Softdrink-Verzehr als Ursache annimmt. Hier zeigt sich bereits die Dramatik, die von einer stark Fructose-lastigen Ernährung ausgeht.

Auch das Körpergewicht steigt

Epidemiologische Studien belegen, dass Fructose-Konsum und Adipositas eindeutig zusammenhängen. Die Erklärung dafür liegt im hormonellen Bereich. Wenn ein gesunder Mensch eine normale Mahlzeit verzehrt, steigt der Insulin-, aber auch der Leptinspiegel an, während der Spiegel des appetitanregenden Hormons Ghrelin sinkt.

Leptin spielt nicht nur eine Rolle dabei, den Fettstoffwechsel zu regulieren, sondern bremst auch das Hungergefühl. Das heißt: Normalerweise wird ein Mensch während des Essens satt. Der Verzehr von Fructose hat jedoch keinerlei Wirkung auf die Insulin-, Leptin- und Ghrelinspiegel. Das bedeutet, dass das Sättigungsgefühl ausbleibt und viele Menschen ungehemmt weiteressen und -trinken. Die Gewichtszunahme ist damit vorprogrammiert.

Nicht nur das Fett ist ein Problem

Auch auf den Harnsäurespiegel hat die Fructose – als einziger Zucker überhaupt – einen negativen Einfluss. In den Leberzellen wird Fructose enzymatisch in eine Phosphatverbindung umgewandelt. Je mehr Fructose mit der Nahrung oder über Getränke in den Körper gelangt, umso mehr Phosphat wird verbraucht. Im Verlauf dieser Reaktionskette wird ein Enzym aktiviert, das den Abbau von Purinen einleitet.

Purine sind Bausteine von Nukleinsäuren und werden vom Körper selbst produziert oder auch durch tierische Nahrung zugeführt. Beim Abbau von Purinen entsteht Harnsäure. Bei verstärktem Purinabbau steigt der Harnsäurespiegel und es kann eine Hyperurikämie (krankhafter erhöhter Harnsäuregehalt im Blut) entstehen, die mit den typischen Symptomen der Gicht einhergeht.

Blutgefäße in Gefahr

Die Hyperurikämie gilt zugleich als einer der Risikofaktoren für die Entwicklung eines Metabolischen Syndroms. Denn Harnsäure gelangt auch in die Endothelzellen, die die Innenseite der Blutgefäße auskleiden, und bremst dort die Produktion des gasförmigen Transmitters Stickstoffmonoxid (NO). Ein anhaltender NO-Mangel führt dazu, dass die Endothelmuskelzellen unelastisch werden und sich nicht mehr erweitern. Ein unerwünschter Blutdruckanstieg ist die Folge.

Doch das ist noch nicht alles. Die verminderte NO-Freisetzung trägt dazu bei, dass die Endothelzellen resistent gegen Insulin werden. Das bedeutet, die Glucose aus dem Blut wird nicht ausreichend in die Zellen transportiert. Der Blutzuckerspiegel bleibt hoch, sodass die Bauchspeicheldrüse noch mehr Insulin freisetzt. Es entwickelt sich eine Hyperinsulinämie. Gemeinsam mit der Hypertonie, dem gestörten Lipidstoffwechsel und dem Übergewicht ist das Metabolische Syndrom somit komplett.

Keine falschen Schlüsse ziehen

Wenn man sich die dramatischen Konsequenzen eines Fructose-Überkonsums vor Augen hält, wundert man sich, warum das Wissen darüber bisher so wenig verbreitet ist. Denn wenn von „Fructose“ oder „Fruchtzucker“ die Rede ist, denkt die Mehrheit aller Menschen ausschließlich an Früchte – und die sind ja so gesund! Ganze, unverarbeitete Früchte essen und dabei gut kauen – das ist gesund und normale Mengen davon sind auch für den menschlichen Fructose-Stoffwechsel meistens kein Problem. Die Gefahr versteckt sich in den Supermarktregalen. Hier gilt es, den Blick zu schärfen und Zutatenlisten sorgfältig zu studieren, gerade bei vermeintlich „gesunden“ Nahrungsmitteln. Spielen Sie doch mal Detektiv und finden Sie heraus, wo industriell hergestellte Zubereitungen mit hohem Fructose-Anteil lauern!

Auf einen Blick: Zu viel Fructose – so reagiert der Körper

  • Die Leber wandelt Fructose in Fett um: Es besteht die Gefahr für eine Fettleber und Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipidämie).
  • Fructose löst kein Sättigungsgefühl aus, weil die Hormone Leptin und Ghrelin nicht wirksam werden. Gewichtszunahme und Adipositas werden begünstigt.
  • Beim Abbau von Fructose wird ein Enzym aktiviert, das Purine verstärkt zu Harnsäure abbaut. Ein zu hoher Harnsäurespiegel (Hyperurikämie) lässt die Konzentration des gasförmigen, gefäßerweiternden Botenstoffs Stickstoffmonoxid sinken, die Blutgefäße verlieren an Elastizität, es entsteht Bluthochdruck.
  • Der Mangel an Stickstoffmonoxid führt zu einer schlechteren Durchblutung des Gewebes. Das mindert die Wirkung von Insulin und begünstigt eine Insulinresistenz sowie eine Hyperinsulinämie.
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