Neurodermitis
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Neue S3-Leitlinie Atopische Dermatitis: Neurodermitis: Welche Wirkstoffe für die Basispflege?

Frau verstreicht Creme auf dem Handrücken
Welche Inhaltsstoffe in Hautpflege sind gut bei Neurodermitis? | Bild: Milan / AdobeStock

Mitte Juni 2023 erschien die neue S3-Leitlinie Atopische Dermatitis (AD). Darin widmet sich im Abschnitt „Topische Therapie“ ein Unterkapitel der Basistherapie bei Neurodermitis mit Emollienzien und Moisturizern. 

Dabei wird nachdrücklich folgende Empfehlung ausgesprochen: 

„Patient:innen mit AD sollen bedarfsgerecht und regelmäßig Emollienzien als Basistherapie der gestörten Hautbarriere anwenden.“ 

Die Basistherapie steht im Zentrum jeder Behandlung und sollte dauerhaft erfolgen, heißt es. So sollen Krankheitsschübe verhindert werden. Außerdem sollen die Symptome im schubfreien Intervall gelindert werden.

Die Emollienzien sollen unmittelbar nach dem Baden oder Duschen – nach dem Trockentupfen – aufgetragen werden. Doch was versteht man eigentlich unter Emollienzien und wie sollten diese zusammengesetzt sein?

Lipide zur Stärkung der Hautbarriere

Grundsätzlich geht es bei der Basistherapie um die Versorgung trockener Haut. Die Leitlinie weist jedoch darauf hin, dass es nicht allein um „Hautpflege“ geht, sondern um die „Basistherapie der gestörten Hautbarrierefunktion“. Im Zentrum stehe dabei, der oberen Epidermis Lipide zuzuführen.

Entsprechende topische Präparate sollten individuell angepasst werden. Beispielsweise sollten im Sommer hydrophilere Cremes und im Winter Zubereitungen mit höherem Fettgehalt angewendet werden. 

Die Zusammensetzung sollte aber auch daran angepasst werden, in welchem Körperareal die Zubereitung zum Einsatz kommen soll: Im Gesicht sollten demnach keine allzu fettenden Cremes verwendet werden und für intertriginöse Bereiche (siehe Kasten) bieten sich Pasten an. Von reinen Ölprodukten wie Kokosnuss- oder Olivenöl wird ausdrücklich abgeraten – so trockne die Haut aus.

Gut zu wissen: Was sind intertriginöse Bereiche?

Darunter versteht man Körperstellen, bei denen benachbarte Hautflächen ständig in Berührung sind bzw. kommen wie z. B. Achselhöhlen, Gesäßfalte und der Bereich unterhalb der weiblichen Brust. Aufgrund des dort herrschenden feuchtwarmen Klimas sind diese Stellen besonders für Hautinfektionen gefährdet. /sn

Doch anhand dieser Ausführungen kann man in der Apotheke geeignete Basistherapeutika noch immer nicht eindeutig erkennen. Auf welche Inhaltsstoffe ist bei der Produktauswahl also zu achten?

Was sind Emollienzien und Moisturizer?

Emollienzien werden auch als „wirkstofffreie Vehikel“ bezeichnet. Deshalb handelt es sich bei den verschiedenen Präparaten meistens um Kosmetika oder Medizinprodukte und keine Arzneimittel. 

Emollienzien sind dabei als Oberbegriff zu verstehen und enthalten laut Leitlinie oft „Moisturizer“ – das englische Wort für Feuchtigkeitscremes. Dabei liefert das Wort einen Hinweis auf Inhaltsstoffe wie 

  • Harnstoff,
  • Glycerin oder
  • Propylenglykol.

Grundsätzlich sollen Präparate mit Moisturizern wirksamer sein als der alleinige Einsatz von EmollienzienS3-Leitlinie Atopische Dermatitis (AD) [Neurodermitis; atopisches Ekzem], register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-027  .

Laut Leitlinie können Emollienzien zudem mit

  • Tannin,
  • Ammoniumbituminosulfonat, 
  • Flavonoiden oder
  • ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3- oder Omega-6-Verbindungen angereichert werden.

Von „Emollienzien plus“ spricht die Leitlinie, wenn 

  • Flavonoide wie Licochalcon A, Saponine und Riboflavine aus proteinfreien Junghaferextrakten,
  • bakterielle Lysate aus Aquaphilus dolomiae bzw. Vitreoscilla filiformis oder
  • ein synthetisches Derivat von Menthol wie Menthoxypropandiol enthalten sind.

Basispflege mit Humectants und Ceramiden

Einen Überblick über Inhaltsstoffe von Basispflege-Produkten für neurodermitische Haut gibt auch die S2k-Leitlinie zum „Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut“ (Stand 2017 und seit Oktober 2022 in Überarbeitung). 

Genannt werden dort Harnstoff und Glycerin, die hier auch als Humectants bezeichnet werden. Diese wasserbindenden Stoffe sollen in niedrigen Einzeldosierungen zum Einsatz kommen. Als Bestandteile der Lipid-Phase werden neben Ceramiden zudem Phospholipide (Lecithine) aus Pflanzenölen genannt, wie Sojaöl oder „Shea Butter“S2k-Leitlinie Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut, Stand 01.11.2017, gültig bis 31.10.2022 (in Überarbeitung), register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-092  .

Glycerin bei Neurodermitis besonders hilfreich

Auf die evidenzbasierte Beratung zur topischen Basistherapie bei Neurodermitis geht eine Stellungnahme der Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. (GD) vom Juni 2019 ein. Diese bezieht sich vor allem auf eine europäische Leitlinie von 2018 (und die deutsche abgelaufene Neurodermitis-Leitlinie von 2015). 

Die topische Basistherapie wird darin als zentrales Element beider Leitlinien beschrieben. Als relevante Inhaltsstoffe stellt die Stellungnahme vor allem das Glycerin in den Mittelpunkt – es kann auch bei Kindern angewendet werden. Glycerin soll „zur Diagnostik und Therapie der Xerose als feuchtigkeitsspendender Zusatz für topische Basistherapeutika empfohlen“ werden. 

Glycerin enthalten zum Beispiel „XeraCalm A.D Rückfettende Creme“ von Avène, „Lipikar Baume AP+M Körperbalsam“ von La Roche-Posay und „AtopiControl Gesichtscreme“ von Eucerin. 

Gut zu wissen: Begriffe nicht klar getrennt

Die Leitlinie macht darauf aufmerksam, dass „die englischsprachigen Termini „Emollient“ und „Moisturizer“ im Zusammenhang mit der Ekzemtherapie wechselnd und nicht klar definiert verwendet werden.“ 

Die Gesellschaft für Dermopharmazie rät dazu, von „Dermokosmetika zur Anwendung bei Neurodermitis“ zu sprechen, auch um sie bewusst von den Arzneimitteln abzugrenzen.

Gibt es Produkte mit Emollienzien plus?

In der Kategorie der „Emollienzien plus“ werden Produkte mit Zusätzen von proteinfreiem Junghaferextrakt (enthält als Aktivsubstanzen Saponine, Flavonoide und Riboflavine) und Produkte mit Zusätzen von bakteriellen Lysaten – aus Aquaphilus dolomiae oder Vitreoscilla filiformi – positiv hervorgehobenKresken J, Wollenberg A, Hünerbein A, Staubach P. Topische Basistherapie bei Neurodermitis – Evidenzbasierte Beratung in der Apotheke. Stellungnahme der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V., 26. Juni 2019, online.de/german/veranstalt/images2019/GD_Stellungnahme_Basistherapie_bei_Neurodermitis_26_6_2019.pdf 

Mit Junghaferextrakt wird beispielsweise „A-Derma Exomega Control“ Creme beworben. Aquaphilus dolomiae ist zum Beispiel in „XeraCalm A.D Rückfettender Balsam“ von Avène enthalten. La Roche-Posay wirbt mit dem Bakterium Vitreoscilla Filiformis (VF) und dem daraus hergestellten Inhaltsstoff Aqua Posae Filiformis (APF): In der Inhaltsstoffliste von „Lipikar Syndet AP+ Reinigungs-Cremegel“ beispielsweise findet man Vitreoscilla Ferment. 

Damit finden sich die in Leitlinien empfohlenen Inhaltsstoffe auch in Handelspräparaten wieder. Die angeführten Beispiele sind selbstverständlich nicht als abschließende Auflistung zu verstehen – ein Blick auf die Inhaltsstoffliste lohnt sich also bei jedem Präparat. 

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