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Erst Erbrechen, dann Kopfschmerzen – Migräne in der Selbstmedikation

Viele Migräne-Patienten leiden bei einem Anfall nicht nur unter starken Kopfschmerzen, mehr als 80 Prozent haben zusätzlich mit Übelkeit zu kämpfen. | Bild:  astrosystem / AdobeStock

Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzformen. In den meisten Fällen sind die einseitig pochenden und nicht selten mit dem Puls synchronen Kopfschmerzen jedoch nicht die einzigen Beschwerden.

Ein Großteil der Patienten leidet zusätzlich unter Übelkeit (80 Prozent), die Hälfte der Patienten erbricht und reagiert während eines Migräne-Anfalles empfindlich auf Licht (Photophobie) und Geräusche (Phonophobie). Frauen treffen die Attacken öfter als Männer, weltweit leidet rund jeder Zehnte an der neurologischen Erkrankung. Nicht jede Attacke dauert gleich lang, durchschnittlich liegt sie im Bereich von vier bis 72 Stunden. 

Gut zu Wissen: Phasen einer Migräneattacke

Grundsätzlich lässt sich ein Migräneanfall in vier Phasen unterteilen: 

  • Es beginnt für einige Stunden bis Tage mit der sogenannten Prodromalphase, die durch Reizbarkeit, Heißhungerattacken, Müdigkeit und / oder Schlafstörungen gekennzeichnet sein kann.
  • Daran kann sich eine bis zu 60 Minuten andauernde Auraphase anschließen. In dieser tauchen visuelle Störungen oder ein Taubheitsgefühl in Körperteilen auf.
  • Die eigentliche Kopfschmerzphase – die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig mit Migräneattacke gleichgesetzt wird – dauert in der Regel vier bis 72 Stunden und beinhaltet den heftigen, pochenden, meist einseitigen Kopfschmerz. Begleitet werden kann dieser von Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Photophobie und Phonophobie, aber auch Schwindel, Schlaflosigkeit oder depressiver Stimmung.
  • Mit der Postdromalphase klingt die Migräne ab. Viele Patienten leiden über 24 bis 48 Stunden unter Konzentrationsstörungen, Müdigkeit oder Verständnisproblemen.

Die meisten Betroffenen behandeln sich selbst

Kopfschmerzen sind laut einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2020 in Deutschland weit verbreitet, am häufigsten sind Migräne und Spannungskopfschmerzen. Die meisten Betroffenen setzen auf frei verkäufliche Schmerzmittel aus der Apotheke.

Bei der Untersuchung des RKI wurden rund 5.000 Erwachsene zwischen Oktober 2019 und März 2020 befragt. Erreicht werde ein hoher Grad an Repräsentativität für die Allgemeinbevölkerung hierzulande, hieß es. Viele Kopfschmerzgeplagte gehen laut der Untersuchung mit den Beschwerden nicht zum Arzt, sie nehmen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Migräne in der Selbstmedikation

In der Regel lässt sich Migräne heutzutage recht gut medikamentös behandeln, auch in der Selbstmedikation. Analgetika wie ASS, Ibuprofen, Paracetamol und Triptane (Naratriptan in Formigran® und Almotriptan in Dolotriptan®). Welches Schmerzmittel wirkt am besten bei Migräne?

Der erste Therapieversuch bei Migräne erfolgt in der Regel mit Analgetika (NSAR). Diese können bei leichten und mittelstarken Attacken bereits Abhilfe schaffen. Triptane hingegen kommen bei mittelschwerer und schwerer Migräne zum Einsatz oder wenn NSAR nicht ausreichend wirken.

Übelkeit und Erbrechen bei Migräneattacken 

Nicht jeder Migräne-Patient hat neben den Kopfschmerzen die gleichen Begleitsymptome. Während der eigentlichen Attacke macht sich in der Regel eine Appetitlosigkeit breit und ca. 80 Prozent der Betroffenen leiden zusätzlich unter Übelkeit. Diese steigert sich bei 40 bis 50 Prozent sogar bis zum Erbrechen. Das liegt unter anderem an der reduzierten Peristaltik während eines Migräneanfalls. 

Auch die begleitende Übelkeit kann medikamentös gut in der Selbstmedikation behandelt werden. Hierfür kommen Antiemetika wie Dimenhydrinat bzw. Diphenhydramin (Vomex®, Vomacur®) infrage.  

Zur Erinnerung: Wie wirken Antihistaminika bei Übelkeit?

Dimenhydrinat (Prodrug) ist das 8-Chlortheophyllin-Salz von Diphenhydramin welches, wie alle H1-Antihistminika, als Antagonist am H1-Rezeptor wirkt. Neben der antihistaminischen Wirkung besitzt Diphenhydramin auch einen anticholinergen und zentral sedierenden Effekt.

Dimenhydrinat bzw. Diphenhydramin zählt zur ersten Generation der H1-Antihistaminika und überwindet daher im Gegensatz zu Antihistaminika der zweiten Generation die Blut-Hirn-Schranke. Die antiemetische Wirkung beruht auf Beeinflussung der H1-Rezeptoren im Brechzentrum. Dimenhydrinat findet daher als Antiemetikum, vorrangig zur Prophylaxe und Behandlung von Kinetosen (Reise- und Seekrankheit), Anwendung. 

Unter der Einnahme von Dimenhydrinat bzw. Diphenhydramin können Müdigkeit, Somnolenz, Benommenheit, Schwindelgefühle und Muskelschwäche auftreten. Auf Grund des eingeschränkten Reaktionsvermögens ist die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigt. Diese Nebenwirkungen können auch noch am Tag nach der Einnahme zu Beeinträchtigungen führen.

Erst Mittel gegen Übelkeit, dann Schmerzmittel 

Um die beste Wirksamkeit der Analgetika zu erreichen, ist es wichtig, sie bei einer Attacke möglichst frühzeitig einzunehmen. Außerdem könne eine Kombination mit Antiemetika die Wirksamkeit positiv beeinflussen, so der Berufsverband Deutscher Neurologen. Da Antiemetika die Darmperistaltik anregen, könnten Analgetika und Triptane besser aufgenommen werden und deshalb schneller wirken, so ein Experte des BDN. Bei Bedarf sollte dann zuerst das Antiemetikum gegen Übelkeit eingenommen werden. 

Wann müssen Betroffene zum Arzt?

Wenn die Beschwerden regelmäßig auftreten, nicht gut auf Analgetika ansprechen oder die Schmerzattacken immer häufiger auftreten, sollten Betroffene einen Arzt konsultieren. Das gilt auch dann, wenn Schmerzmittel aufgrund von Kopfschmerzen häufiger als acht- bis zehnmal im Monat eingenommen werden und auch, wenn Begleiterscheinungen wie Fieber oder neurologische Ausfallsymptome (z. B. Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen, Wesensänderungen) auftreten. 

Bei extrem starken Kopfschmerzen, die schlagartig innerhalb von Sekunden ihr Maximum erreichen, bei begleitender Nackensteife, hohem Fieber, epileptischen Anfällen oder akuten neurologischen Ausfallsymptomen (z. B. Lähmungen) sollte sogar gleich der Notarzt gerufen werden. 

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