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Helfen Ginkgo und Ginseng gegen das Vergessen?: Ökotest checkt Gedächtnismittel

Bild: pathdoc / Adobe Stock

Jeder vergisst einmal etwas, die Milch im Supermarkt, das Paket zur Post zu bringen – oder den Schlüssel zuhause. In der Regel ärgern sich die Menschen dann, rufen unter Umständen den Schlüsseldienst, und die Sache ist wieder vergessen. Allerdings, häuft sich das Vergessen, stehen die Patienten nicht selten in der Apotheke und fragen nach Präparaten, die eben dieses Vergessen wieder bessern sollen. Oder sie greifen bei Discountern zu Ginseng, Ginkgo und Konsorten, sind diese doch so hoffnungsstimmend beworben.

Ginkgo und Ginseng als Arzneimittel und zur Nahrungsergänzung

Das war wohl auch Ökotest ein Dorn im Auge – welche Präparate, die ein Bessern der Gedächtnisfunktion versprechen, erfüllen dieses Versprechen überhaupt? Welcher Hersteller hat gute Untersuchungen dazu gemacht, und welcher Tricks bedienen sich die Inverkehrbringer von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)? Insgesamt 28 Präparate haben die Verbraucherschützer gecheckt – das Ergebnis: ernüchternd. Im Einkaufswagen von Ökotest landete beides, als Arzneimittel zugelassene Präparate und Nahrungsergänzungsmittel. Gelten für Arzneimittel strenge Kriterien, die pharmazeutische Unternehmer für eine Zulassung erfüllen müssen, sind die Voraussetzungen für das Vermarkten von Nahrungsergänzungsmitteln eher lax. Hier reicht ein kostenfreies Anzeigen vor dem ersten Inverkehrbringen beim Bundesamt für Verbraucherschutz. Nachvollziehbar, dass manche Hersteller somit den einfacheren, schnelleren und kostengünstigeren Weg wählen, ihr Ginseng- oder Ginkgo-Präparat als NEM in Verkehr zu bringen.

Nur ein Arzneimittel besteht Gedächtnismittel-Test

Allerdings: Nicht nur NEM bestehen die kritische Prüfung von Ökotest nicht. Auch viele der Ginkgo-haltigen Arzneimittel halten die Verbraucherschützer für „Hirngespinste“. Warum? Anstoß nimmt Ökotest an den verfügbaren – beziehungsweise besser: eben meist nicht ausreichend vorhandenen – Daten. Allein ein Hersteller, Dr. Wilmar Schwabe GmbH & Co. KG, kann sich über Lob von Ökotest freuen. Die Wirksamkeit ihres Präparates Tebonin® konzent 240 mg hat Schwabe gleich an drei Studien untersucht, und zwar bei Patienten mit Gedächtnisstörungen und Alzheimerdemenz. Schwabe wirbt bei Tebonin® mit einem Ginkgo-Spezialextrakt: egb761. Dieser ist tatsächlich nur in Tebonin® enthalten, so dass sich die nachgewiesene Wirkung von Tebonin® ungut einfach auf weitere Ginkgo-Arzneimittel übertragen lässt.

Nur „ausreichend“ für Gingium, Ginkgo-Maren und Ginkobil ratiopharm

Das sieht auch Ökotest so. Bewerten sie Tebonin® konzent 240 mg mit Note zwei, „gut“, haben sie für die übrigen prominenten Ginkgo-Präparate gerade einmal „wenig überzeugend“ und „ausreichend“ übrig. Diese harte Bewertung trifft Gingium® extra 240 mg von Hexal, Ginkgo-Maren® 240 mg und Ginkobil® ratiopharm 240 mg. Auch die mit 120 mg schwächer dosierten Ginkgo-Arzneimittel von Al, Stada, Doppelherz, Heumann oder Kaveri kommen nicht besser weg – ebenfalls Note vier, „ausreichend“. Der Grund: Die Daten zu den Präparaten bestehen aus wissenschaftlicher Sicht nicht und sind nach Ansicht von Ökotest kein sicherer Wirksamkeitsbeleg. Bei 1A Pharma und Sandoz kritisiert Ökotest zudem, dass periphere arterielle Verschlusskrankheit als Indikation genannt wird, die „Wirksamkeit dafür aber nicht belegt“ ist. Dafür gibt es nochmals Abzug, dass diese beiden Arzneimittel schlussendlich mit Note sechs, „ungenügend“, vom Platz gehen.

Nahrungsergänzung mit Ginkgo und Ginseng – kann man vergessen?

Überschaubarer bei guten Bewertungen wird es noch im Bereich der Nahrungsergänzung. Hier hagelt es reihenweise „ungenügend“, denn hier ist die Datenlage zur Wirksamkeit, da nicht gefordert, folglich noch mangelhafter, die im Präparat enthaltenen Extrakte zudem meist nicht genauer definiert. Das findet Ökotest erwartungsgemäß im Sinne der Verbraucher nicht gut. Was Ökotest außerdem bei allen NEM-Präparaten kritisiert: Alle lieferten keinen Nutzen für gesunde Verbraucher.

Keine Health Claims für Botanicals

Die Kapseln Alsiroyal Roter Bio-Ginseng machen jedoch zumindest irgendetwas richtig, „befriedigend“: alle Warnhinweise vorhanden, keine unzulässigen Werbeaussagen und auch alle Inhaltsstoffe sind nach Ansicht von Ökotest ausreichend definiert. Insbesondere diese drei Bereiche werden den anderen Anbietern zum Verhängnis. Warum? Das liegt vor allem an den geltenden Regeln für NEM beziehungsweise eben den fehelenden: Bei Nahrungsergänzungsmitteln gibt es aktuell tatsächlich nur eine EU-Richtlinie, die Vitamine und Mineralstoffe näher regelt. Pflanzliche Inhaltsstoffe, sogenannte Botanicals? Fehlanzeige. Auch sind derzeit keine EU-einheitlichen Höchstmengen zu Vitaminen und Mineralstoffen in NEM gefunden – jedes Land kocht hier sein eigenes Süppchen und orientiert sich an den eigenen nationalen Regeln. Zusätzlich fehlen Vorgaben bei pflanzlichen Inhaltsstoffen in NEM zu den erlaubten Werbeaussagen. Die Health-Claims-Verordnung gibt vor, mit welchen gesundheitsbezogenen Angaben die Hersteller von NEM werben dürfen, aber wiederum nur für Vitamine und Mineralstoffe. Da diese für pflanzliche Inhaltsstoffe fehlen, bedienen sich die Hersteller eines Tricks: Sie kombinieren ihre Ginseng- und Ginkgopräparate geschickt mit Vitaminen und Mineralstoffen, für die Health Claims wie „Verringerung von Müdigkeit und Erschöpfung“ oder „können die normale kognitive Leistung unterstützen“ gelten – das sind beispielsweise Jod, Eisen und Zink. Dieser Trick stößt bei Ökotest allerdings auf wenig Gegenliebe. Noch dreister sind Abtei mit Ginseng und Zirkulin Ginkgo: Die Hersteller werben mit unerlaubten gesundheitsbezogenen Angaben, mit Health Claims, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht freigegeben sind, so „Ginkgo-Extrakt kann zur Sauerstoffversorgung des Gehirns beitragen“.

Nicht ausreichend deklariert – was müssen Diabetiker bei Ginseng beachten?

Auf dem Prüfstand waren bei den NEM auch Pharmaton Vital Kapseln N von Sanofi-Aventis und Eleu Curarina Tropfen (Harras Pharma). Bei Pharmaton Vital Kapseln vermisst Ökotest einen Hinweis für Diabetiker: Ginseng-haltige Präparate können den Blutzucker senken, deswegen sollten Diabetiker, die Ginseng einnehmen, ihren Blutzucker engmaschig überwachen. Bei den Eleu Curarina Tropfen stört sie der Alkoholgehalt, der über 10 Volumenprozent liegt.

Fehlender Hinweis für Schwangere und Diabetiker bei Centrum Plus Ginseng & Ginkgo 

Bei Centrum Plus Ginseng & Ginkgo stören Ökotest gleich mehrere Faktoren. Auch Pfizer kombiniert die pflanzlichen Inhaltsstoffe Ginseng und Ginkgo mit zahlreichen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Allerdings fehlen laut den Verbraucherschützern Warnhinweise für bestimmte Anwender, so dass schwangere Frauen Eisen nur auf ärztlichen Rat einnehmen sollten und auch hier bemängelt Ökotest den fehlenden Warnhinweis für Diabetiker wegen des enthaltenen Ginsengs. Note „ungenügend".

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