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Lunapharm: der deutsch-griechische Arzneimittelskandal: Sollen Import-Arzneimittel abgeschafft werden?

Bild: Denys Rudyi / Adobe Stock

Der Lunapharm-Skandal regt zu Diskussionen an. Unter anderem fordert die vom Gesundheitsministerium Brandenburg eingesetzte und zur Aufklärung des Arzneimittelskandals betraute Taskforce, die Importförderklausel für deutsche Apotheken abzuschaffen. Auch ein Verbot von Parallelimporten war wohl im Gespräch. Doch ist dies überhaupt möglich? Und tragen Importarzneimittel nicht zu Kostenersparnissen im Gesundheitssystem bei? Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sieht in der Importförderklausel mittlerweile eher ein Relikt vergangener Zeiten als einen wirtschaftlichen Nutzen – und eine Risikofaktor für die Arzneimittelsicherheit.

Zur Erinnerung: Der Lunapharm-Skandal – was ist passiert? 

Ein in Brandenburg ansässiger Arzneimittel-Großhändler und Parallelimporteur, Lunapharm, soll jahrelang gestohlene Arzneimittel vertrieben haben. Die Rede ist von insgesamt 4651 Arzneimittelpackungen allein in den Jahren 2015 bis 2017. Der geschätzte Wert der Packungen liegt Schätzungen zufolge zwischen 11 und 20 Millionen Euro. Es handelt sich offenbar um hochpreisige Präparate, wie sie beispielsweise in der Krebstherapie eingesetzt werden (zum Beispiel Hercetpin® mit dem Wirkstoff Trastuzumab). Die auf illegalen Wegen nach Deutschland und zu Lunpharm gelangten Präparate wurden offenbar in griechischen Krankenhäusern entwendet. Neben der kriminellen Natur des Arzneimitteldiebstahls und des illegalen Vertriebs der Arzneimittel ist vor allem problematisch, dass die Arzneimittel wohl nicht immer ordnungsgemäß transportiert wurden und teilweise erforderliche Kühlketten nicht eingehalten wurden. Es besteht somit die berechtigte Gefahr, dass die Arzneimittel bei der Anwendung bei den Patienten nicht mehr ihre volle Wirksamkeit hatten. Lunapharm vertrieb die potenziell geschmuggelten Arzneimittel in Polen, aber auch in Deutschland: In Deutschland ging die Ware an verschiedene Apotheken sowie onkologische Großhändler. Auch der Importeur CC-Pharma und der Großhändler Gehe standen auf der Kundenliste von Lunapharm. Um den Arzneimittelskandal um Lunapharm aufzuklären, wurde vom Gesundheitsministerium Brandenburg eine spezielle Taskforce gegründet. Diese soll aber auch helfen, Maßnahmen zu ergreifen, um künftig derartige Skandale zu verhindern. Mittlerweile sind erste Ergebnisse dieser Taskforce bekannt geworden. Unter anderem fordert sie, dass die Importförderklausel in Deutschland abgeschafft werden soll. Auch ein generelles Verbot von Parallelimporten war wohl im Gespräch.

Parallelimportierte Arzneimittel: Gefahr für die Arzneimittelsicherheit?

Nach Ansicht des vfa kann der Parallelimport von Arzneimitteln die Arzneimittelsicherheit gefährden. Denn Handelswege über verschiedene Gesundheitssysteme seien anfälliger für Missbrauch als die direkte Belieferung eines Gesundheitssystems. Zusätzlich bringt der Verband forschender Arzneimittelhersteller einen weiteren Aspekt auf den Tisch: Der vfa sieht den Parallelimport auch deswegen kritisch, weil er immer wieder zu Versorgungsengpässen in Ländern führe, aus denen Medikamente parallelexportiert werden. Und das trifft nach Ansicht des vfa auch zunehmend Deutschland.

Verschärfen Parallelimporte Lieferengpässe?

Warum treffen Parallelimport-bedingte Versorgungsengpässe Deutschland? Ist Deutschland nicht ein Arzneimittel-Hochpreisland? Und profitiert sodann von günstigeren Arzneimitteln aus dem EU-Ausland? Offenbar nicht. Nach Ansicht des vfa haben viele neue Medikamente in der Bundesrepublik mittlerweile einen geringeren Preis als in anderen Ländern der EU – das führe dazu, dass Deutschland öfter zum Herkunftsland werde als zum Zielland für Arzneimittel. Die Folge liegt wohl auf der Hand: Lieferengpässe von Arzneimitteln spitzen sich auch hierzulande zu.

Unterschied zwischen parallelimportierten und reimportierten Arzneimitteln

Man unterscheidet bei importierten Arzneimitteln zwischen Parallelimporten und Reimporten – doch was ist eigentliche der Unterschied? Von parallelimportierten Arzneimittel spricht man, wenn eine vom Zulassungsinhaber unabhängige Firma die Arzneimittel in einem anderen EU-Land erwirbt, um sie in Deutschland – parallel zum Originalarzneimittel – zu vertreiben. Das bedeutet, das Arzneimittel wurde ursprünglich für den Markt außerhalb Deutschlands hergestellt. Reimportierte Arzneimittel hingegen wurden für den deutschen Arzneimittelmarkt produziert, in ein anderes EU-Mitgliedsland verbracht, um dann wieder zurück nach Deutschland verbracht – reimportiert – zu werden.

Hintergrund für Importarzneimittel ist, dass Arzneimittel weltweit zu unterschiedlichen Preisen gehandelt werden und somit zwischen den einzelnen Ländern Preisunterschiede bei Arzneimitteln resultieren, auch innerhalb der EU. Diese Preisunterschiede kommen unter anderem durch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze und staatliche Preisfestsetzungen zustande. Was machen nun Arzneimittelimporteure? Sie kaufen innerhalb der Europäischen Union (EU) dort Arzneimittel, wo diese günstiger verfügbar sind als hierzulande und importieren sie dann nach Deutschland.

Parallelimporte finanziell weniger wirtschaftlich als Rabattveträge

Ursprünglich im Sinne einer wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung eingeführt, ist die Importförderklausel aus Sicht des vfa mittlerweile nicht mehr zeitgemäß. Die Parallelimportförderklausel verpflichtet Apotheker, einen Teil ihres Umsatzes mit Parallelimport-Medikamenten zu erzielen – konkret sind das 5 Prozent des Fertigarzneimittelumsatzes. Laut vfa greifen heutzutage andere Maßnahmen effektiver zur Preisdämpfung im Arzneimittelmarkt – wie die Nutzenbewertung neuer Wirkstoffe durch den G-BA seit Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Januar 2011. Auch mit Einzelverträgen ließen sich mehr Kosten sparen, als durch die Abgabe von Parallelimporten. So lägen die Einsparungen durch Parallelimporte im Jahr 2016 bei 66,9 Millionen Euro, durch Einzelverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen hingegen seien im gleichen Jahr 3,9 Milliarden Euro gespart worden. Der vfa spricht sich aus diesen Gründen explizit – und seit Jahren – für die Abschaffung der Importförderklausel aus und ist auch überzeugt, dass dies einen Beitrag zu einer höheren Arzneimittelsicherheit in Deutschland leisten würde.

Was ist die Importförderklausel?

In Deutschland sind Apotheken verpflichtet, einen Teil ihres Fertigarzneimittelumsatzes mit Importarzneimitteln zu bestreiten, und zwar 5 Prozent (Importquote). Allerdings werden bei der Abgabe von Importarzneimitteln nur diese in der Quote berücksichtigt, die auch die Bedingungen an ein Importarzneimittel erfüllen: Konkret zählen nur Arzneimittel als quotenfähige Importarzneimittel, wenn der Apothekenverkaufspreis mindestens 15 Prozent oder mindestens 15 Euro günstiger ist als der Preis des entsprechenden Originalarzneimittels. Die Importförderklausel sollte ursprünglich im Sinne einer wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung Apotheken dazu bringen, preisgünstig importierte Arzneimittel bevorzugt abzugeben.

Warum wird der Parallelimport von Arzneimitteln nicht verboten?

In der Regel treffen Arzneimittelskandale wie der Fall Lunapharm Importarzneimittel. Hier drängt sich die Frage auf: Öffnet die Möglichkeit des freien Verkehrs von Waren innerhalb der EU – und somit auch für Arzneimittel – kriminellen Machenschaften Tür und Tor? Wäre es im Sinne der Arzneimittelsicherheit nicht sinnvoll, den Parallelimport von Arzneimitteln zu untersagen? Allerdings ist dies nicht möglich. Denn eine direkte Abschaffung des Parallelimports von Arzneimitteln widerspricht dem europarechtlichen Grundsatz des freien Warenverkehrs im europäischen Binnenmarkt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes lässt somit ein einfaches Verbot von parallelimportierten Arzneimitteln nicht zu.

Ist mit Securpharm 2019 nicht alles gelöst?

Löst das Problem gefälschter Parallelimporte nicht auch Securpharm ab Februar des kommenden Jahres? Offenbar nicht, denn nicht alle Länder gehen zur gleichen Zeit an den Sicherheitsstart. So haben Italien und Griechenland sechs Jahre länger Zeit für die Umsetzung der EU-weiten Vorgaben.