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Migräne-Antikörper – welche Vorteile bringen sie in der Prophylaxe?

Die neuen Migräne-Prophylaktika bieten einige Vorteile. | Bild: Bits and Splits / Adobe Stock

Seit 2018 bereichern CGRP- und CGRP-Rezeptor-Antikörper die Prophylaxe bei Migräne. Eingesetzt werden bislang Erenumab (Aimovig®), Fremanezumab (Ajovy®) und Galcanezumab (Emgality®). Ein vierter Antikörper im CGRP-System, Eptinezumab, ist in der Entwicklung. Seine USA-Zulassung wurde im April 2019 beantragt.

Zur Erinnerung: Calcitonin Gene-Related Peptide und Migräne

CGRP steht für Calcitonin Gene-Related Peptide. Der Botenstoff spielt eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung von Migräne. Dies stützt sich vor allem auf zwei Beobachtungen: 

  • Migräne-Patienten weisen während einer Attacke erhöhte CGRP-Spiegel auf, diese sinken jedoch, wenn der Migräne-Anfall mit Sumatriptan behandelt wird. 
  • Außerdem lassen sich durch CGRP-Injektionen bei Migränikern Anfälle auslösen. 

CGRP wirkt stark gefäßerweiternd und überträgt, einfach gesagt, Schmerzsignale. Durch Blockade von CGRP (Eptinezumab, Fremanezumab, Galcanezumab) oder dessen Rezeptor (Erenumab) soll die Migräne-Attacke gestoppt und weiteren Anfällen vorgebeugt werden.

Speziell für Migräneprophylaxe entwickelt 

Die Migräne-Antikörper sind nicht die ersten Arzneimittel, die Eingang in die vorbeugende Migränebehandlung (Prophylaxe) gefunden haben. Jedoch sind sie die ersten, die speziell dafür entwickelt wurden. 

Bis dahin erhielten Migränepatienten aus anderen Therapiebereichen entlehnte Wirkstoffe, wie die Betablocker Metoprolol und Propranolol, die vor allem bei Bluthochdruck oder koronarer Herzkrankheit verordnet werden, den ansonsten bei Schwindel eingesetzten Calciumkanalblocker Flunarizin oder die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure sowie das bei Depressionen eingesetzte Amitriptylin.

Pferdefuß der bisherigen Migräneprophylaxe

Doch warum wurden neue Migräne-Prophylaktika entwickelt? Waren die bisherigen Arzneimittel nicht wirksam? Das war wohl nicht der Fall: „Die bisher verfügbaren Migräneprophylaktika sind bei vielen Patienten gut wirksam“, erklären Migräne-Experten in dem kürzlich zur Migräne-Leitlinie veröffentlichten Anhang „Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern“. Allerdings begleitet die bisher vorbeugend bei Migräne eingesetzten Arzneimittel ein großer Pferdefuß: Sie besitzen erhebliche Nebenwirkungen und führen daher zu einer geringen Therapietreue (Adhärenz) der Patienten. 

„Daher bestand ein hoher Bedarf, neue Migräneprophylaktika mit einem günstigeren Nebenwirkungsprofil zu entwickeln“, erklären die Experten der Leitlinie. Diese Einschätzung war auch das Fazit von Professor Dr. Gerd Bendas vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn bei der Interpharm 2019 in Stuttgart. Er sieht bei den Antikörpern vor allem Potenzial in der besseren Verträglichkeit.

CGRP-Antikörper wirken schneller als andere Prophylaktika

Verträglichkeit und Therapietreue sind jedoch nicht die einzigen Vorzüge der innovativen Arzneimittel. Denn: Für alle vier Antikörper im CGRP-System konnte ein rascher Wirkeintritt gezeigt werden. Dies stellt nach Einschätzung der Leitlinien-Autoren insofern einen Vorteil gegenüber den bisher etablierten Prophylaktika dar, da bei diesen meist „einige Wochen der langsamen Auftitrierung notwendig“ seien. 

Erst acht bis zwölf Wochen nach Erreichen der Zieldosis ist eine Wirksamkeitsbeurteilung möglich – was bedeutet: Ob eine Migräneprophylaxe wirkt oder nicht, kann bei den „alten“ Migräneprophylaktika erst nach der Phase der Auftitrierung und weiteren zwei bis drei Monaten Behandlung entschieden werden. Da die Antikörper kein Auftitrieren erfordern, kann bereits acht bis zwölf Wochen nach Therapiebeginn entschieden werden, ob die Therapie wirksam ist oder nicht. Bei anderen Prophylaktika könne dies unter Umständen länger dauern.

Wann setzt die Wirkung ein?

Die Leitlinien-Experten haben Daten zum ungefähren Wirkeintritt der Migräne-Antikörper analysiert. Sie kommen für Erenumab und Galcanezumab zu einem Wirkeintritt zwischen ein und zwei Wochen nach Injektion. Besonders rasch soll Eptinezumab wirken – bereits am Tag eins nach der Gabe der Studienmedikation. Das könnte möglicherweise der intravenösen Gabe zu verdanken sein.