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Aufklärung über Genitalverstümmelung bei Mädchen: Genitalverstümmelung: Folgenschweres Ritual

Utensilien für eine GEnitalverstümmelung
Unter oft unhygienischen Umständen findet heutzutage noch die Genitalverstümmelung von Mädchen statt. | Bild: IMAGO / Friedrich Stark

Es soll ein Keuschheitsritual sein, ist aber Gewalt gegen Frauen und Mädchen: die Genitalverstümmelung. Denn die betroffenen Mädchen und Frauen erleiden dabei zum Teil lebensgefährliche Infektionen und Blutungen. Viele sterben bei dem oft unter unhygienischen Umständen durchgeführten Gewaltakt. 

Auch lebenslange chronische Probleme, Schmerzen während der Menstruation, beim Urinieren und beim Geschlechtsverkehr sowie Komplikationen bei der Geburt sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht unüblich.

WHO: Verstümmelung ohne gesundheitlichen Nutzen

Bei der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation or Cutting, FGM/C) werden Teile der weiblichen Genitalien absichtlich abgeschnitten bzw. verletzt. Zum Beispiel wird die Klitoris teilweise oder vollständig entfernt oder die Vagina bis auf eine kleine Öffnung zugenäht.

Wie die WHO klarstellt, hat die Verstümmelung – anders als die Beschneidung bei Männern –  keinerlei gesundheitlichen Nutzen. Das menschenrechtsverletzende Ritual basiert laut UN Woman auf bestimmten Vorstellungen von Weiblichkeit und Sexualität und sei ein Zeichen einer tief verwurzelten Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. 

Verstümmelung im Alter von vier bis fünf Jahren

Die Praxis ist in Ländern in Afrika, im Nahen Osten und in Indonesien verbreitet. In Ländern wie Somalia, Guinea und Dschibuti werden nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef mehr als 90 Prozent der Mädchen beschnitten. Dabei werden den meisten im Alter von vier oder fünf Jahren die äußeren Geschlechtsorgane teilweise oder vollständig entfernt. 

Nach aktuellen Studien der UN wird die Verstümmelung weiblicher Genitalien vermutlich in 92 Ländern praktiziert. Seit 1997 hätten in Afrika und im Nahen Osten 26 Länder die Praxis zwar verboten, sie sei aber immer noch weit verbreitet. 

Dabei stellt das Ritual einen Verstoß gegen das Recht auf Gesundheit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit sowie das Recht auf Freiheit von Folter dar, so UN Woman.

Corona-Pandemie hat den Kampf erschwert

Durch die Corona-Pandemie ist auch der Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung deutlich erschwert. Einem UN-Bericht zufolge hatte diese Praxis beispielsweise „im kenianischen Flüchtlingslager Dadaab seit Beginn der Pandemie um 20 Prozent zugenommen, in Somalia um rund 31 Prozent“.

Ein Grund für die Zunahme könnte sein, dass Aufklärungsveranstaltungen vielerorts nicht oder nur begrenzt stattfinden konnten. Zudem sei die Praktik für viele traditionelle Beschneiderinnen in der Pandemie verstärkt eine Einkommensquelle gewesen, erklärte UN Woman. 

Aufgrund der Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung und damit einhergehenden Schulschließungen blieben mehr Mädchen zu Hause. Dies erhöhte das Risiko, schädlichen Praktiken wie FGM/C ausgesetzt zu sein, erklärte UN Woman auf ihrer Website. 

Zudem entfielen Arztbesuche und Freizeitaktivitäten, bei denen eine erfolgte Genitalverstümmelung auffallen könnte. Und auch der Zugang zu medizinischer Versorgung sei für Betroffene durch das vielerorts ausgelastete Gesundheitssystem erschwert. 

FGM/C auch aus volkswirtschaftlichen Gründen problematisch

Die durch die Genitalverstümmelung entstehenden Komplikationen sind eine schwere Belastung für die Gesundheitsbudgets der Länder, wo diese Praxis verbreitet ist. Jedes Jahr müssten dafür 1,4 Milliarden Dollar (knapp 1,3 Milliarden Euro) aufgebracht werden, berichtete die WHO. In einigen Ländern mache das 30 Prozent des Gesundheitsbudgets aus.

Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Mit dem Aktionstag „Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ soll alljährlich am 6. Februar auf das folgenschwere Keuschheitsritual aufmerksam gemacht werden.

2003 wurde der Aktionstag vom „Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children“ (IAC) ins Leben gerufen.

Film thematisiert folgenschweres Ritual

Aufmerksamkeit erhält das Thema Genitalverstümmelung auch im autobiografischen Roman „Wüstenblume“, der auch als Spielfilm und Musical inszeniert wurde. 

Die Geschichte handelt vom Leben der Somalierin Waris Dirie (Jahrgang 1965). Sie wuchs als Nomadin auf, flüchtete vor einer Zwangsheirat, arbeitete als Dienstmädchen in London, wurde dort als Model entdeckt und startete in den 1980er Jahren eine internationale Karriere. 

Sie ist selbst beschnitten worden und leidet nach eigenen Angaben bis heute an den Komplikationen. Dirie war von 1997 bis 2003 UN-Botschafterin gegen die Beschneidung weiblicher Genitalien. Quelle: dpa, UN woman, Stadt Viernheim, DaMigra / sn