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„Pille danach“: Darauf sollten PTA in der Beratung achten

Eine junge Frau betritt die Apotheke und schaut sich in der Freiwahl um, bis alle anderen Kunden die Apotheke verlassen haben. Dann tritt sie an die Kasse und verlangt leise die „Pille danach“. Ihr ist die Situation sichtlich unangenehm. In diesem Fall sollten PTA und Approbierte freundlich und unbefangen reagieren, denn eine Verhütungspanne kann jedem einmal passieren.
Diskretion: Gespräch im Beratungsraum durchführen
Um eine etwas angenehmere Atmosphäre zu schaffen, sollte man der Kundin anbieten, das Gespräch im Beratungsraum bzw. in einem etwas abgetrennten Bereich zu führen. Die Chance, dass die Kundin die gestellten Fragen ehrlich beantwortet, ist so höher. Vor allem Mädchen unter 18 Jahren oder junge Frauen haben oft Angst, dass die Eltern oder das Umfeld von ihrer Verhütungspanne und dem Kauf der „Pille danach“ erfahren.
Sollte die Kundin sich dennoch schwertun, die ihr gestellten Fragen zu beantworten, kann man ihr klarmachen, dass auch PTA und Approbierte der Schweigepflicht unterliegen und das Gespräch nur dem Zweck dient, ob die Anwendung der „Pille danach“ das geeignete Mittel ist, eine unerwünschte Schwangerschaft zu verhindern.
Sensibles Beratungsthema: Bei der „Pille danach“ zählt Einfühlungsvermögen
Die erste Frage, die man der Kundin stellen sollte, ist die nach dem Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs. Meist beinhaltet die Antwort auch eine Auskunft darüber, was passiert ist.
Anhand des Zeitpunktes kann man direkt auf die Wirkung der „Pille danach“ eingehen und die beiden Wirkstoffe erläutern, die infrage kommen.
Eine gute Formulierung könnte beispielsweise sein: „Es war eine gute Entscheidung, dass Sie gleich zu uns in die Apotheke gekommen sind. Die „Pille danach“ kann den Eisprung um circa fünf Tage nach hinten verschieben. So wird verhindert, dass die befruchtungsfähigen Spermien und die Eizelle aufeinandertreffen und es zu einer Schwangerschaft kommt. Um dem Eisprung zuvorzukommen, sollte die Pille danach so schnell wie möglich nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden, mindestens jedoch nach 72 bzw. 120 Stunden, abhängig vom Wirkstoff.“
Zur Erinnerung: Levonorgestrel und Ulipristalacetat
Die Abgabe von Levonorgestrel (z. B. PiDaNa, Postinor®, unofem® HEXAL®, Levonor aristo®, Levonorgestrel STADA® mit je 1,5 mg Wirkstoffgehalt pro Tablette) zur Notfallkontrazeption in der Selbstmedikation darf bis zu 72 Stunden (drei Tage) nach dem Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs erfolgen.
Ulipristalacetat, (z. B. EllaOne, Lencya®, Ulipristal Aristo®, Femke® mit je 30 mg Wirkstoffgehalt pro Tablette) darf sogar bis 120 Stunden (fünf Tage) nach der Verhütungspanne ohne Rezept verkauft werden.
Beide Wirkstoffe verschieben den Eisprung nach hinten, weshalb eine rechtzeitige Einnahme so schnell wie möglich anzuraten ist. Sollte die Frau einen 100-prozentigen Schutz vor einer Schwangerschaft wollen, ist es wichtig zu erklären, dass dieser Schutz mit der „Pille danach“ nicht gewährleistet ist. Untersuchungen zufolge kann eine Sicherheit von bis zu 98 % erzielt werden, abhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Einnahme erfolgt.
Sollten bereits mehr als fünf Tage (120 Stunden) vergangen sein, ist der Kundin ein Besuch beim Gynäkologen anzuraten.
Wann sollte die Pille danach nicht abgegeben werden?
Es gibt einige Ausschlüsse, bei denen das Notfallkontrazeptivum nicht abgegeben werden sollte. Die Kundinnen sind nach einer Aufklärung an einen Gynäkologen zu verweisen, mit der das weitere Vorgehen besprochen werden kann. Das gilt beispielsweise dann, wenn
- möglicherweise bereits eine Schwangerschaft vorliegt,
- eine Überempfindlichkeit gegen einen der Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile der beiden Notfallkontrazeptiva besteht,
- bestimmte Wechselwirkungen vorliegen (z. B. mit CYP3A4-Induktoren wie Phenytoin oder Carbamazepin),
- problematische Vorerkrankungen bestehen (z. B. schwere Lebererkrankungen, Asthma),
- Unsicherheiten auffallen und ein ausführlicher Beratungsbedarf besteht (z. B. zu sexuell übertragbaren Erkrankungen) oder
- eine Abgabe auf „Vorrat“ gewünscht ist.
Außerdem sollten Minderjährige unter 14 Jahren immer mit einem Erziehungsberechtigten auftreten und zur Sicherheit an einen Arzt verwiesen werden. Zugelassen ist die „Pille danach“ grundsätzlich für alle Frauen im gebärfähigen Alter.
Junge Frauen zwischen 15 und 17 Jahren dürfen im Rahmen der Selbstmedikation beliefert werden, wobei hier ein besonderes Augenmerk auf die einfühlsame und sorgfältige Aufklärung gelegt werden sollte. Sinnvoll ist die Dokumentation der Belieferung sowie die Empfehlung eines Arztbesuchs bei einem Gynäkologen im Anschluss an die Einnahme.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres die Kosten der Behandlung gegen Vorlage eines E-Rezeptes.
„Pille danach“: Abgabe an Frau persönlich empfehlenswert
Empfohlen wird die Beratung und Abgabe der Notfallkontrazeption nur an die Frau persönlich. Nur dadurch wird gewährleistet, dass die Frau zu Wirksamkeit, Gegenanzeigen und Nebenwirkungen sowie zur notwendigen Verhütung im weiteren Verlauf des Zyklus optimal aufgeklärt werden kann.
Eine Abgabe an eine andere Person, wie beispielsweise den Partner, ist grundsätzlich nicht verboten, gestaltet sich aber aufgrund des Fehlens an Informationen meist als schwierig. In diesen Fällen kann nach Rücksprache ein Telefonat mit der Betroffenen sinnvoll sein. So kann man zudem gleich sicherstellen, dass es sich nicht um ein Gewaltdelikt oder sexuellen Übergriff handelt.
In Fällen sexueller Gewalt sollte die betreffende Frau mit der „Pille danach“ beliefert und zusätzlich an den Gynäkologen überwiesen werden. Außerdem kann auf ärztliche Angebote sowie das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ hingewiesen werden.
Notfallkontrazeptiva: Wie sollte weiter verhütet werden?
Es gibt verschiedene Gründe, wieso eine Schwangerschaft möglich sein könnte. Die „Pille danach“ ist als Notfall-Option sinnvoll
- nach Geschlechtsverkehr ohne Verhütung,
- bei einer Fehlfunktion oder -anwendung einer Barriere-Methode (z. B. Kondom geplatzt, Diaphragma verrutscht),
- bei einem vermuteten Wirkungsverlust der „Pille“ (z. B. bei Antibiotika-Therapie oder Erbrechen),
- nach einem Anwendungsfehler mit einem Vaginalring (z. B. vergessen, rechtzeitig wieder einzusetzen),
- wenn ein Verhütungspflaster über 24 Stunden nicht richtig geklebt hat oder
- wenn die Einnahme der „Pille“ vergessen wurde.
Wird eine Kombinations-Pille zur Verhütung angewendet und wurde eine Tablette vergessen, sollte die Einnahme je nach Präparat innerhalb von zwölf bis 24 Stunden nachgeholt werden. Bei einer „Mini-Pille“ ist der Zeitraum häufig etwas enger und liegt je nach Wirkstoff zwischen drei und zwölf Stunden. Ist nach Blick in die Fachinformation das Zeitfenster noch offen, besteht für die „Pille danach“ keine Notwendigkeit.
Ist der Zeitpunkt bereits überschritten, wird die Einnahme der „Pille danach“ unabhängig vom Zeitpunkt im Monatszyklus empfohlen. Das liegt daran, dass sich das genaue Datum des Eisprungs nicht vorhersagen lässt. Die größte Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft besteht allerdings in den ersten 14 Tagen des Zyklus.
Die „Pille“ sollte zur Verhütung bei der Anwendung von Levonorgestrel als Notfallkontrazeptivum ohne Unterbrechung weiter eingenommen werden, bei Ulipristalacetat ist auf eine Einnahmepause von fünf Tagen hinzuweisen. Bis zum Einsetzen der nächsten Periode muss zusätzlich eine Barriere-Methode zur Verhütung verwendet werden.
Checkliste für die Beratung: Ist eine Selbstmedikation möglich?
Damit man bei der Beratung nichts vergisst, bieten manche Hersteller ein Beratungskit zur „Pille danach“ an, das eine Checkliste sowie Informationsblätter zur Abgabe an die Kundin enthält. Auch die Bundesapothekerkammer hat auf ihrer Homepage Handlungsempfehlungen für die rezeptfreie Abgabe von oralen Notfallkontrazeptiva zusammengestellt. Hier findet sich auch ein Vordruck, der als Leitfaden und zur Dokumentation dient.
Im Beratungsgespräch sollte man folgende Informationen abfragen:
- Alter
- Grund der Einnahme
- Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs
- Zeitpunkt der letzten Regelblutung
- Könnte bereits eine Schwangerschaft bestehen?
- Vorerkrankungen
- Werden derzeit andere Medikamente eingenommen?
- Stillt die Kundin gerade?
- Wurde die „Pille danach“ bereits eingenommen und wenn ja, wann?
- Gab es bei der letzten Einnahme der „Pille danach“ Probleme?
Anhand dieser Informationen lässt sich erkennen, ob eine Selbstmedikation möglich ist oder ein Arztbesuch empfohlen werden muss.
Notfallkontrazeptiva: Wichtige Hinweise für die Kundin
Steht einer Abgabe der „Pille danach“ nichts im Wege, sollte man die Kundin noch einmal daran erinnern, dass das Medikament so schnell wie möglich einzunehmen ist. Man kann ihr aus diesem Grund auch gleich ein Glas Wasser anbieten. Optimalerweise wird vor der Einnahme etwas gegessen, um Nebenwirkungen zu reduzieren, dazu gehören Schwindel, Kopfschmerzen, Brustspannen, Übelkeit, Erbrechen oder krampfartige Bauchschmerzen.
Sollte sich die Frau dennoch innerhalb von drei Stunden übergeben, ist die Einnahme einer weiteren Tablette nötig. Die Mitgabe eines Informationsflyers kann sinnvoll sein, damit die Kundin das Wichtigste zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal nachlesen kann.
Sollte die Periode nicht zum gewohnten Zeitpunkt eintreten und sich länger als sieben Tage verzögern, sollte ein Schwangerschaftstest durchgeführt oder direkt der Weg in die gynäkologische Praxis angeraten werden.
Befindet sich die Frau aktuell in der Stillzeit, kann die Einnahme der „Pille danach“ unter Berücksichtigung bestimmter Hinweise empfohlen werden: Beide Wirkstoffe gehen in die Muttermilch über. Bei Levonorgestrel ist deshalb eine Stillpause von acht Stunden und bei Ulipristalacetat von einer Woche einzuhalten. Es ist sinnvoll, vor der Einnahme ein letztes Mal zu stillen und dann die Milch regelmäßig abzupumpen, um die Milchbildung aufrechtzuerhalten. Die Milch wird in der Wartezeit verworfen. Quellen:
- https://www.abda.de/fuer-apotheker/qualitaetssicherung/leitlinien/leitlinien-und-arbeitshilfen/information-und-beratung/
- Herstellerseiten
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-015l_S3_Hormonelle_Empfaengnisverhuetung_2020-09.pdf