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Mit Ernährung Krebs vorbeugen – Teil 1: Übergewicht: Mit Ernährung Krebs vorbeugen

80 Prozent aller ernährungsbedingten Krebstodesfälle sind durch hyperkalorische Ernährung – also Übergewicht – verursacht. | Bild: samuel / Adobe Stock

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache der westlichen Welt – und ein wesentlicher Anteil könnte (einfach) verhindert werden. „Mehr als ein Drittel – 38 Prozent – aller Krebserkrankungen sind ernährungsbedingt“, erinnerte Professor Martin Smollich vom Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vor kurzem in seiner Online-Vorlesung „Ernährungstherapeutische Strategien und Potenziale in der Onkologie & Ernährung und Pharmakologie – Erkenntnisse aus der Pharmakonutrition“ im Rahmen der Vorlesungsreihe „Iss Das! – Ernährung in der Medizin“ der PAN (Physicians Association for Nutrition). 

Das sind mehr Todesfälle als durch Tabak (30 Prozent aller Krebserkrankungen lassen sich auf Tabak zurückführen). An ernährungsbedingtem Krebs sterben allein in der EU jährlich 460.000 Menschen. Diese Zahlen zeigen überdeutlich, wie relevant Ernährung in der Krebsprävention ist. Will man eine effektive Krebsprävention betreiben, kommt man um das Thema „Ernährung“ folglich nicht herum. Doch welche Risikofaktoren gilt es zu meiden?

PAN – was ist das?

PAN ist eine ärztliche Organisation – Physicians for Nutrition –, die das Bewusstsein für eine vollwertige und pflanzenbasierte Ernährung schaffen oder schärfen will. Dabei geht es der PAN eigenen Angaben zufolge um Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und auch -behandlung. Zielgruppe der PAN sind in erster Linie Gesundheitsberufler, allen voran Medizinstudenten, aber auch die Allgemeinbevölkerung und politische Entscheidungsträger. PAN ist ein gemeinnütziger Verein (gegründet 2018). „Wir haben es uns zur Aufgabe gesetzt, ein globales Netzwerk rund um das Thema Ernährung aufzubauen und gleichzeitig effektiv über die Rolle vollwertig pflanzlicher Ernährung in der Medizin aufzuklären.“ 

Ihre aktuelle Webinar-Reihe „Iss das! – Ernährung in der Medizin“ ist der PAN zufolge die „erste deutschlandweite digitale Vorlesungsreihe zu Ernährung in der Medizin“. Nicht zuletzt möchte PAN dadurch die medizinische Ernährungswissenschaft im Medizinstudium vorantreiben.

90 Prozent aller ernährungsbedingten Krebstodesfälle durch Übergewicht und Alkohol

Als erstes mag man bei ernährungsbedingtem Krebs wahrscheinlich an Gifte, die man mit der Nahrung aufnimmt, denken – wie Dioxin oder Acrylamid, Pestizide oder Weichmacher. Die Realität sieht ganz anders aus: Rund 80 Prozent aller ernährungsbedingten Krebstodesfälle sind durch hyperkalorische Ernährung – also Übergewicht – verursacht. Weitere circa 10 Prozent entfallen auf den Konsum von Alkohol. Fasst man folglich nur diese beiden Risikopunkte zusammen, Übergewicht und Alkohol, wird offenbar, dass tatsächlich nahezu alle (nämlich rund 90 Prozent) der ernährungsbedingten Krebstodesfälle Überernährung und Alkohol geschuldet sind. Was ist mit den übrigen etwa 10 Prozent? Etwa 2 Prozent lassen sich auf Schwermetalle und weniger als 1 Prozent auf chemische Karzinogene zurückführen, bei etwa 8 Prozent der ernährungsbedingten Todesfälle kennt man die Ursache nicht.

Wie sehr erhöht Übergewicht das Risiko für Krebs?

Die Größenordnungen, in denen sich das relative Risiko erhöht, an Krebserkrankungen durch Überernährung zu sterben, sind durchaus „gravierend“, betonte Smollich. Verglichen mit einem Normalgewichtigen (BMI zwischen 19 und 25 kg/m2) erhöht sich bei adipösen Männern mit einem BMI von 35 kg/m2 das Risiko für Leberkrebs-bedingten Tod um das Fünffache, das Risiko, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu sterben, erhöht sich durch Übergewicht um das Dreifache. Auch sterben stark übergewichtige Frauen mit einem BMI ab 40 kg/m2 siebenmal häufiger an Gebärmutterhalskrebs und fünfmal häufiger an Nierenkrebs als normalgewichtige Frauen. Das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, ist bei adipösen Männern um das Doppelte erhöht, bei Frauen etwa um den Faktor 1,3.

Frauen haben 52 Prozent höheres Risiko für krebsbedingten Tod

Die Daten stammen aus einer 2003 im „New England Journal Of Medicine“ veröffentlichte Studie. Bezogen auf alle Krebserkrankungen zusammen hatten – im Vergleich zu Normalgewichtigen – stark übergewichtige Männer in der Untersuchung ein 52 Prozent höheres Risiko und stark übergewichtige Frauen ein um 62 Prozent erhöhtes Risiko für einen krebsbedingten Tod. Wohlgemerkt: Die von Smollich zitierten Daten wurden zwischen 1982 und 1998 vor allem an US-amerikanischen Bürgern erhoben. Seither hat die dortige Bevölkerung nochmals kräftig an Gewicht zugelegt: 1990 waren laut Statista 23 Prozent der US-Amerikaner fettleibig (definiert als BMI ab 30 kg/m2), 2015 waren es bereits 38,5 Prozent.

Adipositas-Epidemie zieht Krebs-Epidemie nach sich

Mit dem Wissen, dass etwa 30 Prozent aller Krebserkrankungen durch Übergewicht verursacht werden, lässt sich anhand der Gewichtsentwicklung der Bevölkerung leicht antizipieren, wohin die Reise hinsichtlich der Prävalenz von ernährungsbedingten Krebserkrankungen geht: „Der Tsunami der Adipositas der westlichen Welt, die Adipositas-Epidemie, zieht gleichzeitig eine Krebs-Epidemie nach sich“, beschrieb Smollich anschaulich. Epidemiologen warnten bereits seit Jahren davor. Aktuell untermauert eine neue Studie im Fachjournal „Cancer“, die im August veröffentlicht wurde, diese Aussage. 

Die Studie untersuchte die Geburtsjahrgänge zwischen 1983 und 2012 auf 28 Krebsentitäten und fand, dass 1988 Geborene ein doppelt so hohes Risiko für Kolonkarzinom und ein fünffach erhöhtes Risiko für Rektalkarzinom hatten als 1943 Geborene. Hingegen war die Gefahr für Lungenkrebs bei den späteren Jahrgängen 60 Prozent geringer als bei früheren. Für manche Krebsarten konnten die Wissenschaftler um Emily Heer einen Zusammenhang mit Überernährung feststellen, was sie zu dem Fazit bewog: „Bei jungen Erwachsenen steigt die Inzidenz einiger Krebsarten im Zusammenhang mit Fettleibigkeit.“ 

Smollich stützte seine Online-Vorlesung auf eine weitere, im März dieses Jahres im Fachjournal „BJS“ veröffentlichte Studie. Die Wissenschaftler erkannten, dass das Erkrankungsalter für Darmkrebs in den letzten Jahren dramatisch gesunken ist. Sie warnten deswegen davor, das Kolorektalkarzinom weiterhin nur als Erkrankung alter Menschen zu sehen.

Warum „fördert“ Überernährung das Krebsrisiko?

Laut Smollich fördert eine hyperkalorische Ernährung zahlreiche Faktoren, die letztlich zur Krebsentstehung beitragen. So spielten Leptin-vermittelte Effekte eine Rolle, ebenso komme es zur Insulinämie, einer verstärkten Produktion und Wirkung von IGF-1 und den Sexualhormonen Estradiol und Testosteron. „Dies sind alles extrem potente Wachstumsfaktoren, die die Epithelzellen zur Proliferation stimulieren, die Apoptoserate reduzieren und dadurch eine genomische Instabilität erzeugen“, erklärte Smollich.

Welche Rolle spielen Fleisch, verarbeitete Fleischprodukte und Alkohol bei Krebs? Darum geht es im zweiten Teil von „Mit Ernährung Krebs vorbeugen“.