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Krebserregendes Benzophenon in Octocrylen-haltigen Kosmetika: Weg damit! Alte Sonnencreme entsorgen

Vorsicht bei Sonnencremes mit Octocrylen! Dieses zersetzt sich nach längerer Lagerung in Benzophenon. | Bild: penyushkin / Adobe Stock

Sollte Octocrylen als UV-Filter in Sonnencremes und Kosmetika mit UV-Schutz verboten werden? Dafür plädieren französische Wissenschaftler um Philippe Lebaron von der Sorbonne-Universität. Warum? Sie untersuchten Octocrylen-haltige Sonnenschutzprodukte und Tagescremes mit diesem UV-Filter aus der EU und den USA – darunter Bioderma Photoderm AR SPF 50+, Uriage Age Protect SPF 30, La Roche-Posay SPF 50 – und ein Octocrylen-freies (Nivea Sun SPF 50+) Sonnenschutzprodukt auf Benzophenon.

Benzophenon ist eine organische aromatische Verbindung, die 2013 von der IARC (International Agency for Research on Cancer) als möglicherweise krebserzeugend eingestuft wurde und sowohl bei Herstellung von Octocrylen als auch als Abbauprodukt des chemischen Lichtschutzfaktors entstehen kann. Doch tut es das auch? Um die Frage der Beziehung zwischen Octocrylen und Benzophenon zu klären, suchten die Sorbonner Wissenschaftler nach Beweisen dafür,

  • ob Benzophenon in kommerziellen Octcrylen-haltigen Sonnenschutzprodukten enthalten ist,
  • ob die Benzophenonkonzentration im Produkt mit der Zeit zunimmt und
  • ob der Abbau von Octocrylen die wahrscheinliche Quelle für die Benzophenonverunreinigung ist.

Alle Octocrylen-haltigen Cremes enthalten Benzophenon

Die Wissenschaftler testeten die Sonnenschutzprodukte direkt nach Kauf sowie sechs Wochen nachdem sie einer „beschleunigten Alterung“ bei 40 °C und 75 Prozent relativer Luftfeuchte unterzogen wurden auf Benzophenon. Die verschärften sechswöchigen Lagerbedingungen bei erhöhter Temperatur und Luftfeuchte sollen eine einjährige Haltbarkeit widerspiegeln. Sie fanden Benzophenon in allen Octocrylen-haltigen Tagespflege- und Sonnenschutzprodukten, während es in dem einzigen getesteten Nicht-Octocrylen-haltigen Produkt nicht in signifikanten oder nachweisbaren Mengen vorhanden war.

Geringste Benzophenonkonzentrationen bei Uriage Age Protect

In den EU-Proben erhöhten sich die Benzophenon-Konzentrationen nach dem sechswöchigen beschleunigten Stabilitätstest durchschnittlich um 38,7 Prozent bis 199,4 Prozent. Die geringste Benzophenonbelastung hatte die Tagespflege mit Lichtschutz Uriage Age Protect – hier stieg der Benzophenongehalt von anfänglich 6,3 mg/kg auf 38,6 mg/kg. Die höchsten Werte wiesen die Wissenschaftler in der UV-Filter-haltigen Tagespflege von L’Oréal Age Perfect SPF 20 nach: 64,6 mg/kg nach Kauf und 193,4 mg/kg nach sechswöchigem Stresstest. Die Ausgangswerte von Octocrylen sind in den europäischen Produkten unbekannt.

Benzophenonkonzentration steigt mit der Zeit

In den US-Proben erhöhten sich die Benzophenon-Konzentrationen am Ende der sechswöchigen beschleunigten Stabilitätsinkubation durchschnittlich um 14,5 Prozent bis 134,4 Prozent. Die niedrigste Benzophenonmenge fand sich in Banana Boat Clear Ultra Mist SPF 30 (11,1 mg/kg), nach sechs Wochen lag sie bei 17,7 mg/kg. Die Sonnenschutzcreme enthält nur 5 Prozent Octocrylen und ist damit eine der am geringsten konzentrierten der geprüften Sonnenschutzprodukte. Coppertone Sport Clear SPF 30 erhielt „überraschenderweise“ nur 6 Prozent Octocrylen, hatte aber sowohl anfangs als auch nach Stresstest die höchste Konzentration an Benzophenon (Anstieg von 185,45 mg/kg auf 434,85 mg/kg).

Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass Octocrylen die Gefahr einer Benzophenon-Verunreinigung birgt: „Unsere Arbeit weist eindeutig nach, dass Octocrylen eine langsame Retro-Aldol-Kondensationsreaktion durchläuft, die zu Benzophenon führt. Dieser Prozess fand in allen getesteten kommerziellen Sonnenschutzmitteln statt, die Octocrylen enthalten, was zu einem gleichzeitigen Anstieg der Benzophenonkonzentration bei der Alterung des Produkts führt“, erklären sie im Fachjournal „Chemical Research in Toxicology“. Dabei scheint den Wissenschaftlern zufolge die Geschwindigkeit des Anstiegs der Benzophenonkonzentration mehr von der Produktformulierung als von der anfänglichen Octocrylenkonzentration abzuhängen.

Octocrylen verbieten?

Den Studienautoren zufolge gibt es genügend wissenschaftliche Literatur, um zu argumentieren, dass Octocrylen- bzw. Benzophenon-haltige Produkte eine Gefahr für die individuelle und öffentliche Gesundheit darstellen können. Darauf müsse verantwortungsvoll reagiert und erwogen werden, Herstellung und Verkauf von Octocrylen-/Benzophenon-haltigen Produkten so lange zu verbieten, bis die Industrie zweifelsfrei nachweist, dass eine dauerhafte Exposition mit den Substanzen die Gesundheit nicht schädigt.

Was sagt die EU zu Octocrylen?

Am 5. Februar 2020 forderte die Europäische Kommission das wissenschaftliche Komitee (SCCS) der EU auf, die als UV-Filter eingesetzte Substanz Octocrylen wissenschaftlich zu bewerten. Dem vorausgegangen war eine Aufforderung an die Interessenvertreter, im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. Oktober 2019 Nachweise zur Sicherheit von Octocrylen vorzulegen. Nun soll das SCCS die potenziell hormonstörende Wirkung der Substanzen bewerten.

Bei Octocrylen wird aktuell der Einsatz in kosmetischen Mitteln als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln in einer Konzentration von bis zu 10 Prozent reguliert. Octocrylen wurde 1994 von der SCCP (Scientific Committee of Cosmetic products) einer Sicherheitsbewertung unterzogen, wobei die SCCP zu dem Schluss kam, dass Octocrylen nicht giftig, nicht reizend und nicht sensibilisierend ist. Darüber hinaus stellte die SCCP damals jedoch fest, dass „keine Kanzerogenitätsstudie durchgeführt wurde“. Interessenvertreter legten 2019 wissenschaftliche Nachweise zur Sicherheit von Octocrylen als UV-Filter in kosmetischen Produkten vor, die nun von der SCCS bewertet werden sollen. In Anbetracht der zur Verfügung gestellten Daten und unter Berücksichtigung der Bedenken in Bezug auf potenziell endokrinologisch störende Eigenschaften von Octocrylen, soll das SCCS bewerten,

  • ob Octocrylen als UV-Filter in kosmetischen Produkten bis zu einer maximalen Konzentration von 10 Prozent sicher ist beziehungsweise,
  • welche Menge Octocrylen das SCCS als sichere Höchstgrenze ansieht und
  • ob das wissenschaftliche Gremium darüber hinaus Bedenken in Bezug auf die Verwendung von Octocrylen in kosmetischen Produkten hegt.