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Leseprobe PTAheute 19/2021: Gesprüht, nicht geklebt

Bild: RealPeopleGroup – iStockphoto.com

Die Wundheilung lässt sich generell in zwei Mechanismen unterteilen: Zum einen gibt es die Regeneration bei Verletzungen der Epidermis (Oberhaut) oder Schleimhäute. Hier heilt die Wunde durch Regeneration der Epithelien nach wenigen Tagen ohne Narbe vollständig aus. Zum anderen gibt es die Reparation.

Primäre und sekundäre Wundheilung

Die Reparation kann man in zwei Formen der Wundheilung unterteilen. Die primäre Heilung findet bei nicht infizierten Wunden beziehungsweise frischen Verletzungen statt. Das Gewebe ist dabei gut durchblutet, die Wundränder sind glatt und liegen nahe beieinander. Beispiele sind frische Verletzungen durch scharfkantige Gegenstände oder Wunden, deren Wundränder durch eine Naht nach einem chirurgischen Schnitt verbunden wurden. Größtenteils heilen diese Wunden innerhalb von sechs bis acht Tagen mit einer beinahe unsichtbaren Narbe ab.

Sind die Wunden hingegen infiziert oder nekrotisch, heilen sie in der sekundären Heilung ab. Hier liegen die Wundränder nicht aneinander und es sind größere Gewebeteile verletzt. Die Wundränder müssen sich nun zusammenziehen und entstandene Gewebelücken werden durch Granulation und Gewebeneubildung ausgefüllt. Die Dauer der sekundären Wundheilung beträgt manchmal mehrere Wochen oder Monate. Dabei besteht die Gefahr, dass die Wunde chronisch wird und somit auch nach vielen Wochen trotz medizinischer Versorgung nicht abheilt. 

Phasen der Wundheilung und ­Narbenbildung

Die Wundheilung unterteilt sich in drei verschiedene Phasen, die fließend ineinander übergehen und sich auch teilweise überlagern. Sind alle Phasen durchlaufen, ist die natürliche Wundheilung abgeschlossen. In der exsudativen Phase (an Tag eins bis vier) finden die Blutstillung und Wundsekretbildung statt. Außerdem aktiviert der Körper Immunzellen. In der Granulations- oder proliferativen Phase (ab Tag zwei bis 14) vollzieht sich der Aufbau des Granulationsgewebes, das die Wunde auffüllt und die Wundränder zusammenzieht. Hier sind Makrophagen, Fibroblasten, Angioblasten und Keratinozyten am Werk. In der dritten und letzten reparativen Phase oder Epithelisierungsphase (ab Tag drei bis 21) erfolgt die vollständige Schließung der Wunde an der Oberfläche, das Bindegewebe reift aus und es bildet sich eine Narbe.

Kleine Wunden gut versorgt

Die Wundversorgung bei kleinen, oberflächlichen Wunden wird in folgender Reihenfolge durchgeführt:

  • Reinigung: Die Wunde wird durch sauberes kaltes Wasser oder durch sterile physiologische Kochsalz- oder Ringerlösung gereinigt. Dies entfernt grobe Verschmutzungen, Fremdkörper und Keime aus der Wunde. Dreck- oder Steinpartikel werden mit einer Pinzette beseitigt.
  • Desinfektion: Die Wunde wird mithilfe eines milden Desinfektionsmittels, das nicht zu stark brennt, desinfiziert.
  • Abdeckung: Die Abdeckung der Wunde erfolgt mit sterilen Wundkompressen, Folien oder Schaumverbänden. Diese werden mit Mullbinden, Schlauch- oder Netzverbänden sowie Fixierfolien befestigt. Darüber hinaus können Pflaster oder Sprühpflaster zum Einsatz kommen.
  • Heilungsförderung (optional): Mit verschiedensten Präparaten für eine schnelle Wundheilung ohne Kruste und Spannungsschmerz kann die Wundheilung gefördert werden. Beispiele hierfür sind Hydro- und Lipogele oder Cremes, Salben oder Sprays mit Dexpanthenol, Lebertran oder Hamamelis.

Zudem sollte bei jeder Verletzung im Freien der Tetanus-Impfstatus überprüft werden, denn der Erreger des Wundstarrkrampfes Clostridium tetani kommt beinahe überall in Erde, Staub und Tierkot vor und vermag auch in kleine, oberflächliche Wunden einzudringen.

Bei starken oder schwer stillbaren Blutungen, stark verschmutzten Wunden, Brandverletzungen oder wenn heftige Schmerzen, Rötungen, Schwellungen oder Eiterbildung im Wundbereich vorliegen, muss der Betroffene auf jeden Fall einen Arzt zurate ziehen.

Pflaster zum Aufsprühen

Die Vorteile eines Sprühpflasters sind durch seinen dünnen, transparenten, anpassungsfähigen und elastischen Film zu erklären. Dieser verhält sich quasi wie eine zweite Haut und schützt die Wunde vor Schmutz, Bakterien und Viren, aber auch vor äußeren Reizen. Sprühpflaster sind wasserfest beziehungsweise wasserabweisend, das heißt, der Patient kann damit duschen. Sie sind aber dennoch atmungsaktiv, also luft- und wasserdampfdurchlässig. Die Wasserdampfdurchlässigkeit beugt Hautmazerationen vor. Daneben findet sich in einigen Produkten natives Rizinusöl und/oder Weizenkeimöl, die die Haut pflegen.

Sprühpflaster eignen sich für folgende oberflächliche Verletzungen: kleine Wunden und Verletzungen der Haut, wie zum Beispiel Schürf-, Schnitt-, Riss-, Quetsch- und Kratzwunden. Die Wunde sollte nicht bluten oder nässen. Vor der Anwendung muss die Haut trocken und sauber sein. Es ist möglich, mit einem Pflasterspray auch Verletzungen zu behandeln, deren Versorgung mit einem klassischen Pflaster nur schwierig möglich ist, beispielsweise auf stärker bewegten Körperstellen wie Ellbogen oder Knie, da der Film aufgrund seiner Elastizität intakt bleibt. Sprühpflaster dürfen nicht bei infizierten, tiefen oder großen Wunden, bei Verbrennungen oder Verletzungen im Bereich von Augen oder Schleimhäuten aufgetragen werden. Der Mund- und Nasenbereich ist ebenfalls zu vermeiden. Gleichermaßen sollten größere Wunden, die mit einer Naht versorgt sind, nicht damit therapiert werden. Kleinere trockene Operationsnähte kann hingegen beispielsweise Opsite Spray Sprühverband schützen. Außerdem ist dieses zur Fixierung von Hauttransplantaten geeignet, jedoch sollte der Patient möglichst nur die Transplantatränder besprühen.

Es existieren auch einige Nachteile. So ist das Pflasterspray richtig aufzutragen, sonst kann es passieren, dass die Wunde nicht vollständig abgedeckt ist. Weiterhin fehlt größtenteils der Schutz vor mechanischen Einwirkungen, da es keine polsternde Wundauflage besitzt. Ein Sprühpflaster kann lediglich vor geringer Reibung wie zum Beispiel durch Kleidung schützen. Im Vergleich zu Gelpflastern und Hydrokolloiden fördern Sprays weniger den Heilungsprozess. Außerdem können alle Pflastersprays aufgrund der enthaltenen Lösungsmittel ein Brennen verursachen, was bei Kindern oft noch mehr Tränen verursacht. Die Hersteller geben dazu einen entsprechenden Altershinweis für Kleinkinder an – die Sprays sollten erst ab 18 Monaten beziehungsweise drei Jahren Anwendung finden.  

Aufsprühen, trocknen, fertig

Die Wunde wird vor der Anwendung gründlich gereinigt, desinfiziert und getrocknet. Teilweise muss der Benutzer das Spray vor der Anwendung noch schütteln. Nun wird aus der vom Hersteller angegebenen Entfernung ein dünner Film aufgesprüht und circa eine Minute trocknen gelassen. Das Auftragen mehrerer dünner Schichten übereinander kann teilweise das Ergebnis der Verbandqualität verbessern. Der entstandene Film bleibt flexibel und muss nicht entfernt werden. Es ist aber auch möglich, ihn mit einem Pflasterentferner abzulösen.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

„Wie ich sehe, ist die Schürfwunde an Ihrem Ellbogen bereits trocken und sauber. Für diese viel bewegte Stelle empfehle ich Ihnen ein Sprühpflaster. Der gebildete Film ist flexibel und muss nicht entfernt werden. Er löst sich nach einigen Tagen von selbst wieder ab.“

„Der aufgesprühte Film ist wasserfest und Sie können damit problemlos duschen. Gleichzeitig ist er atmungsaktiv, sodass die Haut darunter nicht aufweicht.“

Wichtig für den Film

Die enthaltenen Filmbildner sind verschiedene Kunststoffe wie Acrylat-Copolymer, Polyurethan, Polymer oder Pyroxylin (Nitrocellulose). Diese sind in unterschiedlichen Lösungsmitteln verarbeitet – es kommen Ethanol, Isopropanol, Wasser, Aceton oder Ethylacetat als Austauschstoff für Aceton zum Einsatz. Die Lösungsmittel verdunsten nach dem Auftragen rasch und hinterlassen einen dünnen Film auf der Haut. Außerdem kühlt die Verdunstungskälte die Haut. Bei mehrfacher Anwendung kann es aufgrund der Lösungsmittel passieren, dass die Haut austrocknet beziehungsweise es zu spröder oder rissiger Haut kommt. Durch die Nutzung von Ethanol gewinnt das Spray antiseptische Eigenschaften. Es ist dann in der Lage, die Keimzahl in Wunden oder auf der Hautoberfläche zu reduzieren.

Aerosol wird zum Pflaster

Alle Sprühpflaster und -verbände sind Aerosole – das enthaltene Treibmittel verdampft innerhalb von Sekunden und lässt dadurch feinst zerteilte Tröpfchen zurück. Das Aerosolspray hat im Gegensatz zu einem treibgaslosen Pumpspray den Vorteil, einen sehr fein zerstäubten, gleichmäßigen Film zu erzeugen. Als Treibmittel kommen Dimethylether, n-Butan und Isobutan zum Einsatz. Der Behälter steht unter Druck und muss folglich vor Sonnenbestrahlung und Temperaturen über 50 °C geschützt werden. Wer das Spray anwendet, sollte offene Flammen vermeiden und dabei den Sprühnebel nicht einatmen.

Sprühpflaster Beispiele:

ProduktbeispieleFlint Med Sprüh­pflasterHansaplast Sprüh­pflaster Opsite Spray Sprüh­verbandUrgo Sprüh­pflaster
Menge50 ml32,5 ml100 ml und 240 ml40 ml
ungefähre Anzahl möglicher Anwendungen laut Hersteller8050keine Angabe des Herstellers40
antiseptischneinjaneinja

Inhaltsstoffe einiger Sprühpflaster:

 Flint Med Sprühpflaster Hansaplast SprühpflasterOpsite Spray SprühverbandUrgo Sprühpflaster
Film­bildnerAcrylat-
Copolymer

Acrylat-­Copolymer,

Polyurethan, Polymer

Acrylat-­CopolymerPyroxylin (Nitrocellulose)
Lösungs­mittelEthylacetatEthanol, ­WasserAceton, Ethylacetat, IsopropanolEthanol, Ethylacetat
Treib­mittelButan, IsobutanDimethylethern-Butan, Dimethylether Dimethylether
sonstige Stoffenatives Rizinusöl  natives Rizinusöl und Weizenkeimöl

Das Wichtigste in Kürze:

  • Sprühpflaster eignen sich bei kleineren Verletzungen der Haut, wenn die Wunde nicht mehr blutet oder nässt. 
  • Der aufgesprühte Film ist sehr elastisch. Daher eignen sich Sprühpflaster auch auf viel bewegten Hautstellen wie zum Beispiel am Knie oder Ellbogen.
  • Ein Sprühpflaster ist wasserfest, aber gleichzeitig luft- und wasserdampfdurchlässig und damit atmungsaktiv.
  • Nicht geeignet sind Sprühpflaster bei großen, infizierten oder blutenden Wunden.