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Stiftung Warentest prüft DiGA : App-Check: Welche helfen bei Angststörungen?

Stiftung Warentest stellte neun Anwendungen bei Angststörungen auf den Prüfstand. Mit dabei die Anbieter Invirto, HelloBetter und Mindable (von links nach rechts). | Bild: alexandertrou / Adobe Stock / PTAheute

Psychotherapeutische Behandlungsplätze sind rar. Ist man z. B. aufgrund einer Angststörung auf therapeutische Hilfe angewiesen, muss man mit langen Wartezeiten rechnen. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werben damit, sofort verfügbar zu sein und somit die Wartezeit bis zum nächsten freien Termin überbrücken zu können. Doch was nützen sie? Stiftung Warentest stellt neun verfügbare Apps gegen Angststörungen auf den Prüfstand.

Gut zu wissen: Was hat das DiGA-Verzeichnis zur Unterstützung bei Angststörungen zu bieten?

Stand 11.11.2021 sind im DiGA-Verzeichnis fünf Anwendungen zur Therapie von Angststörungen gelistet. Diese richten sich an Patienten mit Agoraphobie, sozialen Phobien, Panikstörungen und generalisierter Angststörung. 

Alle im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendungen können von Ärzten und Psychotherapeuten verschrieben und auf Kassenkosten abgerechnet werden. Um vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen zu werden, müssen die Anwendungen zunächst als Medizinprodukt zertifiziert sein und dadurch ihre Sicherheit und Funktionstauglichkeit nachweisen. Ferner müssen Qualität, Datenschutz und Informationssicherheit belegt und ein positiver Effekt auf die Patientenversorgung nachgewiesen werden.

Die Experten von Stiftung Warentest konzentrierten sich bei ihrem Test auf drei Angststörungen:

  • Panikstörungen (anfallsartige Panikattacken ohne bekannten Auslöser),
  • Agoraphobie (Angst vor bestimmten Orten bzw. Situationen),
  • soziale Phobien (Angst vor zwischenmenschlichen Situationen).

Neben den im DiGA-Verzeichnis gelisteten Apps „Die Therapie gegen Angst“ von Invirto, „Panikstörungen und Agoraphobie“ von Mindable, Selfapys Online-Kurs bei Panikstörung und Velibra wurden auch fünf nicht im DiGA-Verzeichnis gelistete Apps getestet: „Panik“ von HelloBetter, „Ängste überwinden“ von Novego sowie drei Angebote von Kim Fleckenstein.

So testeten die Experten

Für den Test ließ Stiftung Warentest eine Psychotherapeutin und einen Psychotherapeuten die App unter Kenntnis der jeweiligen Anbieter nutzen. Außerdem sichteten die Gutachter Anbieterinfos und untersuchten vorliegende Studien. Ein IT-Experte sowie ein Jurist prüften darüber hinaus die Anwendungen auf Datenschutz und Mängel in den AGBs.

Zwei Mal Testnote „gut“

Zwei der geprüften Anwendungen erhielten von den Experten das Gesamturteil „gut“: „Panik“ von HelloBetter (Note 2,0, Testsieger) und Velibra (Note 2,3). Bei HelloBetter lobte Stiftung Warentest besonders das strukturierte Angebot, bei Velibra die umfangreichen Hintergrundtexte sowie, dass die Inhalte dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprachen. Beide Apps konnten mit ihrem Konzept „gut“ überzeugen und einen Patientennutzen „sehr gut“ belegen.

Während Velibra bereits dauerhaft im DiGA-Verzeichnis gelistet ist und damit zulasten der GKV verordnet werden kann, befindet sich das Programm „Panik“ von HelloBetter nach Angaben des Anbieters noch im Aufnahmeprozess. Eine andere Anwendung des Anbieters hat es jedoch erst jüngst in das DiGA-Verzeichnis geschafft

Mindable und Selfapy „befriedigend“

Die vorläufig im DiGA-Verzeichnis gelisteten Apps von Mindable und Selfapy bewertete Stiftung Warentest insgesamt lediglich mit „befriedigend“. Abzug gab es für den Nutzennachweis (siehe Kasten): Diesen stuften die Experten lediglich als „ausreichend“ ein. Bei Selfapy konnte das Konzept zudem nur ein „befriedigend“ erreichen, da es unter anderem kaum auf die Nutzenden eingeht. Das Konzept aus Aufklärung, Symptomprovokation und Expositionsübungen von Mindable gefiel den Experten dagegen „gut“.

Gut zu wissen: Was bedeutet vorläufig gelistet?

Kann der Nutzennachweis beim Antrag auf Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis noch nicht erbracht werden, dürfen DiGA – nach Vorliegen einer Begründung und eines Evaluationskonzeptes – auch vorübergehend für 12 Monate in das Verzeichnis aufgenommen werden.

Die vierte im DiGA-Verzeichnis gelistete App, „Die Therapie gegen Angst“ von Invirto, konnte von den Experten nicht beurteilt werden, da durch den Anbieter kein Testzugang zur Verfügung gestellt und die Kooperation verweigert wurde. Die für Stiftung Warentest zugänglichen Belege des Nutzens bewerteten die Gutachter als „mangelhaft“. 

Vier Mal „mangelhaft“

Die Anwendungen von Novego sowie von Kim Fleckenstein konnten die Tester nicht überzeugen: Beide Konzepte bewertete Stiftung Warentest mit „mangelhaft“. Für Novego (Gesamtnote 3,9) sahen die Experten immerhin den Nutzen als „gut“ belegt, für die Angebote von Kim Fleckenstein (Gesamtnote 4,6) lagen dagegen keine wissenschaftlichen Belege vor.

Datenschutz und AGBs

Fast alle getesteten Anwendungen konnten beim Schutz der persönlichen Daten lediglich ein „befriedigend“ erreichen. Selfapy erhielt als einzige Anwendung die Auszeichnung „gut“. In den AGBs fanden die Experten bei allen Apps keine bzw. nur sehr geringe Mängel.

Den vollständigen Testbericht gibt es bei Stiftung Warentest.

Anbieter kritisieren Testverfahren

Wie das Handelsblatt berichtete, äußerten einige Anbieter Kritik am Testverfahren von Stiftung Warentest. So sei laut Selfapy der Test „oberflächlich“, laut Novego die Beurteilung durch lediglich zwei Gutachter „Einzelmeinungen“. Andere App-Tester bemängelten gegenüber dem Handelsblatt die Methode, die Apps durch Experten anstelle von Nutzern im Alltag testen zu lassen.