Aktuelles
5 min merken gemerkt Artikel drucken

In Lebensmitteln verboten, in Arzneimitteln aber erlaubt: Titandioxid in Zahnpasta: Wie gefährlich ist es?

Ob Titandioxid in Zahnpasta toxisch sein könnte, ist noch nicht abschließend geklärt. | Bild: Andrey Cherkasov / AdobeStock

Titandioxid und die Frage nach dessen sicherem Einsatz sind ungefähr seit dem Jahr 2019 Bestandteil intensiver Diskussionen. Ging es zunächst noch um die Gefahr (in der Industrie), dessen Stäube einzuatmen, hat die Diskussion mittlerweile über Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel auch die Arzneimittelbranche erreicht. Doch was ist eigentlich mit in Apotheken erhältlicher Kosmetik? 

Zur Erinnerung: Wo steckt Titandioxid drin?

  • In Lebensmitteln als Farbpigment E 171 z. B. in Kaugummis, Dragees und Bonbons mit hellen glänzenden oder glatten Überzügen. Auch in Schokolade, Keksen, Käse und hellen Saucen und Nahrungsergänzungsmitteln, wie Magnesium- oder Calciumtabletten.
  • In Kosmetika als CI 77891 z. B. in Zahncremes und vielen Kosmetika, auch in Sonnenschutzmitteln als mineralischer Lichtschutzfilter.
  • Als Weißpigment PW6 in Ölfarben, Wandfarben, Lacken, 
    außerdem in Kunststoffen, Textilien, Photokatalysatoren. 

Titandioxid in Sonnenschutz unbedenklich?

Immerhin könnte Sonnencreme zum Aufsprühen auch eingeatmet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte in einem Dokument von Dezember 2019 zu der Frage, ob Nanomaterialien wie der UV-Filter Titandioxid in Sonnenschutzmitteln bedenklich sind, unter Berufung auf das Expertengremium der EU-Kommission („Scientific Committee on Consumer Safety“, SCCS): 

„Gesundheitliche Risiken sind bei Nano-Titandioxid als UV-Filter in einer Konzentration von bis zu 25 Prozent in Sonnenschutzmitteln unwahrscheinlich. Dies gilt bei gesunder, intakter und sonnenverbrannter Haut. Menschen, deren Haut krankheitsbedingt (Allergiker, Akne, Neurodermitis) geschädigt ist, sollten sich mit einem Facharzt abstimmen.“

Fragen und Antworten des Bundesinstituts für Risikobewertung zu Sonnenschutzmitteln vom 19. Dezember 2019

Allerdings heißt es dort auch: „Das SCCS hat seine Schlussfolgerung auf Anwendungen (z. B. Cremes, Lotionen) beschränkt, die nicht zu einer Exposition der Lunge durch Inhalation führen.“

Titandioxid in Sonnenschutz zum Sprühen verboten

Wie das BfR außerdem im Mai 2021 erklärte, hat das SCCS die inhalative Aufnahme von Titandioxid-Nanopartikeln, bei der es zu einer Exposition der Lunge des Verbrauchers mit TiO2-Nanopartikeln kommt, als gesundheitlich bedenklich bewertet. „Deshalb wurde Titandioxid (Nano) in Anwendungen, die durch Inhalation zur Exposition der Lunge des Endverbrauchers führen können, in der EU-Kosmetikverordnung verboten.“ Somit darf das Weißpigment in Sonnenschutz zum Sprühen nicht mehr zum Einsatz kommen. 

Gut zu wissen: Wie ist die Rechtslage?

Titandioxid zur Verwendung in kosmetischen Mitteln wird in zwei Positivlisten der EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009 (EU-KVO) aufgeführt: In der Liste der in kosmetischen Mitteln zugelassenen Farbstoffe (Anhang IV der EU-KVO) und in der Liste der zugelassenen Filter zum Schutz vor ultravioletter Strahlung (Anhang VI der EU-KVO). Es gelten also für den Sonnenschutz andere Regeln als für andere Kosmetika. 

Titandioxid besser nicht schlucken

Und wie steht es um Kosmetik jenseits von Sonnenschutz, die auch verschluckt werden kann? Ökotest bewertete erst kürzlich Lippenpflegestifte mit Sonnenschutz und erklärte, dass auch in Lippenpflege vorsorglich auf Titandioxid verzichtet werden sollte. Immerhin gilt es in Lebensmitteln mittlerweile als möglicherweise genotoxisch.  

Wie gefährlich ist Titandioxid in Zahnpasta?

Noch leichter verschluckt als aufgetragene Lippenpflegestifte wird wohl Zahnpasta. Die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe hat sich nun zum Thema Titandioxid und Zahnpasta geäußert. 

Titandioxid sei auch als weißes Farbpigment (CI 77891) in Zahnpasten enthalten, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Allerdings müsse noch geklärt werden, ob die Risikobewertung von E 171 auch für das kosmetische Farbpigment CI 77891 gilt. 

„Derzeit gibt es laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung noch keine Hinweise, dass Titandioxid in kosmetischen Produkten wie Zahnpasta gesundheitsschädlich ist. Zumal Zahnpasta üblicherweise ausgespuckt und die Mundhöhle ausgespült wird“, erklärt Jost Rieckesmann, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe in der Mitteilung. 

Zahnpasta ohne Titandioxid: Fluorid-Gehalt beachten

Prof. Dr. Stefan Zimmer, Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Fakultät für Gesundheit, meint zudem, dass es dennoch viele gute und sehr gute Zahnpasten ohne Titandioxid gebe.  

Doch: „Wer vorsichtshalber die Zahnpasta wechseln möchte, der sollte dabei unbedingt darauf achten, dass die enthaltene Fluoridmenge ausreicht und der Altersgruppe entspricht“, gibt Dr. Holger Seib, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, zu bedenken.

Bewertung von CI 77891 noch nicht abgeschlossen

Das BfR selbst erklärte im Mai 2021, dass ihm derzeit keine Daten zu Gehalten und Spezifikationen von Titandioxid in Zahnpasta vorliegen. In Zahnpasta werde ein Titandioxid-Pigment mit Namen CI 77891 eingesetzt, doch das BfR könne nicht beurteilen, ob die Bewertung der EFSA zu E 171 auf dieses Pigment übertragbar ist. 

„Das BfR hat den zuständigen Behörden des Risikomanagements empfohlen, den wissenschaftlichen Ausschuss ‚Verbrauchersicherheit‘ (Scientific Committee on Consumer Safety, SCCS) mit einer Risikobewertung zu mandatieren“, heißt es.

Gut zu wissen: Titandioxid in der Natur

In der Natur kommt Titandioxid „in den drei Modifikationen Anatas, Rutil und Brookit vor. E171 besteht aus Anatas und/oder Rutil. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft Titandioxid als möglicherweise karzinogen für den Menschen (Gruppe 2B) ein.“ Quelle: DAZ 32/2021 

Inhaltsstoffe beachten!

Wer nun in der Apotheke auf der Suche nach Produktbeispielen ist, wird meist bei Ökotest fündig, allerdings wurde Titandioxid im Oktober 2021 von Ökotest in Zahnpasta noch nicht negativ bewertet. Bislang hilft also nur der Blick auf die Inhaltsstoffliste.