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Ökotest: Lippenpflegestifte mit Sonnenschutz und ohne Titandioxid

Eine Lippenpflege aus der Apotheke schneidet mit am besten ab. | Bild: vladdeep / AdobeStock

Zugegeben: Die Fläche, die mit Lippenpflegestiften in Kontakt kommt – und über die damit potenziell schädliche Stoffe aufgenommen werden können –, ist klein verglichen mit der Gesamtkörperoberfläche. 

Dennoch will Ökotest weder bedenkliche UV-Filter – zu denen zählen die Verbraucherschützer Octocrylen – noch halogenorganische Verbindungen, Paraffine oder Titandioxid in Lippenpflegestiften sehen. Immerhin wird ein Teil der Lippenpflege stets auch verschluckt. Bis zu 57 mg könne die orale tägliche Dosis betragen, meint Ökotest. 

Zeit also, um den Inhaltsstoffen von Lippenpflegestiften mit UV-Schutz auf den Zahn zu fühlen und diese gründlich zu checken: 21 Stifte prüfte Ökotest, darunter auch Produkte aus Apotheken – wie Bepanthol Lipstick SPF 30, Echinacin Lipstick Madaus Care + Sun LSF 20, Eucerin Lip Activ LSF 15, Frei Öl Hydrolipid Hydro Lipstick LSF 50, Ladival Aktiv UV-Schutzstift 30, La Roche-Posay Anthelios XL Stick, SPF 50+ und Siriderma Sun Lippenbalsam Sensitiv LSF 30.

Frei Öl Testsieger bei Apotheken-Lippenpflege

Als Testsieger unter den in Apotheken erhältlichen Produkten geht der Lipstick von Frei Öl mit Note „gut“ vom Platz: Keine bedenklichen chemisch-organischen UV-Filter, stattdessen setzt Frei Öl auf Zinkoxid und verzichtet zudem auf Plastikverbindungen oder sonstige zu bemängelnde Inhaltsstoffe. 

Kritik übt Ökotest jedoch an der Verpackung, der Umkarton sei überflüssig. Auch vermisst Ökotest Empfehlungen zum Sonnenschutz und die Deklaration „nano“ beim Lichtschutzfilter Zinkoxid. So fordert die Kosmetik-Verordnung bei einem Gehalt von mindestens 50 Prozent Nanopartikeln bei Zinkoxid (oder Titandioxid), dass die Hersteller dies sodann ausweisen. 

Besser als Frei Öl schneiden mit „sehr gut“ nur die Produkte von Annemarie Börlind, Kaufland, Euco und Rossmann ab, während halogenorganische Verbindungen den Lippenpflegestiften von Müller und Rewe sowie Siriderma nur die Bewertung „befriedigend“ verschaffen. 

Keine gute Wahl – Naturkosmetik bei UV-Lippenpflege?

Wer nun denkt, mit Naturkosmetik bei Lippenpflegestiften mit UV-Schutz nicht daneben liegen zu können, sollte vorher die ausführliche Bewertung von Ökotest dazu lesen. Denn: Die von Ökotest geprüften Naturkosmetik-Stifte von dm und EcoCosmetics enthalten zwar keine bedenklichen chemischen Lichtschutzfilter, aber die höchsten Mengen an Titandioxid.

Letzteres hat Ökotest auf seine neue „Schwarze Liste“ gesetzt – noch beim letzten Lippenpflegestift-Test aus dem Jahr 2019 hatten die Verbraucherschützer Titandioxid nicht abgewertet, allerdings: Das war, bevor die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Titandioxid als möglicherweise erbgutschädigend bei oraler Aufnahme über Lebensmittel einstufte. Eine erbgutschädigende Wirkung sei nicht bewiesen, aber auch nicht auszuschließen, daher sei Titandioxid in Lebensmitteln nicht sicher. 

„Darum sollte auch Lippenpflege in unseren Augen vorsorglich auf Titandioxid verzichten“, findet Ökotest. Aus diesem Grund bewertet Ökotest Naturkosmetik-Lippenpflege nur mit „befriedigend“ bis „ausreichend“.

„Ungenügend“ für Eucerin und Bepanthol

Über eine derartige Abstrafung hätten sich Bayer, Beiersdorf, Meda Pharma und La Roche-Posay sicher noch gefreut – ihre Lippenpflegeprodukte erhalten von Ökotest die schlechteste Bewertung „ungenügend“. 

Die Gründe sind zahlreich: Bepanthol Lipstick SPF 30 enthält neben Titandioxid, Kunststoffverbindungen und PEG-Derivaten (Polyethylenglykole) auch die von Ökotest als bedenklich eingestuften Lichtschutzfilter Ethylhexylmethoxycinnamat und Octocrylen

Beide stehen im Verdacht, hormonartig zu wirken. Bei Octocrylen kann zudem bei Herstellung und Lagerung (Abbauprozess) Benzophenon entstehen, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „möglicherweise“ krebserzeugenden Stoff einstuft. 

Was sagt das wissenschaftliche Komitee der EU zu Octocrylen?

Erst Ende März 2021 hat das wissenschaftliche Expertengremium (SCCS, Scientific Committee on Consumer Safety) der EU-Kommission seine Einschätzung zu Octocrylen veröffentlicht. Es hatte sich den UV-Filter vor allem auch in Bezug auf eine mögliche Hormonwirkung genauer angeschaut. Zu Benzophenon schreibt das SCCS, es sei ein Abbauprodukt von Octocrylen und eine „gefährliche Verunreinigung“, es sollte „überwacht“ werden und nur in Spuren vorhanden sein.  

Geht es um die möglicherweise hormonartige Wirkung von Octocrylen, stuft das SCCS den UV-Filter in kosmetischen Produkten in Konzentrationen von bis zu 10 Prozent als „sicher“ ein. 

Ausnahme sind Sonnenschutzsprays, die mit einem Treibgas funktionieren: Dann gilt Octocrylen bis maximal 9 Prozent als sicher, wenn es zusammen mit Gesichtscreme, Handcreme und Lippenstift verwendet wird, die 10 Prozent Octocrylen enthalten. 

Es gebe zwar aus einigen In-vivo-Studien Hinweise, dass Octocrylen endokrine (hormonartige) Wirkungen haben könnte, doch reichten die Nachweise nicht aus, um Octocrylen als endokrinologisch toxisch einzustufen.  

Auch seien Kontaktsensibilisierungen auf Octocrylen berichtet. In Anbetracht der weiten Verbreitung des UV-Filters seien die gemeldeten Fälle jedoch „vernachlässigbar“, erklärt das SCCS. 

Auffallend war zudem, dass das Auftreten einer Photoallergie gegen Octocrylen in engem Zusammenhang mit einer vorangegangenen Photoallergie auf topisches Ketoprofen stand. Umweltaspekte von Octocrylen bewertete das SCCS nicht.  

Was sagt das BfR?  
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte im Dezember 2019 zu möglichen gesundheitlichen Risiken bei Sonnenschutzprodukten: „Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sind gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Sonnenschutzmitteln, die in der Europäischen Union erhältlich sind, nicht zu erwarten.“ 

Der Grund: In der EU dürften nur Produkte mit bewerteten UV-Filtern verkauft werden. Zuvor müsse die Bewertung durch das wissenschaftliche Expertengremium der EU-Kommission (SCCS) die sichere Verwendung als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln bis zu einer genannten Höchstkonzentration bestätigt haben.  

La Roche-Posay: Paraffine, Mineralöle und Octocrylen

Octocrylen fand Ökotest auch bei La Roche-Posay Anthelios XL Stick SPF 50+. Daneben kritisiert Ökotest bei La Roche-Posay und Eucerin Paraffine, Kunststoffverbindungen und MOAH, also aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe, die krebserregend sein können.

Echinacin enthält Titandioxid und zusätzlich Tartrazin (bedenklicher Farbstoff), was die Note „ungenügend“ erklärt. Ladival von Stada schafft noch „mangelhaft“ in der Bewertung. Kritikpunkte sind auch hier der bedenkliche UV-Filter Octocrylen, Nano-Titandioxid und Kunststoffverbindungen. Das Urteil von Ökotest: „Von Pflege aus der Apotheke dürften Verbraucher zu Recht mehr erwarten.“

Weitere Ergebnisse von Ökotest

Die vollständigen Testergebnisse und Einschätzungen von Ökotest zu Titandioxid sowie zu Zinkoxid als alternativen Lichtschutzfilter gibt es bei Ökotest.