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Kann man mit Vitamin C das Immunsystem „boostern“?

Glas Zitronensaft, aufgeschnittene Zitrone liegt daneben
Ein Glas frisch gepresster Zitronensaft liefert reichlich Vitamin C. Anlässlich dem „Tag des Vitamin C“ werden wir einen Blick darauf, ob es auch dabei hilft, das Immunsystem bei seiner Arbeit zu unterstützen. | Bild: New Africa / AdobeStock

Vitamin C wird immer wieder als Wunderwaffe gegen Erkältungen angepriesen. Unbestritten ist, dass Vitamin C für viele Stoffwechselprozesse und damit auch für unser Immunsystem unentbehrlich ist. Doch die Vorstellung, man könne durch reichliche Vitamin-C-Zufuhr die Immunabwehr regelrecht „boostern“, ist aus wissenschaftlicher Sicht kritisch zu sehen.

Zum Tag des Vitamin C am 4. April

Der 4. April steht ganz im Zeichen des Vitamin C („Vitamin C Day“). Der Aktionstag geht auf den US-amerikanischen Biochemiker Charles Glen King zurück. 

Er isolierte erstmals Vitamin C (Ascorbinsäure) aus Zitronensaft. Die Isolierung von Vitamin C ist ein großer Fortschritt in der medizinischen Bekämpfung von Mangelernährung und vor allem von Skorbut.

„Vitamin-C-Tank“ nie völlig leer

Der Ernährungsexperte Professor Martin Smollich vergleicht ein gut ausbalanciertes Immunsystem mit einem betankten Auto: Solange ausreichend Benzin im Tank ist, fährt das Auto. Es fährt nicht schneller oder besser, wenn man mehr Benzin hineinfüllt. Im menschlichen Körper gibt es bei normaler Ernährung so gut wie nie die Situation, dass der „Vitamin-C-Tank“ völlig leer ist. 

Es gibt viele wissenschaftliche Studien und Metaanalysen, die positive Effekte einer Vitamin-C-Supplementierung auf das Immunsystem und die Häufigkeit von Erkältungskrankheiten untersucht haben. Leider zeigen sie nicht das gewünschte Ergebnis, das in eine generelle Empfehlung münden könnte.

Gefühl der Unterstützung stärkt das Immunsystem

Wie lässt sich aber erklären, dass viele Menschen sich trotzdem subjektiv deutlich besser fühlen, wenn sie bei Erkältungssymptomen ein Vitamin-C-Präparat einnehmen oder eine heiße Zitrone trinken? 

Hier hat der Psychoneuroimmunologe Professor Christian Schubert überzeugende Antworten gefunden: Nach heutigen Erkenntnissen stehen Immunsystem und Psyche in Wechselwirkung miteinander und sprechen eine „gemeinsame Sprache“. Allein die Bedeutung, die wir einem Produkt zuschreiben, also der Einnahme von Vitamin C bei Erkältung, erzeugt so viel Kraft und Sinn, dass der Organismus eine gewaltige Wirkung erfährt. Das im Körper erzeugte „Gefühl der Unterstützung“ stärkt das Immunsystem und die Wirksamkeit der Killerzellen. 

Jede Form der Nahrungsaufnahme, also auch der Aufnahme eines Nahrungsergänzungsmittels, steht zudem in einem sozialen Kontext. Ein als positiv und förderlich empfundenes Umfeld kann jedes „Superfood“ in ein „Soulfood“ verwandeln.

Wohlfühleffekt statt Immun-Booster 

Auch wenn die Wirkung von Vitamin C bei Erkältungskrankheiten nicht wissenschaftlich belegt ist, kann die Einnahme helfen. Ein „Boostern“ des Immunsystems im Sinne einer Impfung ist zwar nicht möglich, ein Wohlfühleffekt aber durchaus vorstellbar.

Wie viel Vitamin C ist gesund?

Einen weltweit gültigen Referenzwert für die Zufuhr von Vitamin C beim Menschen gibt es nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für 

  • Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 95 mg bis 110 mg.
  • Schwangere (ab dem 4. Monat) und Stillende sollten 105 mg bzw. 125 mg Vitamin C pro Tag aufnehmen.
  • Raucher sollten 135 mg (Männer) bzw. 155 mg (Frauen) zu sich nehmen.

Gut zu wissen: Warum der Mensch Vitamin C nicht selbst bilden kann

Viele Lebewesen, auch Nahrungspflanzen, synthetisieren Vitamin C (L-Ascorbinsäure) aus D-Glucose. Chemisch gesehen stellt die Ascorbinsäure ein Lacton dar, das sich aus der Glucuronsäure ableitet. 

Ein wichtiger oxidativer Reaktionsschritt wird dabei durch das Enzym L-Gulonolacton-Oxidase katalysiert. Dieses Enzym kann vom Menschen, aber auch einigen anderen Tieren, z. B. Primaten und Meerschweinchen, nicht gebildet werden. Daher ist der Mensch – ebenso wie Affen und Meerschweinchen – darauf angewiesen, Vitamin C über die Nahrung aufzunehmen.

Vitamin-C-Zufuhrempfehlungen schwanken international

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält die tägliche Aufnahme von 45 mg für ausreichend, weil diese Dosierung die klassische Vitamin-C-Mangelerkrankung Skorbut effektiv verhindert. 

Präventive Effekte ausschöpfen möchten dagegen die US-Amerikaner. Das amerikanische „Institute of Medicine“ (IOM) empfiehlt deshalb sogar 200 mg pro Tag sowohl für Frauen als auch für Männer.

Die unterschiedlichen Werte zeigen: Nicht nur wissenschaftliche Messzahlen spielen eine Rolle, sondern auch kulturelle Bedürfnisse nach maximaler Sicherheit – sowie knappen Ressourcen geschuldete, gerade noch vertretbare Anpassungen nach unten.