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EMA empfiehlt die Zulassung für Filsuvez: Birkenrindenextrakt gegen Schmetterlingskrankheit

Mit Filsuvez, einem Birkenrindenextraktgel, kommt ein Arzneimittel, das die Wundheilung bei Epidermolysis bullosa fördern soll. | Bild: strixcode / AdobeStock 

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) spricht sich für die Zulassung eines Arzneimittels zur Behandlung von Epidermolysis bullosa aus: Filsuvez, ein Birkenextrakt, der als Gel auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen wird. 

Am 22. April 2022 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), Filsuvez zur „Behandlung von partiellen Wunden im Zusammenhang mit dystrophischer und junktionaler Epidermolysis bullosa (EB) bei Patienten ab sechs Monaten“ zuzulassen. Bereits 2011 war dem Extrakt der Orphan-Drug-Status von der EMA attestiert worden.

Gut zu wissen: Was ist Epidermolysis bullosa?

Epidermolysis bullosa (EB) ist eine vererbbare Multisystemerkrankung und zählt zu den seltenen Erkrankungen (Orphan Disease). Durch Mutation in bestimmten Genen kommt es zu Defekten bei der mechanischen Verbindung der unterschiedlichen Hautschichten, was die Haut der Betroffenen äußerst verletzlich macht: Feinste Berührungen führen zu Wunden, Blasen, dem Ablösen der Haut und starken Schmerzen. 

Kinder mit EB bezeichnet man deswegen auch als „Schmetterlingskinder“, da ihre Haut so empfindlich wie die Flügel eines Schmetterlings ist. Die Wunden betreffen auch Schleimhäute in Augen, Mund, Speiseröhre und im Magen-Darm-Trakt. Je nach Ausprägung kann es zu Finger- oder Zehenverwachsungen sowie Bewegungsbehinderungen kommen. Betroffene können zudem minderwüchsig sein und an Karies, Haarverlust und Hautkrebs leiden.

Eine kausale Behandlung existiert nicht, es wird versucht, die Haut vor Traumen zu schützen. Zudem müssen die Wunden versorgt werden, um Infektionen zu vermeiden.

Vier Formen der EB

Je nach Genmutation, den betroffenen Hautproteinen und der klinischen Erscheinung unterscheidet man vier Formen der Epidermolysis bullosa

  • EB simplex (70 Prozent),
  • EB junctionalis (25 Prozent),
  • EB dystrophica (5 Prozent),
  • Kindler-Syndrom (< 1 Prozent).

So die Europäische Kommission der Empfehlung der EMA folgt, darf Filsuvez nur bei zwei der vier Formen der EB angewendet werden, die zusammen etwa 30 Prozent der Erkrankten ausmachen. 

Filsuvez soll Wundheilung fördern

Filsuvez wird als Gel auf der Haut angewendet. Es enthält der EMA zufolge einen Birkenrindenextrakt (als Trockenextrakt, raffiniert; ehemals bekannt als Oleogel-S10) aus Betula pendula Roth/Betula pubescens Ehrh. (entspricht 0,5–1,0 g Birkenrinde), einschließlich 84–95 mg Triterpene (berechnet als Summe von Betulin, Betulinsäure, Erythrodiol, Lupeol und Oleanolsäure). 

Als Wirkmechanismus „wird angenommen“, dass Filsuvez Entzündungsmediatoren moduliert, die Keratinozyten zur Differenzierung und Migration anregen und auf diese Weise die Wundheilung und den Wundverschluss fördern. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Wundkomplikationen, Reaktionen an der Applikationsstelle, Wundinfektionen, Juckreiz und Überempfindlichkeitsreaktionen.

Ursprünglich wurde das Gel von der Birken AG entwickelt, später von Amryt Pharma übernommen und bereits 2016 in Europa zur Behandlung partieller Hautwunden aufgrund von Verbrennungen oder Hauttransplantationen zugelassen. Handelsname ist Episalvan.

In den USA wurde Zulassung von Filsuvez abgelehnt

In den Vereinigten Staaten wird es Filsuvez in absehbarer Zeit hingegen nicht geben. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) lehnte Ende Februar 2022 die Zulassung des Birkenextraktgels von Amryt Pharma ab und forderte das Unternehmen auf, zusätzliche Nachweise für die Wirksamkeit von Oleogel-S10 bei EB vorzulegen. Amryt Pharma will nun eng mit der FDA zusammenarbeiten, um eine Zulassung von Filsuvez zu ermöglichen.

Welche Patienten bekommen Filsuvez?

Filsuvez darf entsprechend dem (potenziell bald) zugelassenen Anwendungsgebiet nur bei den selteneren Formen der EB eingesetzt werden. Doch gehen Wissenschaftler davon aus, dass es – wenn die Zulassung erst vorliegt – in der breiten EB-Population eingesetzt wird.

Auf Grundlage der Studien-Daten (EASE) sei Oleogel-S10 jedoch am besten für RDEB-Patienten geeignet, sagte Dr. Jemima Mellerio, Leiterin des EB-Teams für Erwachsene am St John's Institute of Dermatology, St Thomas' Hospital (London, UK) im März 2021 im Gespräch mit der „Clinical Trials Arena“.

Die Studie zu Filsuvez

Amryt Pharma untersuchte Filsuvez in einer randomisierten klinischen Phase-3-Studie (EASE, NCT03068780), die das Birkenextraktgel mit einem Placebo-Gel verglich. Von den 223 Teilnehmern waren 156 Kinder und 67 Erwachsene, die an EB dystrophica (DEB), EB junctionalis (JEB) und Kindler-Syndrom litten. 

Um an der Studie teilnehmen zu dürfen, mussten die EB-Patienten eine EB-Wunde von 10 bis 50 cm2 aufweisen, die mindestens 21 Tage und höchstens neun Monate bestand. Sie erhielten sodann für drei Monate entweder Filsuvez oder das Placebo-Gel, um ihre Wunde zu behandeln.

Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten, deren Zielwunde sich innerhalb von 45 Behandlungstagen (45±7) verschloss. Dabei zählte als vollständiger Wundverschluss, wenn eine vollständige Re-Epithelisierung des Gewebes vorlag. 

Das Ergebnis: Mit Filsuvez behandelte Patienten hatten häufiger innerhalb von 45 Tagen einen vollständigen Wundverschluss als EB-Patienten in der Placebogruppe (41,3 Prozent vs. 28,9 Prozent), womit Amryt Pharma das primäre Studienziel erreichte.  

Allerdings gab es innerhalb der Studiengruppe Unterschiede: Eine signifikante Wirkung mit einer 72 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für einen Wundverschluss wurde lediglich in der Gruppe der Patienten mit rezessiver ED dystrophica (n = 175) festgestellt (44 Prozent vs. 26,2 Prozent). 

Litten die Patienten hingegen an dominanter ED dystrophica oder ED junctionalis, gab es keinen signifikanten Unterschied im Anteil der Patienten mit vollständigem Wundverschluss in der Behandlungs- oder Placebogruppe: Bei Patienten mit dominanter ED dystrophica schnitten Filsuvez und Placebo gleich gut ab (jeweils 50 Prozent der Patienten), während bei Patienten mit EB junctionalis Filsuvez sogar schlechtere Ergebnisse erzielte als Placebo (18,2 Prozent vs. 26,7 Prozent).