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Inhalatives Levodopa bei Off-Symptomen: Inhalieren gegen Parkinson: Wie wirkt Inbrija®?

Bei sogenannten Off-Symptomen können Parkinsonpatienten zukünftig Levopoda inhalieren. | Screenshot: Inbrija® / PTAheute

Derzeit erhalten Parkinsonpatienten ihre Levodopa-Therapie als orale Tabletten – in Kombination mit Benserazid oder Carbidopa (Dopa-Decarboxylasehemmer) – schnell freisetzend oder mit verzögerter Wirkstoffabgabe (retardiert). Mit Inbrija® bringt Acorda Therapeutics Ireland Limited im Mai nun ein erstes inhalatives Levodopa-Präparat auf den Markt. Die Zulassung wurde bereits im Juli 2019 von der EMA empfohlen und kurz darauf, im September desselben Jahres, durch die EU-Kommission erteilt.

Zur Erinnerung: Was ist Parkinson?

Morbus Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Dopamin-produzierende Nervenzellen im Gehirn zugrunde gehen. Symptomatisch äußert sich der Verlust dopaminerger Neurone – und der Mangel an dem Neurotransmitter Dopamin – vor allem durch Bewegungsstörungen: Zittern, auch in Ruhe (Tremor), Steifheit (Rigor), Bewegungsverlangsamung (Bradykinese, Akinese) und Haltungsinstabilität (posturale Instabilität). Die Patienten leiden aber auch an Störungen der Verdauung, Blasenfunktion, des Schlaf-Wach-Rhythmus, Depressionen und kognitiven Veränderungen (Demenz).

Wie wird Inbrija® eingesetzt?

Das inhalative Levodopa ist lediglich als Zusatztherapie gedacht und so auch zugelassen: Parkinsonpatienten inhalieren Inbrija® zusätzlich zu ihrer oralen Behandlung mit Levodopa plus Dopa-Decarboxylasehemmer, um sogenannte „Off-Symptome“ akut zu lindern. Unter dem Off-Phänomen versteht man Phasen von Bewegungsstörungen. Diese treten akut auf, wenn die Wirkung der oralen Levodopa-Therapie nachlässt und die typischen Parkinsonsymptome (Zittern, Starre, Bewegungsinstabilität) wieder auftreten. 

Das inhalative Levodopa erhöht die Dopaminspiegel, soll die Motorik normalisieren und damit den Patienten in diesen Situationen rasch helfen. Voraussetzung für eine Zusatztherapie mit Inbrija® ist, dass die Patienten stabil auf orales Levodopa plus Decarboxylasehemmer eingestellt sind und dass sie die Symptome einer Off-Phase erkennen. 

„Inbrija® wird angewendet zur intermittierenden Behandlung von episodenhaft auftretenden motorischen Fluktuationen (Off-Episoden) bei erwachsenen Patienten mit Morbus Parkinson, die mit Levodopa und einem Dopa-Decarboxylase-Hemmer behandelt werden.“

Zulassung laut Fachinformation, Stand 12/2021

Zur Erinnerung: Wie wird Parkinson therapiert?

Primärer Behandlungsansatz bei Parkinson ist, den Dopaminmangel zu kompensieren. Das geschieht durch Dopamin-Agonisten (z. B. Bromocriptin, Cabergolin oder Rotigotin in Neupro® Pflaster). Zudem spielt in der Parkinsontherapie Levodopa – die Vorstufe von Dopamin, die der Körper mittels Dopa-Decarboxylase in Dopamin umwandelt – eine zentrale Rolle (z. B. Madopar® Levodopa mit Benserazid). Eine direkte Gabe von Dopamin ist nicht möglich, da Dopamin nicht ins Zentralnervensystem gelangt.  

Patienten müssen Kapsel in Inhalator setzen

Inbrija® kommt als Kapsel-Inhalator-System auf den Markt. Die Patienten müssen vor Inhalation den Inhalator mit einer wirkstoffhaltigen Kapsel (42 mg Levodopa, abgegeben pro Inhalation werden 33 mg Levodopa) bestücken. Das heißt aber auch: Die Patienten müssen ausreichend fingerfertig sein, um die Kapseln in den Inhalator zu setzen, oder eine Bezugsperson muss diesen Schritt für sie im Akutfall übernehmen können. 

Die übliche Dosierung pro Off-Phase sind zwei Kapseln, sprich 66 mg Levodopa, die die Patienten direkt hintereinander – maximaler Inhalationsabstand zehn Minuten – inhalieren. Die Höchstdosierung umfasst zehn Kapseln täglich, was damit für die Kupierung von fünf Off-Phasen reicht. 

Dass die Inhalation funktioniert hat, hören oder spüren die Patienten am Rotieren der Kapsel im Kunststoffgehäuse des Inhalators. War die Inhalation hingegen nicht ausreichend stark, rät die Fachinformation zu „einem tieferen und längeren Atemzug“ oder dazu, das Mundstück zu reinigen. Die Kapseln dürfen nicht oral eingenommen werden! Aktueller Stand ist, dass Patienten zudem den Inhalator nach Inhalation der letzten Kapsel entsorgen. 

Wie schnell wirkt Inbrija®?

Das inhalative Levodopa soll Off-Symptome rasch beseitigen, was die „Lebensqualität der Patienten verbessert“, erklärt die EMA. Doch wie schnell wirkt Inbrija® verglichen mit Levodopa-Tabletten? Die maximale Levodopa-Konzentration im Blut ist nach Inbrija®-Inhalation (zwei Kapseln) nach 30 Minuten erreicht. Nach oraler Einnahme von Levodopa/Carbidopa (25 mg/100 mg, schnelle Freisetzung) werden maximale Plasmaspiegel nach 45 Minuten erreicht, also 15 Minuten später.

Warum ist bei Inbrija® keine Kombination mit Decarboxylasehemmern nötig?

Bei der oralen Behandlung kombiniert man grundsätzlich Levodopa mit einem Dopa-Decarboxylasehemmer. Grund ist, dass Levodopa nach oraler Einnahme zu mindestens 95 Prozent bereits im Darm, der Leber, Niere, Herz und Magen in die eigentliche Wirkform (Dopamin) überführt wird. Peripher entstandenes Dopamin gelangt jedoch nicht mehr ins ZNS und verursacht zudem unerwünschte Nebenwirkungen. Dopa-Decarboxylasehemmer, wie Benserazid oder Carbidopa, verhindern diese Aktivierung in der Peripherie – ohne dass sie selbst ins ZNS gelangen. 

Inbrija® kann hingegen durch die inhalative Gabe auf die Kombination mit Benserazid oder Carbidopa verzichten, da es den Magen-Darm-Trakt umgeht: Das Levodopa gelangt direkt über die Lunge ins Blut und dann ins ZNS. Eine vorzeitige Aktivierung in Magen oder Darm entfällt damit.

Klinische Studie mit 226 auswertbaren Probanden

Die Wirksamkeit von Inbrija® konnte Acorda Therapeutics in einer klinischen Studie „Safety and efficacy of CVT-301 (levodopa inhalation powder) on motor function during off periods in patients with Parkinson's disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 trial“ , veröffentlich 2019 in „The Lancet Neurology“  belegen. Diese lief placebokontrolliert, doppelblind und die Teilnehmer wurden per Zufall der Inbrija®- oder Placebo-Gruppe zugeteilt. In die Auswertung flossen Daten von 114 Parkinsonpatienten mit Inbrija® und 112 Placeboempfängern ein. Alle erhielten zusätzlich eine dopaminerge Basistherapie mit maximal 1.600 mg Levodopa pro Tag. 

Im Bedarfsfall, also bei Off-Symptomen, konnten die Patienten nun bis zu fünfmal täglich zwei Kapseln Inbrija® – oder Placebo – inhalieren. Die Studienautoren verglichen sodann die Effekte der beiden Therapien, und zwar anhand eines Parkinson-Scores (Unified Parkinson’s Disease Rating Scale, UPDRS), der den Schweregrad der Erkrankung – das Zittern, die Steifheit, Bewegungsverlangsamung und Haltungsinstabilität – anhand von Punkten bestimmt. Dies geschah in der Off-Phase, und zwar 30 Minuten vor und 30 Minuten nach Inbrija®- oder Placebo-Inhalation. Vor Studienbeginn waren alle Teilnehmer mindestens zwei Stunden täglich in der Off-Phase. 

Wirkt Inbrija® besser als Placebo?

Die Inhalation von Levodopa verbesserte die Parkinson-Symptome stärker als es Placebo tat: Der Parkinson-Score verringerte sich nach Inbrija®-Inhalation um knapp 10 Punkte – von einem Ausgangswert von etwa 32 Punkten –, während sich bei Placeboempfängern lediglich eine Verbesserung von etwa 6 Punkten (bei einem Ausgangswert von 29) beobachten ließ.

Zudem bewerteten die Patienten ihre Symptome auch nach ihrer subjektiven Wahrnehmung: 71,4 Prozent gaben an, dass sie mit Inbrija® ihre Symptome viel besser, besser oder zumindest wenig besser kontrollieren konnten, nach Placebo hatten nur 46,4 Prozent der Patienten diesen Eindruck.

Kaum Unterschiede gab es hingegen, wenn es um die absolute Off-Zeit pro Tag ging – diese verkürzte sich in beiden Gruppen jeweils um eine halbe Stunde täglich, die Ausgangswerte lagen bei etwa 5,5 Stunden.

Welche Nebenwirkungen verursacht Inbrija®?

Sehr häufig kommt es bei Anwendung von Inbrija® zu Husten, meist leichter bis mittelschwerer Natur und in der Regel in den ersten 30 Behandlungstagen. Husten führte bei zwei von 100 Studienteilnehmern zum Abbruch der Therapie. Zusätzlich ließen sich häufig Infektionen der oberen Atemwege, Rachenreizung sowie Übelkeit, Erbrechen und Stürze beobachten. Kurz nach Inhalation beschrieben Studienpatienten zudem ein Erstickungsgefühl.