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Affenpocken: Notfallausschuss und Namensänderung

Zahlreiche Länder sind von Affenpocken-Fällen betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation hat daher für kommende Woche den Notfallausschuss einberufen. | Bild: Tatyana / AdobeStock 

Wie das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Webseite erklärt, gelten Affenpocken „normalerweise nicht als sehr ansteckend“. Zur Übertragung von Mensch zu Mensch würden sie einen engen körperlichen Kontakt erfordern – z. B. Haut an Haut oder längerer Gesicht-zu-Gesicht-Kontakt. „Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland wird nach derzeitigen Erkenntnissen als gering eingeschätzt“, heißt es (Stand 24.05.2022).

Allerdings erklärt das RKI auch, dass die Fälle, die momentan beobachtet werden, für Affenpockenausbrüche „nicht typisch“ seien. Denn es seien keine Reisen aus endemischen Ländern oder entsprechende Kontakte gemeldet worden.

Notfallausschuss wird einberufen

Nun will auch der Notfallausschuss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Affenpocken-Ausbruch genauer unter die Lupe nehmen. Aus Sorge um die steigende Zahl an Affenpockenfällen in aller Welt hat WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus für kommende Woche den Notfallausschuss einberufen. Das Gremium soll entscheiden, ob es sich – wie bei Corona – um eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ handelt.

Der Notfallausschuss soll am 23. Juni tagen, wie es von der WHO hieß. Die Erklärung der Notlage ist die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann. Eine solche Erklärung hat zwar keine direkten praktischen Folgen, soll aber die Mitgliedsländer wachrütteln.

Immer mehr Fälle in mehreren Ländern

Der WHO wurden bis vergangenen Dienstag weltweit mehr als 1.600 Fälle von Affenpocken und fast 1.500 Verdachtsfälle aus 39 Ländern gemeldet. In 32 dieser Länder gab es vor Mai keine bekannten Fälle. In den anderen sieben Ländern in Afrika grassiert das Virus seit Jahrzehnten. Bislang wurden 72 Todesfälle aus den afrikanischen Ländern gemeldet. Die Sorge der WHO beziehe sich auf drei Bereiche: Das Virus verhalte sich ungewöhnlich, es seien immer mehr Länder betroffen und damit sei eine koordinierte Reaktion nötig.

Tedros betonte aber, dass die Experten des Notfallausschusses die Problematik betrachten und noch nicht entschieden sei, ob sie das Ausrufen einer Notlage für nötig halten. „Wir wollen nicht warten, bis die Situation außer Kontrolle geraten ist“, sagte WHO-Spezialist Ibrahima Socé Fall. WHO-Spezialistin Rosamund Lewis betonte, dass die WHO die Mitgliedsländer schon jetzt mit zahlreichen technischen Ratschlägen zum Umgang mit Affenpocken-Fällen versorgt habe.

Gut zu wissen: Wer ist besonders gefährdet?

„Insbesondere Neugeborene, Kinder, Schwangere, alte Menschen und Menschen mit zugrunde liegenden Immunschwächen können schwer an den Affenpocken erkranken. Gesundheitspersonal ist aufgrund der längeren Virusexposition auch einem höheren Risiko ausgesetzt. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome von Affenpocken zwar innerhalb weniger Wochen von selbst, aber bei einigen Personen können sie zu medizinischen Komplikationen und sogar zum Tod führen.

Zu den Komplikationen schwerer Fälle von Affenpocken gehören Hautinfektionen, Lungenentzündung, Verwirrtheit und Augeninfektionen, die zu Sehverlust führen können. Nach Angaben der WHO haben etwa 3–6 Prozent der gemeldeten Fälle in den letzten Jahren in Zentral- und Westafrika zum Tod geführt, häufig bei Kindern (hier Fallsterblichkeit bis zu 11 Prozent) oder Personen mit anderen Gesundheitsproblemen. Es ist wichtig zu beachten, dass dies eine Überschätzung sein kann, da die Überwachung in endemischen Ländern begrenzt ist.“ Quelle: RKI, Stand 24.05.2022)  

40.000 Dosen Pockenimpfstoff für Deutschland

Seit vergangener Woche empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) in einem Beschlussentwurf für Personen ab 18 Jahren den Pockenimpfstoff Imvanex gegen Affenpocken – vorerst allerdings vor allem als Postexpositionsprophylaxe. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet mit einer Lieferung von 40.000 Dosen Pockenimpfstoff. 

Der Virologe Gerd Sutter vom Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen der LMU München teilte auf Anfrage mit, dass die Zahlen hierzulande „keine Überraschung“ und „nicht erschreckend“ seien. Die Übertragung des Virus erfolge nach derzeitigem Kenntnisstand, wie erwartet, praktisch nur durch direkten Kontakt. Das Tempo der Ausbreitung beschrieb er als „relativ langsam“. Mit der Impfung von Kontaktpersonen beziehungsweise spezifischer Zielgruppen „sollte eine Begrenzung des Ausbruchs weiterhin gut möglich sein“, erwartet er.

Massenimpfung derzeit nicht nötig

Es gebe immer noch vereinzelte Übertragungen, „aber der Ausbruch hat eher nicht die Eigenschaft, exponentiell wachsende Fallzahlen zu entwickeln“, teilte Timo Ulrichs, Experte für Globale Gesundheit an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften, mit. Eine sexuell übertragbare Infektionserkrankung breite sich langsamer aus als eine, bei der Erreger durch die Luft übertragen werden. Auch andere Experten hatten zuletzt auf viele Unterschiede zwischen Affenpocken und der Corona-Pandemie hingewiesen. Dennoch wurde vor einer Weiterverbreitung des Virus, etwa bei bevorstehenden Festivals und Partys, gewarnt.

Aufgrund der bisherigen Risikolage hält auch die WHO Massenimpfungen nicht für nötig. Die WHO rief aber alle Länder dazu auf, Bestände an Pockenimpfstoffen gerecht mit anderen zu teilen.

WHO will Namen der Affenpocken ändern

Die WHO will den Affenpocken jedenfalls einen neuen Namen geben. Es gebe seit langem Bestrebungen, Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen zu benennen, um jeglicher Möglichkeit von Diskriminierung oder Stigmatisierung vorzubeugen, sagte ein WHO-Sprecher. Der Begriff Affenpocken etwa könne auf eine Herkunft aus Afrika hindeuten, so der Sprecher. 

Bis Mai waren das Virus und die Krankheit zwar fast ausschließlich aus Afrika bekannt, aber der Name war ohnehin schon irreführend: Das Virus wurde 1958 in Dänemark erstmals bei Affen in einer Versuchsanstalt nachgewiesen. Allerdings dürfte es nach heutigen Erkenntnissen eher unter kleinen Nagetieren verbreitet sein. Die Affen gelten nur als Zwischenwirt. Quelle: dpa / vs