Aktuelles
3 min merken gemerkt Artikel drucken

Schlafmangel hemmt die Hilfsbereitschaft

Frau sitzt bei der Arbeit und gähnt; hält Hand vor den Mund
Hilfsbereitschaft ist eine wichtige soziale Eigenschaft. Sie scheint jedoch von Schlafmangel beeinträchtigt zu werden. | Bild:  fizkes / AdobeStock

Wer einer Frau mit schweren Einkaufstaschen keine Hilfe anbietet, hat möglicherweise schlecht geschlafen. Und wenn jemand nach dem richtigen Weg gefragt wird, aber keine Auskunft gibt, könnte das ebenfalls an Schlafmangel liegen. 

Forschende aus Kalifornien haben nämlich herausgefunden, dass unser prosoziales Verhalten reduziert ist, wenn wir zu wenig geschlafen habenPLOS Biology: "Sleep loss leads to the withdrawal of human helping across individuals, groups, and large-scale societies" . Das äußert sich in einer verminderten Hilfsbereitschaft – und zwar auf mehrerlei Ebenen.

Reduzierte Hilfsbereitschaft korreliert mit Hirnaktivität

In einer ersten Studie wurden Teilnehmende nach einer Nacht ohne Schlaf zu ihrer Hilfsbereitschaft befragt. Das Resultat: 78 Prozent von ihnen waren signifikant weniger dazu bereit anderen zu helfen, als nach einer Nacht mit ausreichend Schlaf. 

Im parallel dazu durchgeführten Hirnscan (funktionelle Magnetresonanztomographie) fand sich eine Erklärung dafür: In einem bestimmten Netzwerk im Gehirn – dem sozialen Kognitionsnetzwerk – war die neuronale Aktivität deutlich reduziert. Man weiß, dass das soziale Kognitionsnetzwerk mit prosozialem Verhalten in Verbindung steht.

Nächtliche Schlafqualität beeinflusst Hilfsbereitschaft am Folgetag

Dass die Hilfsbereitschaft nicht nur bei komplettem Schlafentzug leidet, bewies die zweite Studie. Hier schliefen die Teilnehmenden unter natürlichen Bedingungen. Dabei führten sie einige Tage lang ein Schlaftagebuch, um die jeweilige Schlafmenge und -qualität zu dokumentieren. 

Die Auswertung ergab, dass die Probanden nach einer nicht so guten Nacht am Folgetag weniger dazu bereit waren, anderen zu helfen.

Zeitumstellung wirkt sich auf Spendenbereitschaft aus

Mit einer großen Datenanalyse untersuchten die Wissenschaftler in einer dritten Studie hilfsbereites Verhalten auf einer weiteren sozialen Ebene. Sie wollten herausfinden, ob eine Stunde weniger Schlafmöglichkeit die Spendenbereitschaft beeinflusst. 

Dazu analysierten sie mehr als drei Millionen Wohltätigkeitsspenden in den USA, die entweder vor oder nach der Uhrumstellung auf die Sommerzeit getätigt wurden. (Die Zeitumstellung im Frühjahr beeinträchtigt oder verkürzt bei vielen Menschen den Schlaf.) 

Auch hier offenbarte sich ein deutlicher Effekt: Die Bereitschaft, Geld zu spenden, war in den Wochen nach der Uhrumstellung signifikant geringer als in den Wochen davor. Der mutmaßliche Schlafmangel führte zu einer um zehn Prozent geringeren Spendensumme.

Schlafmangel ist nicht nur ein persönliches Problem

Schlafmangel hat diesen Studienergebnissen zufolge also mehr als nur persönliche Auswirkungen. Er hemmt eine grundlegende menschliche Eigenschaft: einander zu helfen. Und Hilfsbereitschaft ist ein wichtiges Fundament, um unsere zivile Solidargemeinschaft am Leben zu erhalten. 

Der verbreite Schlafmangel in vielen Industrienationen hätte damit nicht nur medizinische Relevanz. Und die Behandlung von Schlafstörungen käme nicht nur den Betroffenen zugute.