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Apothekenstreik: Sind Apotheker zu leise?

Der Apothekenstreik gestern hat es nicht in die großen Publikumsmedien geschafft. | Bild: IMAGO / Nikita

Licht aus, Apothekentür zu: In einigen Bundesländern blieben gestern die Offizinen geschlossen. Es wurde gestreikt. Grund ist das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das heute auf der Tagesordnung im Bundestagsplenum steht. Damit soll das auf 17 Milliarden Euro geschätzte Finanzdefizit der GKV beseitigt werden. Wird das Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet, müssen Apotheken in den nächsten beiden Jahren einen um 23 Cent pro Packung erhöhten Kassenabschlag an die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) abführen. 170 Millionen Euro will Gesundheitsminister Karl Lauterbach so einsparen.  

Die ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) warnt massiv vor dieser Maßnahme und wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Abschlagserhöhung im Schnitt zu Mehrkosten von rund 6.500 Euro pro Apotheke führen würde.  

Gegenwind aus der Opposition: CDU/CSU will Änderungsantrag einbringen 

Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU will auf den letzten Metern des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes die geplante Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro stoppen. Dieser Schritt „wäre das völlig falsche Signal an tausende niedergelassene Apothekerinnen und Apotheker, die momentan ohnehin schon die Folgen der Inflation spüren“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge.  

Das unterstützt auch Nicolas Zippelius, CDU-Abgeordneter aus dem Landkreis Karlsruhe. Er ist im Ausschuss für Digitales, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und im Untersuchungsausschuss Afghanistan. Gemeinsam mit dem CDU-Abgeordneten Yannik Bury betreibt er den Podcast „Nachts im Bundestag“.  

Er wird heute gegen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in der jetzigen Form stimmen. „Ich bin kein Gesundheitspolitiker, aber ich bin direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Karlsruhe-Land. Und damit betreffen mich auch alle Gesundheitsfragen, die sich dort vor Ort zutragen.“ Um für die heutige Abstimmung gut aufgestellt zu sein, hat er sich im Vorfeld informiert und auch mit Apothekern in seinem Wahlkreis gesprochen. Von den Protesten hat er zuerst via WhatsApp von einem befreundeten Apotheker aus seiner Heimat Weingarten bei Karlsruhe erfahren. Dieser hält ihn auch immer auf dem Laufenden, „was in den Apotheken derzeit eigentlich passiert und schiefläuft“.  

Gut zu wissen: Wie läuft die Abstimmung im Deutschen Bundestag?

Will der Bundestag etwas beschließen, braucht er dafür die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit das Grundgesetz nichts anderes vorschreibt (Artikel 42). In der Regel stimmen die Abgeordneten mit Handzeichen ab. In der dritten Lesung von Gesetzen (Gesetzgebung) erheben sie sich von ihren Plätzen, wenn sie einem Gesetzentwurf zustimmen, ihn ablehnen oder sich enthalten wollen. Ist das Ergebnis nicht eindeutig, kann die Abstimmung durch einen sogenannten Hammelsprung wiederholt werden. Das bedeutet, dass die Abgeordneten den Plenarsaal verlassen und ihn anschließend durch verschiedene Türen, die mit „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ markiert sind, wieder betreten. Dabei werden sie von jeweils zwei Schriftführern an jeder Tür gezählt. Dieses Auszählverfahren wird auch eingesetzt, wenn vor einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit bezweifelt und nicht vom Sitzungsvorstand als gegeben bejaht wird.

Zu einer namentlichen Abstimmung kommt es vor allem bei politisch umstrittenen Fragen. Namentlich abgestimmt werden muss auch dann, wenn eine Fraktion oder mindestens fünf Prozent der Abgeordneten dies verlangen.

CDU und CSU wollen heute einen Änderungsantrag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz einbringen, mit dem der betreffende Passus gestrichen werden soll. „Wenn die Ampel es mit der flächendeckenden Apothekenversorgung ernst meint, sollte sie von solchen Plänen Abstand nehmen“, betont Sorge. Daher fordere die Union, die geplante Anhebung zu streichen.

Union hätte früher etwas für die Apotheken tun müssen 

Auf die Frage, weshalb die Union nicht mehr für die Apotheken getan hat, als sie an der Regierung war, antwortet Zippelius gegenüber PTAheute.de: „Ja, wir hätten früher etwas machen können und müssen. Ich glaube, dass Politik generell nicht ohne Selbstkritik funktionieren kann. Wir müssen da mit einem richtig ordentlichen Schuss Selbstkritik in die Abstimmung gehen. Und wir haben die Aufgabe, als größte Oppositionsfraktion Dinge zu hinterfragen.“ Oppositionspolitik sei nicht immer einfach, so der 35-jährige Karlsruher. Die meisten Änderungsanträge würden abgelehnt und im „Plenum niedergeschrien“. Aber es gebe auch kleine Erfolge, an denen man sich orientieren müsse. Allein deswegen sei auch der morgige Änderungsantrag wichtig, um zu zeigen, dass der Union die Apothekerschaft nicht egal sei und sie das Gesetz so nicht hinnehmen würde.  

Podcast: Nachts im Bundestag

Nicolas Zippelius (links) und Yannick Bury (rechts) nehmen regelmäßig Podcast-Folgen auf. | Bild: privat

Wenn es draußen dunkel wird, arbeiten die beiden CDU-Abgeordneten Nicolas Zippelius und Yannick Bury meistens noch – oft bis nach Mitternacht. Im Podcast „Nachts im Bundestag“ berichten Sie, was hinter den Kulissen des Regierungsgebäudes passiert und erklären auch Bundestags-Vokabular wie den Hammelsprung – oft mit aktuellem Bezug.  

Den Podcast finden Sie beispielsweise auf 

Spotify

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Google Podcast etc.

Sind die Apotheker zu „leise“?

Auch die Ärzte sollen mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz an den Sparmaßnahmen beteiligt werden. Konkret: Je schneller Fachärzte einen Termin anbieten können, umso höher soll das Honorar ausfallen, das sie für eine Terminvergabe erhalten. Diese sogenannte „Neupatientenregelung“ hat für großen Unmut und Streiks bei den Ärzten geführt.

Doch während die Apotheken mit ihren Protesten gegen die Erhöhung des Kassenabschlags nicht erfolgreich waren, bekommen die Ärzte wohl einen lukrativen Ersatz für die umstrittene Neupatientenregelung. So sollen Haus- und Fachärzte demnach extrabudgetäre Zuschläge zur Versichertenpauschale erhalten, wenn sie Patienten, die durch die Terminservicestellen vermittelt werden, schnell behandeln. Die Zuschläge sollen gestaffelt sein, je nachdem, wie schnell die Behandlung beginnt.

Für die Behandlung von Akutfällen, die spätestens am nächsten Kalendertag nach der Kontaktvermittlung durch die Terminservicestelle zu erfolgen hat, kann dann beispielsweise ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale abgerechnet werden. Die konkrete Höhe ist im Bewertungsausschuss zu vereinbaren. Wenn die Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt, sind bis zu 40 Prozent Zuschlag drin. Außerdem soll der Zuschlag für eine Vermittlung eines Termins bei einem Facharzt auf 15 Euro erhöht werden.

Sind die Apotheker also insgesamt zu „leise“ und hätten mehr tun müssen? CDU-Bundestagsmitglied Nicolas Zippelius hat nicht das Gefühl, dass die Apotheker zu leise sind, die Ärzte seien jedoch besser koordiniert. „Die Apothekerschaft schießt mit vielen Pfeilen in Richtung Regierung, während die Ärzte daraus eine Kanonenkugel formen“, so der Abgeordnete. Deshalb fänden sie vielleicht mehr Gehör. „Meine Erfahrung aus dem Wahlkreis zeigt, hier koordinieren sich die Ärzte besser, ja!“