Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

Corona-Studie: Wie ist Omikron entstanden?

Holzwürfel bilden das Wort Omikron
Seit November 2021 dominiert Omikron das Coronageschehen. Doch wie konnte diese Variante mit zahlreichen Änderungen am Spike-Protein entstehen? | Bild: Stockhausen / AdobeStock 

Nur wenige Wochen nachdem das neuartige Coronavirus in China für immer mehr Fälle von Lungenerkrankungen gesorgt hatte, breitete es sich bereits über die ganze Welt aus. Es folgten Alpha, Beta, Gamma und Delta als Virusvarianten mit hoher Übertragbarkeit. In immer kürzeren Abständen wurden neue Mutationen entdeckt, die kurz nach Entdeckung wieder verschwanden oder das Infektionsgeschehen dominierten – bis Ende 2021 Omikron kam und bis heute geblieben ist. 

Variante mit vielen Änderungen im Spike-Protein

Bereits kurz nach seiner Entdeckung beunruhigte die Omikron-Variante Experten. Denn im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan besaß Omikron eine ungewöhnlich hohe Zahl von circa 30 Aminosäure-Änderungen allein im Spike-Protein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte die Coronavariante (B.1.1.52) als „besorgniserregend“ ein und die EU-Gesundheitsbehörde (ECDC) sorgte sich, dass Omikron die Wirksamkeit der damals verfügbaren Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte. 

Bereits im Dezember letzten Jahres hatte Omikron die zuvor dominierende Delta-Variante verdrängt. Und bis heute kursieren Omikron-Subtypen auf der ganzen Welt. Doch wo hatte Omikron seinen Ursprung?

Omikron-Ursprung im Menschen oder Tier?

Erstmals nachgewiesen wurde Omikron am 9. November 2021 in Südafrika. Und weil Omikron so viele Erbgutveränderungen aufwies, vermuteten Experten, dass die Mutation sich in einem Menschen mit HIV oder einer anderen Form von Immunschwäche entwickelt haben könnte. Denn aufgrund der Immunschwäche könnte sich SARS-CoV-2 über viele Monate vermehrt und schrittweise verändert haben, ohne vom Immunsystem ausgeschaltet zu werden, so die Idee. Auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), hielt dies für denkbar, da ähnliche Befunde in anderen Fällen bereits publiziert worden seien.

Viele HIV-Patienten würden in Afrika nicht ausreichend therapiert, weshalb ihr Immunsystem deutlich geschwächt sei, hatten Experten erläutert. „Die vielen Mutationen sprechen für Entstehung in HIV-Patienten“, hatte auch Karl Lauterbach, damals noch SPD-Gesundheitsexperte, gemeint.

Eine andere Hypothese geht davon aus, dass Omikron sich in Tieren entwickelt habe und dann wieder auf den Menschen übergegangen sei.

Hat sich Omikron schrittweise entwickelt?

Im Fachmagazin „Science“ wurde nun eine Studie der Charité Berlin veröffentlicht, die nahelegt, dass es schon deutlich vor dem ersten Nachweis Omikron-Vorläufer in Afrika gegeben hat. Demnach soll die Mutation schrittweise über mehrere Monate in verschiedenen Ländern Afrikas entstanden sein.

Für diese Studie untersuchten Wissenschaftler um Jan Felix Drexler zusammen mit afrikanischen Kooperationspartnern mehr als 13.000 Corona-Proben aus 22 Ländern Afrikas, die vor der Omikron-Entdeckung in Südafrika und danach gesammelt wurden. Mithilfe eines speziellen PCR-Tests fanden die Forscher Viren mit Omikron-spezifischen Mutationen bei 25 Menschen aus sechs Ländern, die bereits im August und September 2021 an COVID-19 erkrankt waren – also Monate vor dem ersten Nachweis in Südafrika.

Zusätzlich wurde bei rund 670 Proben das virale Erbgut entschlüsselt. Dabei wurden mehrere Viren gefunden, die Ähnlichkeiten mit Omikron aufwiesen, aber nicht identisch waren. „Unsere Daten zeigen, dass Omikron verschiedene Vorläufer hatte, die sich miteinander mischten und zur selben Zeit und über Monate hinweg in Afrika zirkulierten“, erklärt Drexler. „Das deutet auf eine graduelle Evolution der BA.1-Omikron-Variante hin, während der sich das Virus immer besser an die vorhandene Immunität der Menschen angepasst hat.“

Theorie überzeugt nicht alle Experten

Richard Neher, ausgewiesener Fachmann für Virusmutationen, ist von dieser Theorie jedoch nicht überzeugt, wie er auf Twitter schreibt. Bestimmte Daten der Forscher würden ihre These der schrittweisen Entwicklung von Omikron nicht stützen, meint der Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel. Auf Twitter erläutert er seine Einschätzung so:

Ja, ich möchte Inhalte von Twitter sehen.
Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Zu wenig Diagnostik in Afrika

Aus den Daten schließen die Wissenschaftler außerdem, dass Omikron zuerst in Südafrika das Infektionsgeschehen dominierte und sich dann innerhalb weniger Wochen von Süd nach Nord über den afrikanischen Kontinent ausbreitete.

„Das plötzliche Auftreten von Omikron ist also nicht auf einen Übertritt aus dem Tierreich oder die Entstehung in einem immunsupprimierten Menschen zurückzuführen, auch wenn das zusätzlich zur Virusentwicklung beigetragen haben könnte“, lautet Drexlers Fazit. „Dass wir von Omikron überrascht wurden, liegt stattdessen am diagnostischen blinden Fleck in großen Teilen Afrikas, wo vermutlich nur ein Bruchteil der SARS-CoV-2-Infektionen überhaupt registriert wird.“ Quelle: dpa