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Wechsel von Digitoxin zu Digoxin: Worauf ist zu achten?

Blüten des Fingerhuts
Der Wechsel von Digitoxin zu Digoxin ist nicht ganz unproblematisch. | Bild: ontronix / AdobeStock

Digitoxin kommt, wenn auch nicht als Mittel der ersten Wahl, in der Therapie der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Funktion und bei Vorhofflimmern zum Einsatz. 

Bereits seit Anfang September 2022 sind Digitoxin-Präparate nur noch schwer zu bekommen. Ist ein Absetzen der Medikation keine Option, kann auf ein anderes Digitalisglykosid, wie Digoxin, Metildigoxin oder Beta-Acetyldigoxin, umgestellt werden. 

Metildigoxin und Beta-Acetyldigoxin werden, zumindest teilweise, im Körper zu Digoxin metabolisiert. Dadurch teilen sich alle drei Substanzen eine pharmakokinetische Eigenschaft: Im Gegensatz zu Digitoxin wird Digoxin vorwiegend (80%) renal eliminiert. Die Ausscheidung über die Niere ist jedoch ungünstig, da das Präparat hauptsächlich bei älteren Menschen und somit in einem Patientenkollektiv mit nachlassender Nierenfunktion eingesetzt wird.

Da alle Digitalisglykoside eine enge therapeutische Breite haben, sollte man in der Beratung einen Blick auf Risikogruppen und Symptome einer Überdosierung werfen, um betroffene Patienten entsprechend beraten zu können.

Erst letzte Woche ist Frau B. nach einer zweiwöchigen Auswaschphase von Digitoxin auf Beta-Acetyldigoxin umgestellt worden. Heute hat sie ihren Ehemann in die Apotheke geschickt, um ihr eine Packung Loperamid zu besorgen. Sie vermutet, etwas Falsches gegessen zu haben. Das Apothekenpersonal hat jedoch einen anderen Verdacht, denn gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall können auch auf eine Überdosierung von Digitalisglykosiden hindeuten. Auf Rückfrage gibt Herr B. auch an, seine Frau hätte sich beklagt „irgendwie komisch zu sehen“, dies aber auf den Flüssigkeitsverlust zurückgeführt. In der Apotheke erhält Herr B. den Rat, mit seiner Frau rasch den Arzt aufzusuchen.

Symptome einer Digitalisglykosid-Überdosierung

In der Fachinformation von Lenoxin® (Wirkstoff Digoxin, Stand September 2019) ist Folgendes zu lesen: „Bei Überdosierung können, individuell verschieden, die allgemein von Digitalisglykosiden bekannten kardialen, gastrointestinalen und zentralnervösen Nebenwirkungen auftreten. Eine typische Reihenfolge des Auftretens der Symptome gibt es nicht.“

Zu den möglichen kardialen Symptomen zählen Herzrhythmusstörungen. Im Bereich des Gastrointestinaltrakts können Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen auftreten, wobei insbesondere Übelkeit „als frühes Zeichen einer übermäßig hohen Dosierung angesehen werden“ sollte. 

Nebenwirkungen, die das Zentralnervensystem (ZNS) betreffen, sind beispielsweise Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Verwirrtheit und eine Veränderung des Farbsehens (Gelb-/Grünsehen).

Welche Personen sind besonders von einer Überdosierung bedroht?

Für alle Patienten gilt: Nach der letzten Digitoxin-Tablette sollte eine zweiwöchige Digitalisglykosidpause erfolgen. Diese ist aufgrund der langen Halbwertszeit (circa 7 Tage) des Wirkstoffes Digitoxin erforderlich.  

Besonders anfällig für eine Überdosierung sind geriatrische Patienten und Menschen mit einer eingeschränkten Nierenfunktion. Sie sollten eine reduzierte Dosis erhalten. Ebenfalls gefährdet sind Frauen und Patienten mit einem geringen Körpergewicht, heißt es in der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie „Lieferengpass Digitoxin“. Auch Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Elektrolytstörung (Achtung bei Durchfall, Erbrechen sowie Exsikkose) geraten schneller in den Bereich der Überdosierung.

Was ist bei Digitoxin kontraindiziert?

Läuft der Umstieg von Digitoxin glatt, wäre es umso ärgerlicher, würde der Wirkspiegel ausgerechnet durch eine missglückte Selbstmedikation durcheinandergebracht werden. Vorsicht ist insbesondere bei Präparaten geboten, die Einfluss auf das Elektrolytgleichgewicht haben. 

Calcium darf unter einer Digitalisglykosid-Therapie laut Fachinformation keinesfalls intravenös (i.v.) angewendet werden. Eine orale Supplementierung erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht unkritisch. Gleiches gilt für die Einnahme von Vitamin D3, die ebenfalls den Calciumspiegel erhöht. 

Auch Laxanzien können bei übermäßigem Gebrauch den Elektrolytspiegel verschieben und zu einer Verstärkung der Glykosidtoxizität führen.