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Checkliste für Fachkreise: Blaue Hand: Anwendungs­hinweise für Methotrexat

Packungen von metex Injektionslösung und metex Pen auf Apothekentisch
Bei der Anwendung von Methotrexat gilt es einiges zu beachten. | Bild: IMAGO / Gutschalk

Berichtet in der Apotheke jemand unter Methotrexat-Therapie über Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie Schleimhautläsionen, sollten in der Apotheke die Alarmglocken läuten. Denn auch wenn Ihnen zu den Symptomen sicherlich zahlreiche hilfreiche Präparate einfallen, empfehlen sollten Sie diese erst einmal nicht, sondern zunächst weiter nachfragen. Der Grund: die Symptome können auf eine Überdosierung von Methotrexat (MTX) hinweisen. 

Falsche Einnahme als Ursache

Insbesondere bei oraler Anwendung von Methotrexat werden immer wieder Fälle berichtet, in denen das Folsäureanalogon jeden Tag statt einmal wöchentlich eingenommen wird. Das Giftinformationszentrum Nord der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen dokumentierte sogar einen Fall, bei dem eine Frau versehentlich 4,5 Monate täglich 5 mg Methotrexat einnahm. 

Während einige Patienten asymptomatisch bleiben und glimpflich davonkommen, verlaufen andere Fälle besonders tragisch und enden tödlich.

Symptome einer Methotrexat-Vergiftung

Der Übergang zwischen Nebenwirkungen und Symptomen einer Methotrexat-Intoxikation ist fließend. Betroffen sind vor allem Zellen mit einer hohen Proliferationsrate, sodass sich Intoxikationen an den Schleimhäuten sowie im Blutbild zeigen. 

Patienten klagen typischerweise über Beschwerden wie 

  • Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis), 
  • Entzündung der Schleimhäute (Mukositis) oder 
  • beispielsweise Durchfall. 

Eine chronische Intoxikation kann aber auch als schwere Infektion mit Fieber oder durch ungewöhnliche Schwäche zutage treten. Denn durch die Störung des Knochenmarks treten nach etwa einer Woche hämatologische Symptome auf und die Zahl der Leukozyten, Erythrozyten und/oder Thrombozyten fällt ab. Sind alle drei Blutzellreihen betroffen, sprechen Ärzte von einer Panzytopenie.

Das Tückische: Diese Beschwerden halten nach dem Absetzen rund zwei Wochen an. Zusätzlich wirkt Methotrexat nephro-, neuro- und hepatotoxisch sowie teratogen. 

Wichtig: Aufklärung über Anzeichen einer MTX-Überdosierung

Rechtzeitig erkannt, sind die Methotrexat-Nebenwirkungen reversibel. Als Antidot steht Folinsäure zur Verfügung und auch die Alkalisierung des Harns kann sinnvoll sein. Es lohnt sich also, im Kundengespräch resolut nachzufragen und die Betroffenen über die Anzeichen einer Überdosierung aufzuklären. 

Genau darauf weist auch eine behördlich genehmigte Checkliste – mit dem Blaue-Hand-Logo – für Fachkreise hin. Hersteller müssen dieses Schulungsmaterial gezielt zur Verfügung stellen, um die Therapiesicherheit zu unterstützen und ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu gewährleisten. 

Zur Erinnerung: Was ist die Blaue Hand?

Seit 2016 ergänzt die Blaue Hand die Rote und kennzeichnet behördlich angeordnetes und genehmigtes Schulungsmaterial, wie etwa Checklisten, Patientenausweise, Leitfäden oder Broschüren für Patienten. 

Dies wird immer dann erforderlich, wenn für die sachgerechte Anwendung zusätzliche Informationen erforderlich sind, die über die Fach- und Gebrauchsinformation hinausgehen. Das Material ist beispielsweise Bestandteil sogenannter Risikomanagementpläne und erforderlich, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu gewährleisten.  

Seit der Einführung wird das Angebot stetig erweitert. Das Schulungsmaterial kann auf der Homepage des BfArM beziehungsweise im Fall von biomedizinischen Arzneimitteln wie Antikörpern auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) aufgerufen werden. 

Methotrexat: sorgfältige Beratung in der Apotheke 

Apotheken werden in der offiziellen Blaue-Hand-Checkliste zu Methotrexat explizit angehalten, über die einmal wöchentliche Einnahme aufzuklären. Dazu gehört auch der Hinweis, dass eine fälschlicherweise tägliche Anwendung schlimmstenfalls tödlich endet. 

Außerdem sollen sie den festgelegten Wochentag (ungekürzt) auf der äußeren Verpackung vermerken und auf die enthaltene Patientenkarte aufmerksam machen. Diese betont ebenfalls die einmal wöchentliche Gabe und beschreibt kurz und knapp Vergiftungssymptome. Betroffene sollten die Karte immer bei sich tragen und bei jedem Arzt- oder Klinikbesuch vorzeigen. 

Zusätzlich zu den im Schulungsmaterial genannten Punkten kann in der Apotheke darauf hingewiesen werden, dass ein Wechsel von Tabletten auf Spritzen die Therapiesicherheit verbessern könnte: Denn Spritzen werden im Gegensatz zu Tabletten deutlich seltener versehentlich überdosiert. 

Bei der oralen Gabe besteht dagegen die Möglichkeit, die Wochendosis auf zwei Tage zu splitten, was die Verträglichkeit verbessern kann. Allerdings: „Dagegen spricht die Gefahr der versehentlich täglichen Einnahme, sodass diese Maßnahme nur für sehr aufmerksame Patienten infrage kommt“, erklärte Prof. Dr. med. Christoph Fiehn in der DAZ 35/2021. Ansonsten wendet man MTX am besten am Abend an, um die Nebenwirkungen zu verschlafen. 

Anmerkung der Redaktion:  

Das BfArM weist darauf hin, „dass in dem europäischen Risikobewertungsverfahren von 2019 die Empfehlungen zur Aufteilung der wöchentlichen Dosis auf zwei oder mehrere Einzelgaben aus der Produktinformation für die Tablettenformulierung gestrichen wurden. Dies war eine der Maßnahmen zur Vermeidung von Dosierungsfehlern bei methotrexathaltigen Arzneimitteln.“ 

MTX: Wechselwirkungen und Kontraindikationen beachten

Ebenfalls nicht erwähnt werden in Checkliste und Patientenkarte schwerwiegende Arzneimittelinteraktionen oder die teratogene Wirkung von Methotrexat (MTX). Antibiotika wie Penicilline oder Ciprofloxacin können in Einzelfällen die renale Clearance von Methotrexat reduzieren und so die Toxizität erhöhen. 

Ein Risiko für erhöhte Toxizität besteht auch bei nichtsteroidalen Antiphlogistika, indem sie die MTX-Ausscheidung herabsetzen. Aber auch durch eine Verdrängung aus der Plasmaproteinbindung können bei Anwendung anderer proteingebundener Arzneimittel wie Salicylate oder Diuretika vermehrt Nebenwirkungen auftreten.

Frauen im gebärfähigen Alter sollten außerdem beachten, dass Methotrexat in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert ist und sie zuverlässig verhüten müssen. Bei Kinderwunsch werden ein bis drei Monate Pause vor Eintritt einer Schwangerschaft empfohlen. 

In der Fachinformation von Lantarel-Tabletten (Stand Juni 2022) heißt es jedoch: „Wenn Frauen im gebärfähigen Alter behandelt werden, müssen sie während der Therapie und für mindestens sechs Monate danach eine effektive Methode zur Empfängnisverhütung praktizieren.“

Kurzum: Methotrexat ist beratungsintensiv, interaktions- und nebenwirkungsträchtig. Das behördlich genehmigte Schulungsmaterial mit dem Blaue-Hand-Logo sollte gezielt genutzt werden, um Vergiftungsfälle zu verhindern. Nur darauf beschränken darf sich das Apothekenpersonal in der Beratung jedoch nicht – schließlich gibt es viele weitere Aspekte, die die Arzneimitteltherapiesicherheit betreffen.