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Was Querschnittsgelähmte vor Thrombose schützt

Person in Rollstuhl
Forscher untersuchten, warum Gelähmte keine Thrombosen entwickeln. | Bild: mapo / AdobeStock

Wer sich nach einem Bruch oder infolge einer Krankheit längere Zeit nicht richtig bewegen kann, ist thrombosegefährdet. Immobilität ist einer der größten Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie mit lebensgefährlichen Folgen. 

Umso widersprüchlicher erscheint es da, dass querschnittsgelähmte Menschen keine Thrombose bekommen – auch wenn sie über Jahre nahezu bewegungslos sind. 

Braunbären in der Winterruhe helfen das Rätsel zu lösen

Eine ähnliche Situation findet sich im Tierreich: Auch Tiere, die eine lange Winterruhe halten, wie zum Beispiel Braunbären, entwickeln keine Blutgerinnsel. Braunbären in Schweden dienten daher einem internationalen Wissenschaftsteam unter Leitung von Kardiologen des LMU-Klinikums München als Forschungsobjekte. 

Die Forscher entnahmen den Bären Blutproben – zum einen während der Aktivitätsphase im Sommer, zum anderen während der fast regungslosen Winterruhe. Jedoch zeigte die Analyse hier keine relevanten Unterschiede im plasmatischen Gerinnungssystem. 

Doch wie lässt sich das Ausbleiben von Thrombosen bei winterschlafenden Braunbären dann erklären? Dieses Geheimnis deckten die Forscher auf, als sie die Blutplättchen genauer unter die Lupe nahmen. Dabei stellt sich heraus: Im Braunbärenkörper wird während der Winterruhe die Interaktion zwischen den Blutplättchen und Entzündungszellen des Immunsystems reduziert. 

Hitzeschockprotein wird herunterreguliert

Die Wissenschaftler fanden auch den molekularen Mechanismus hinter diesem Schutzeffekt. So wurden in Winterruhe gegenüber der Sommeraktivität zahlreiche Blutplättchenproteine hoch-, andere herunterreguliert. 

Ein bestimmtes Protein ragte dabei besonders heraus: das sogenannte Hitzeschockprotein 47 (kurz HSP47). Es war in den überwinternden Bären um das 55-Fache herunterreguliert. HSP47 ist in der Lage, Entzündungszellen zu aktivieren. Umgekehrt reduzierte sich durch den verringerten HSP47-Level die Aktivität der Entzündungszellen, und es entstand keine Thrombose.

Chance auf neue Therapiemöglichkeiten?

Die Forscher konnten zeigen, dass es sich bei dieser Entdeckung um einen artübergreifenden Schutzmechanismus bei Säugetieren handelt: Unter Langzeit-Immobilisation fand sich die HSP47-Reduktion zum Beispiel auch bei Schweinen und Menschen – etwa bei querschnittsgelähmten Menschen nach der Akutphase der ursprünglichen Verletzung.  

Möglicherweise eröffnet diese Erkenntnis neue therapeutische Optionen. Könnte man nämlich das HSP47 mit einem passenden Molekül blockieren, wären womöglich auch immobilisierte Akutpatienten vor einer venösen Thrombose geschützt. Die Wissenschaftler wollen nun nach dafür geeigneten Substanzen suchen. Quellen: Klinikum der Universität München; Max-Planck-Institut für Biochemie