Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

Was ist eigentlich die Glasknochenkrankheit?

Frau hält eingegipsten linken Unterarm
Insbesondere in der Pubertät erleiden Betroffene der Glasknochenkrankheit viele Brüche. | Bild: smile35 / AdobeStock

Der Begriff „Glasknochenkrankheit“ schafft ein eindrückliches Bild: Wer daran leidet, hat Knochen, die brüchig sind wie Glas. Auch der medizinische Fachbegriff „Osteogenesis imperfecta“ („unvollkommene Knochenbildung“) bringt die Knochenstörung deutlich zum Ausdruck. Doch die Symptomatik der Osteogenesis imperfecta geht weit über fehlgebildete Knochen hinaus. An der seltenen Erkrankung leiden in Deutschland zwischen 4.000 und 6.000 Menschen. 

Wie entsteht die Glasknochenkrankheit?

Die Osteogenesis imperfecta ist eigentlich eine Bindegewebsstörung. Sie hat genetische Ursachen: In der überwiegenden Zahl der Fälle sind jene Gene mutiert, die für die Synthese von Kollagen Typ 1 wichtig sind. 

Der Kollagenmangel führt unter anderem zu einer gestörten Knochenmatrix. Das richtungsweisende Symptom der Glasknochenkrankheit ist daher eine hohe Knochenbrüchigkeit. Dass zu wenig Knochenmasse gebildet wird, zeigt sich auch im Röntgenbild: Die Knochen erscheinen dort milchglasartig transparent. 

Krankheitsverlauf der Glasknochenkrankheit

Durch die fehlerhafte Knochenstrukturierung sind vor allem die langen Röhrenknochen an Armen und Beinen sowie die Wirbelsäule nicht stabil und elastisch genug. Sie können sich verformen und leicht brechen. Das kommt vor allem beim starken Wachstum in der Pubertät vor. 

Je nach Ausmaß des Kollagenmangels prägt sich die Erkrankung aber ganz unterschiedlich aus. So erleiden Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf schon bei geringen Belastungen Brüche, etwa wenn sie einen Hustenanfall bekommen oder sich im Bett umdrehen. 

Ihre Gliedmaßen, der Brustkorb und der Kopf sind meist stark deformiert und sie sind ausgeprägt kleinwüchsig. Die meisten der schwer betroffenen Patienten benötigen den Rollstuhl. 

Bei den häufigeren milderen Krankheitsverläufen bleiben die Knochen nach der Pubertät stabiler und brechen nicht mehr so leicht. Viele Patienten können dann ein nahezu normales Leben führen.  

Weitere Symptome: Auch Augen, Zähne und Atmung betroffen

Der Kollagenmangel wirkt sich aber nicht nur auf die Knochenbildung aus. Auch das gesamte Bindegewebe mit Muskeln, Sehnen, Bändern und Knorpel ist in Mitleidenschaft gezogen. Die Folgen sind unter anderem schwache Muskulatur, Überstreckbarkeit der Gelenke und Neigung zu Hämatomen. 

Ist die Atemmuskulatur unzureichend ausgebildet, kann es auch zu Atemnot kommen. Ebenso können Gefäße erweitert und insuffizient sein, insbesondere die Aorta. Der Kollagenmangel macht sich außerdem an den Augen durch eine Blaufärbung der Sklera (Lederhaut) bemerkbar. Das Augenweiß erscheint deshalb etwas bläulich. Auch die Zahnbildung kann gestört sein. Die Zähne sind dann gelb oder bräunlich verfärbt und zudem brüchig. 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Die vor allem im Jugendalter häufigen Knochenbrüche heilen genauso gut wie bei gesunden Gleichaltrigen. Bei komplizierten Frakturen kommen oft sogenannte Teleskopnägel zum Einsatz. Ihre zwei ineinandergeschobenen Teile können während des Wachstums auseinandergleiten und den Knochen stabilisieren.

Die Glasknochenkrankheit ist bisher nicht heilbar. Auch gibt es keine krankheitsspezifische Therapie. Bei mittlerem bis schwerem Krankheitsverlauf hat es sich bewährt, Bisphosphonate (z. B. Alendronat oder Pamidronat) intravenös zu verabreichen. Damit werden Knochen fester. 

In Studien wirkte sich auch das Osteoporosemittel Denosumab, ein monoklonaler Antikörper, positiv auf die Knochendichte aus. Unerlässlich und wichtigste Behandlungsmaßnahme sind aber regelmäßige Physiotherapie und Bewegung. Damit lässt sich stützendes Muskelgewebe aufbauen und Skelettveränderungen vorbeugen. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) Betroffene e.V. (DOIG); DocCheck; Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE); PTAheute 13&14/2022; Arzneiverordnung in der Praxis, August 2022 

Glasknochenkrankheit in Kürze

  • Medizinisch als Osteogenesis imperfecta bezeichnet; seltene, genetisch bedingte Bindegewebs- und Knochenbildungsstörung; hervorstechende Merkmale sind verringerte Knochendichte mit erhöhter Knochenbrüchigkeit und Skelettverformungen.
  • Ursache: gestörte Kollagensynthese aufgrund verschiedener Mutationen
  • Unterschiedlich schwer ausgeprägte Krankheitsformen; bei leichterem Verlauf meist Besserung nach Pubertät; bei schwerem Verlauf häufige Frakturen, ausgeprägte Knochendeformationen, starker Minderwuchs
  • Weitere Krankheitssymptome: Muskelschwäche, überdehnbare Gelenke, häufige Blutergüsse, blau schimmerndes Augenweiß, Blutgefäßerweiterungen, braune Zähne, Schwerhörigkeit
  • Nicht heilbar; Behandlung mit Physiotherapie und medikamentösem Off-Label-Einsatz von Bisphosphonaten