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Glucura: Vierte DiGA für Typ-2-Diabetes

Junge Frau mit Glucose-Sensor am Arm hält Smartphone in der Hand
Auf Basis seiner Gewebeglukose-Werte erhält der Patient Ernährungsempfehlungen von Glucura. | Bild: Andrey Popov / AdobeStock

Mit der neuen Anwendung „glucura“ listet das BfArM-Verzeichnis eine neue digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Für sie standen bislang drei Anwendungen im DiGA-Verzeichnis – und damit auf Kassenkosten – zur Verfügung. 

Während „vitadio“ darauf abzielt, die Kontrolle eines Typ-2-Diabetes zu verbessern und dadurch potenzielle Komplikationen zu verhindern, soll „HelloBetter Diabetes und Depression“ dazu beitragen, die depressive Symptomschwere bei Personen mit Typ-1- bzw. Typ-2-Diabetes zu reduzieren. „mebix“ versteht sich als „tertiäre Prävention“ und verfolgt das Ziel, den Lebensstil der Nutzenden positiv zu verändern. 

Glucura: individuelle Ernährungsempfehlungen bei Diabetes

Glucura ist für erwachsene Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 indiziert, die nicht mit Insulin behandelt werden. Die DiGA ist für die Betriebssysteme Apple iOS ab Version 14.0 und Google Android ab Version 8.0 verfügbar.

Laut Hersteller Perfood zieht Glucura als erste DiGA individuelle Glukose-Messungen heran, um personalisierte Ernährungsempfehlungen vorzuschlagen. Dafür müssen die Patienten zunächst ihre Gewebeglukose-Werte mittels Continuous-Glucose-Monitoring (CGM)-Sensor über zehn Tage lang messen. 

In dieser Zeit sollten sich die Nutzer wie gewohnt ernähren und ein Ernährungs- und Aktivitäten-Tagebuch per Glucura-App führen. Die DiGA analysiert im Anschluss die Daten über einen speziellen Algorithmus und errechnet individuelle Empfehlungen für die Ernährung. 

Den Patienten werden anschließend personalisierte Wochenziele vorgeschlagen und sie können festlegen, auf welche Ziele, z. B. Ernährung oder Bewegung, sie sich fokussieren wollen. Auch Rezept- und Bewegungstutorials finden die Anwender in der App und sie erhalten Informationen zu ihrer Erkrankung, ausgewogener Ernährung und Bewegung. 

Die DiGA steht den Patienten für jeweils drei Monate zur Verfügung und kann bei Bedarf neu verordnet werden. Die eingegebenen Daten können auch exportiert und den Ärzten als PDF zur Verfügung gestellt werden.

Glucura zunächst vorläufig im DiGA-Verzeichnis gelistet

Hersteller einer DiGA müssen bestimmte Vorgaben erfüllen, damit sie ins BfArM-Verzeichnis aufgenommen werden, nur dann übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine Verordnung. 

Im Gegensatz zu nicht regulierten Gesundheits-Apps sind die Anforderungen bei DiGA streng geregelt. Unter anderem muss auch ein positiver Versorgungseffekt, also der medizinische Nutzen, durch den Hersteller nachgewiesen werden. 

Allerdings können die dazu notwendigen Studien nachträglich (in der Regel innerhalb von zwölf Monaten) eingereicht werden. Für eine vorläufige Listung reichen Pilotstudien, die zeigen, dass ein positiver Versorgungseffekt anzunehmen ist. 

Auch die Anwendung Glucura ist zunächst vorläufig gelistet. In einer Pilotstudie mit 64 Probanden wurde laut Pressemitteilung des Herstellers gezeigt, dass bei Anwendung der DiGA über drei Monate, der HbA1c- Wert im Vergleich zur Standardbehandlung um –0,79 Prozentpunkte gesunken ist. 

Doppelt so viele Patienten waren nach Anwendung von Glucura im therapeutischen Zielbereich (definiert als HbA1c-Wert < 7,0 %) als vor der Anwendung (61 % vs. 31 %). 34 % von ihnen erreichten einen HbA1c-Wert von unter 6,5 % und der BMI nahm um mehr als einen Punkt ab. Die Wirksamkeit wird derzeit in einer randomisierten, kontrollierten, zweiarmigen Studie überprüft.

Zur Erinnerung: Was ist der HbA1c?

HbA1c steht für Hämoglobin A1c und beschreibt den Teil des Hämoglobins, der Zucker binden kann. Wie viel Glucose sich an Hämoglobin bindet, hängt von der Höhe des Blutzuckerspiegels ab. Diagnostisch ist der HbA1c-Wert als Langzeitblutzucker wertvoll, da er Aufschlüsse über die Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zwölf Wochen gibt. Dies entspricht der Lebensdauer der roten Blutkörperchen (Erythrozyten).

Der HbA1c wird in Prozent angegeben und beschreibt den Anteil am Gesamthämoglobin. Bei Gesunden liegt der HbA1c-Wert bei 5 Prozent, die Grenze für einen Diabetes zieht man bei einem Wert ab 6,5 Prozent. /cb

Wie erhalten Diabetes-Patienten die DiGA?

Diabetes-Patienten können sich ein Rezept für Glucura von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt ausstellen lassen und dieses per App, E-Mail oder Post an ihre gesetzliche Krankenkasse schicken. 

Diese stellt daraufhin einen Freischaltcode aus, den die Nutzer auf der Website www.glucura.de eingeben können. Daraufhin wird ihnen der CGM-Sensor mit weiterem Infomaterial per Post zugestellt. 

Anschließend laden sich die Nutzer die Glucura-App sowie die App des jeweiligen CGM-Sensorherstellers herunter. Alternativ können Patienten mit bereits nachgewiesener Diabetesdiagnose und Ausschluss einer Insulin-Behandlung (z. B. durch einen Arztbrief) diesen Nachweis direkt im Online-Mitgliederbereich oder in der Krankenkassen-App hochladen.

BAH wünscht DiGA-Beratung in Apotheken

Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) sieht Apotheken bei der Beratung zu DiGA mit Arzneimittelbezug als Ansprechpartner der ersten Wahl. In einer Stellungnahme zum kürzlich vorgelegten Entwurf des Digitalgesetzes schreibt der BAH: „DiGA haben sich als beratungsintensive Leistungen für Versicherte und Leistungserbringer herausgestellt.“ Der persönliche Kontakt zu Beratungsangeboten sei jedoch limitiert und gerade nicht IT-affine Versicherte benötigten einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Beratungsleistungen. „Hier haben sich bereits während der Coronazeit Apotheken als verlässliche und hochkompetente Anlaufstellen bewährt.“

Diesen Service sollen die Apotheken allerdings freiwillig erbringen können. Denn ein solches Beratungsangebot zu etablieren, könne sich zunächst nicht jede Apotheke leisten. Zudem gelte es, die Apotheken dafür fair zu bezahlen. „Der Aufwand, diese Beratungsqualität aufzubauen und anzubieten, muss in einem ausgewogenen Verhältnis zur Vergütung des Services stehen“, unterstreicht der Verband. /cg, sn