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Verschärfter Einsatz von Antibiotika: Schwere Nebenwirkungen unter Fluorchinolonen

Neben Gelenkschmerzen und Tendinitis kann die Anwendung von Fluorchinolon-Antibiotika das Risiko für psychiatrische Reaktionen – insbesondere suizidale Gedanken und suizidales Verhalten – erhöhen. | Bild: KMPZZZ / AdobeStock

Im Juni vergangenen Jahres erinnerte ein Rote-Hand-Brief an die Anwendungsbeschränkungen von systemisch und inhalativ angewendeten fluorchinolonhaltigen Antibiotika – namentlich Ciprofloxacin, Delafloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin:

„Systemisch und inhalativ angewendete Fluorchinolone sind mit sehr seltenen, schwerwiegenden, die Lebensqualität beeinträchtigenden, lang anhaltenden (über Monate oder Jahre andauernd) und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen assoziiert. Diese Produkte sollten nur für die zugelassenen Indikationen (viele davon beschränkt auf die Behandlung der letzten Wahl bei Patienten und Patientinnen, für die es keine alternativen therapeutischen Optionen gibt) und nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung für den einzelnen Patienten verschrieben werden.“

Rote-Hand-Brief zu systemisch und inhalativ angewendeten fluorchinolonhaltigen Antibiotika: Erinnerung an die Anwendungsbeschränkungen, 07.06.2023

Auch die britische Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) machte im August 2023 darauf aufmerksam, Fluorchinolone aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen nicht für milde, mittelschwere oder selbstlimitierende Infektionen zu verordnen, wenn andere geeignete Antibiotika zur Verfügung stehen.

Solche Nebenwirkungen können sein:

  • Entzündungen der Sehne (Tendinitis)
  • Sehnenruptur
  • Gelenkschmerzen (Arthralgie)
  • Schmerzen in den Extremitäten
  • Gangstörungen
  • Neuropathien mit Parästhesien (schmerzhafte Körperempfindung ohne erkennbaren Grund)
  • Depressionen
  • Fatigue
  • Gedächtnisstörungen
  • Halluzinationen
  • Psychosen
  • Schlafstörungen
  • Beeinträchtigungen der Sinne (Hören, Sehen, Schmecken und Riechen)

Ende September 2023 warnte die MHRA dann nochmals speziell vor suizidalen Gedanken und suizidalem Verhalten unter Fluorchinolonen.

Psychiatrische Symptome unter Fluorchinolonen

Darauf macht derzeit auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) aufmerksam: „Die Britische Arzneimittelbehörde (MHRA) erinnert an das Risiko psychiatrischer Reaktionen unter Fluorchinolon-haltigen Antibiotika. Diese schließen Depressionen und psychotische Reaktionen ein, die Suizidgedanken und -versuche zur Folge haben können“, heißt es in einer „Drug Safety Mail“ der AkdÄ. 

Die Verschlimmerung bestehender psychiatrischer Symptome sei möglich. Die AkdÄ selbst beschrieb 2004 „vier Fälle von Suizidalität im Zusammenhang mit Fluorchinolonen bei Personen ohne Suizidversuche in der Vorgeschichte“.  

Laut AkdÄ wird das Risiko psychiatrischer Symptome in verschiedenen Fachinformationen zu Fluorchinolonen in Deutschland aufgeführt. Diese könnten bereits nach der ersten Anwendung auftreten. Trifft dies zu, sollte das Fluorchinolon abgesetzt und der behandelnde Arzt aufgesucht werden. 

Es besteht die Gefahr, dass Betroffene die Symptome nicht (als Nebenwirkung) wahrnehmen, daher ist das Umfeld ebenfalls angehalten aufmerksam zu sein.

MHRA empfiehlt Fluorchinolone nur als letzte Wahl

Am 22. Januar hat die MHRA noch ein weiteres Update zu Fluorchinolonen veröffentlicht. Darin heißt es: Fluorchinolon-Antibiotika dürfen nur noch verschrieben werden, wenn andere empfohlene Antibiotika ungeeignet sind. Die MHRA versteht das als eine Verschärfung ihrer Empfehlung vom August 2023. 

Dabei erinnert die MHRA zudem nochmals daran, in welchen Situationen Fluorchinolone besonders gefährlich sind:

  • Bei Patienten, die zuvor schwerwiegende Nebenwirkungen unter Chinolon- oder Fluorchinolon-Antibiotika erlitten haben.
  • Bei Patienten über 60 Jahren und bei Personen mit Nierenfunktionsstörungen sowie Transplantationen, da ein erhöhtes Risiko für Sehnenverletzungen besteht.
  • Bei Glucocorticoid-Behandlung, da damit unter Fluorchinolonen das Risiko für Tendinitis und Sehnenrisse verstärkt wird.

Quellen:
- Rote-Hand-Brief zu systemisch und inhalativ angewendeten fluorchinolonhaltigen Antibiotika: Erinnerung an die Anwendungsbeschränkungen, 07.06.2023, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2023/rhb-fluorchinolone.html

- MHRA: Fluoroquinolone antibiotics: reminder of the risk of disabling and potentially long-lasting or irreversible side effects, 30. August 2023, www.gov.uk/drug-safety-update/fluoroquinolone-antibiotics-reminder-of-the-risk-of-disabling-and-potentially-long-lasting-or-irreversible-side-effects

- MHRA: Fluoroquinolone antibiotics: suicidal thoughts and behaviour, 26. September 2023, www.gov.uk/drug-safety-update/fluoroquinolone-antibiotics-suicidal-thoughts-and-behaviour

- Drug Safety Mail 2024-03 der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vom 22.01.2024, www.akdae.de/service/newsletter/newsletter-archiv/akdae-news/newsdetail/drug-safety-mail-2024-03

- MHRA: Fluoroquinolone antibiotics: must now only be prescribed when other commonly recommended antibiotics are inappropriate, 22. Januar 2024, www.gov.uk/drug-safety-update/fluoroquinolone-antibiotics-must-now-only-be-prescribed-when-other-commonly-recommended-antibiotics-are-inappropriate