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Nach Schockdiagnose aus London: : Was ist eigentlich eine Chemotherapie?

Prinzessin Kate sitzt auf einer Parkbank
In einem bewegenden Statement machte Prinzessin Kate ihre Krebsdiagnose öffentlich. | Bild: IMAGO / Newscom / EyePress

Bei Prinzessin Kate ist nach einer Bauch-Operation im Januar Krebs diagnostiziert worden. Die Ehefrau des britischen Thronfolgers Prinz William bekommt Chemotherapie, wie sie in einer am Freitag veröffentlichten Videobotschaft mitteilte. Das sei ein großer Schock gewesen, sagte die 42-Jährige in ihrem Statement. Zuvor hatte es wochenlang Spekulationen um ihren Gesundheitszustand gegeben.

Die Schwiegertochter von König Charles III., der ebenfalls wegen einer Krebserkrankung behandelt wird, nimmt seit Längerem keine öffentlichen Termine wahr. Nach Angaben des Palasts war Kate Mitte Januar im Bauchraum operiert worden. Eine Diagnose wurde nicht genannt, es hieß damals lediglich, dass es keine Krebserkrankung sei.

Seitdem hatten sich online etliche Spekulationen und Verschwörungserzählungen über ihren Zustand verbreitet.Quelle: dpa 

Was ist eine Chemotherapie?

Die angehende Monarchin wird sich – nach eigenen Angaben präventiv – in den nächsten Monaten einer Chemotherapie unterziehen. Neben der Operation und Strahlentherapie ist die Chemotherapie eine der zentralen Säulen der Krebstherapie. 

Sie umfasst die Behandlung bösartiger Tumoren mit chemischen Substanzen, den sogenannten Zytostatika, die in den Vermehrungszyklus der Krebszellen eingreifen. Die Wirkstoffe der Chemotherapie werden in Form von Infusionen, Spritzen oder Tabletten verabreicht.  

Die Wirkstoffe richten sich vor allem gegen die Erbsubstanz von Zellen, die sich in der Vermehrungsphase befinden und teilungsaktiv sind. Auch gesunde Zellen teilen und vermehren sich, können also durch Zytostatika angegriffen werden. Allerdings ist deren Wirkung bei sich häufig und sehr schnell teilenden Zellen besonders intensiv. 

Da die Teilungsgeschwindigkeit der Zellen vieler Krebsarten sehr hoch ist, befinden sich diese im Allgemeinen häufiger in Teilungsphasen als normale Körperzellen und sind deshalb anfälliger für die Wirkung von Zytostatika.

Wie erfolgt die Chemotherapie? 

Eine Chemotherapie wird in sogenannten Zyklen durchgeführt, wobei Behandlungsphasen mit Behandlungspausen abwechseln (Intervallbehandlung). In einem Zyklus werden die Zytostatika an einem oder mehreren Tagen nacheinander verabreicht. Es schließt sich eine Behandlungspause von mehreren Tagen, Wochen oder Monaten an. 

In der Behandlungspause soll der Körper die Möglichkeit bekommen, angegriffenes normales Gewebe zu regenerieren, das sich meist schneller von einer Chemotherapie erholen kann als Tumorgewebe. 

Durchgeführt werden im Schnitt vier bis sechs Zyklen. Dadurch werden auch solche Tumorzellen erfasst, die sich während vorangegangener Zyklen gerade in einer Ruhephase befanden und deshalb durch die Medikamente nicht beeinflusst werden konnten.

Überblick über die verschiedenen Zytostatika

Wie und mit welchen Mitteln eine Chemotherapie durchgeführt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab und muss für jeden Patienten individuell festgelegt werden.

Oft wird hierbei nicht nur ein einzelnes Mittel eingesetzt, sondern eine Kombination mehrerer Zytostatika mit unterschiedlichen Wirkprinzipien. Dadurch sollen zum einen der Behandlungserfolg optimiert und gleichzeitig die Nebenwirkungen minimiert werden.

 

Alkylanzien / Platinverbindungen

Alkylanzien gehen chemische Verbindungen mit Bausteinen der Erbsubstanz einer Zelle ein und verändern diese: Durch den Einbau sogenannter Alkylgruppen in die Erbsubstanz (Desoxyribonukleinsäure, DNS, DNA) vernetzen sich DNA-Stränge oder sie werden gespalten. 

Außerdem können sich Alkylanzien mit Eiweißen verbinden, die für die Zellteilung wichtig sind. Ist die Erbsubstanz beschädigt oder die Zellteilung gestört, sterben die Tumorzellen ab.

Beispiele:

  • Cyclophosphamid, Ifosfamid, Trofosfamid, Melphalan, Chlorambucil, Bendamustin (Stickstofflost-Derivate)
  • Thiotepa (Aziridine)
  • Busulfan, Treosulfan (Alkylsulfonate)
  • Carmustin, Lomustin, Nimustin, Estramustin (N-Nitrosoharnstoff-Derivate)
  • Cisplatin, Carboplatin, Oxaliplatin (Platin-Derivate)
  • Procarbazin, Dacarbazin, Temozolomid, Trabectedin


Antimetaboliten

Antimetaboliten ähneln natürlichen Stoffwechselbausteinen, sogenannten Metaboliten. Sie binden beispielsweise an Eiweiße (Enzyme), die bestimmte Stoffwechselfunktionen erfüllen. Anders als die Metaboliten sind die Antimetaboliten jedoch funktionslos. Andere Antimetaboliten werden als falsche Bausteine in die Erbsubstanz eingebaut. Sie hemmen somit den Zellstoffwechsel und die Zellteilung.

Beispiele: 

  • Methotrexat, Pemetrexed (Folsäureantagonisten)
  • Cladribin, Fludarabin, Mercaptopurin, Nelarabin, Pentostatin, Tioguanin (Purin-Analoga)
  • 5-Fluorouracil/5-FU, Tegafur, Capecitabin, Cytarabin, Gemcitabin, Azacitidin (Pyrimidin-Analoga)

 

Taxane und andere Mitosehemmer

Mitosehemmer verhindern die Teilung des Zellkerns, die sogenannte Mitose. Im Kern einer Zelle ist die Erbsubstanz auf den Chromosomen gespeichert. Während der Teilung des Zellkerns werden die Chromosomen verdoppelt, dann getrennt und anschließend auf die Tochterzellen aufgeteilt. 

Für diese Aufteilung sind feine Fasern notwendig, die die doppelten Chromosomen zur einen oder anderen Seite der Zelle ziehen. Mitosehemmstoffe stören den Aufbau oder die Funktion dieser Spindelfasern. Damit können sich die Zellkerne und somit die Zellen nicht mehr teilen und vermehren.

Beispiele:

  • Vinblastin, Vincristin, Vindesin, Vinorelbin, Vinflunin (Vinca-Alkaloide und deren Derivate)
  • Paclitaxel, Docetaxel, Cabazitaxel (Taxane)
  • Eribulin (Halichondrin-B-Analogon)

 

Topoisomerase-Hemmer

Die Erbsubstanz (DNA) liegt im Zellkern spiralförmig verpackt vor wie zwei ineinander verdrehte Luftschlangen. Damit die Erbsubtanz vor der Zellteilung vervielfältigt werden kann, müssen die beiden DNA-Stränge getrennt, glatt gezogen und später wieder zusammengefügt werden. Diese Aufgabe übernehmen bestimmte Eiweiße oder Enzyme, die Topoisomerasen.

Topoisomerase-Hemmer sorgen beispielsweise dafür, dass die DNA nach der Vervielfältigung nicht mehr zusammengesetzt werden kann. Es entstehen Brüche in der Erbsubstanz, die Zelle kann sich nicht mehr teilen und stirbt.

Beispiele:

  • Topotecan, Irinotecan (Topoisomerase-I-Hemmer)
  • Etoposid, Etoposidphosphat (Topoisomerase-II-Hemmer)

 

Zytostatisch wirkende Antibiotika

Antibiotika dienen eigentlich der Bekämpfung bakterieller Infektionskrankheiten. Sie sind in der Lage, Bakterien abzutöten. Einige Antibiotika wirken jedoch als sehr starke Zellgifte. Deshalb werden sie auch zur Behandlung von Krebs eingesetzt. 

Diese Antibiotika wirken „zytostatisch“: Sie stören den Aufbau oder die Reparatur der Erbsubstanz DNA in den Zellkernen. Es kommt zu Brüchen in den DNA-Strängen. Außerdem werden die Zellwände beschädigt. Die Zellen können sich nicht mehr teilen und vermehren und sterben ab.

Beispiele:

  • Dactinomycin (Actinomycine)
  • Daunorubicin, Idarubicin, Doxorubicin, Epirubicin (Anthracycline)
  • Bleomycin
  • Mitomycin C
  • Mitoxantron, Amsacrin (synthetische Antibiotika) Quellen: Mutschler Arzneimittelwirkungen (Aufl. 2020), Deutscher Krebsinformationsdienst 

Welche Nebenwirkungen haben Zytostatika?   

Die zellschädigende Wirkung der Zytostatika betrifft nicht nur die Krebszellen, sondern auch alle anderen Zellen, die sich natürlicherweise schnell teilen, beispielsweise Zellen der Schleimhaut, der Haarwurzeln oder des Knochenmarks. 

Die Folge sind Störungen im Verdauungstrakt wie z. B. Entzündungen der Mundschleimhaut, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durchfall und Bauchschmerzen, Veränderungen der Blutwerte mit Blutarmut (Anämie), Blutgerinnungsstörungen und einem erhöhten Infektionsrisiko (Rückgang der weißen Blutkörperchen). 

Auch Haarausfall, anhaltende Erschöpfungszustände (Fatigue), Störungen des Konzentrationsvermögens und Beeinträchtigung des Gedächtnisses, Störungen des Menstruationszyklus bei Frauen, Schädigung der Keimdrüsen und Störung der Fortpflanzungsfähigkeit bei Frauen und Männern sowie eine Steigerung des Risikos für weitere Krebserkrankungen können auftreten.

Die Nebenwirkungen können innerhalb weniger Stunden oder Tage nach dem Behandlungsbeginn auftreten, aber auch erst nach Monaten oder sogar Jahren. Zu welchen Nebenwirkungen es in welchem Umfang kommt, hängt davon ab, welche Zytostatika in welcher Dosierung eingesetzt werden und wie lange die Behandlung dauert. Auch die allgemeine gesundheitliche Verfassung der Patienten spielt eine Rolle. 

Viele Nebenwirkungen können heute durch geeignete begleitende Maßnahmen (Supportivtherapie) verhindert oder zumindest gelindert werden. So gibt es inzwischen Medikamente, die Übelkeit und Erbrechen unterbinden oder die Regeneration von Blutzellen unterstützen. Deutscher Krebsinformationsdienst 

Prinzessin Kate wünscht sich Privatsphäre für ihre Genesung

Dass Prinzessin Kate ihre Krebserkrankung in einer Videobotschaft öffentlich machte, war auch mit einem Wunsch verbunden. „Wir hoffen, dass Sie verstehen werden, dass wir als Familie jetzt etwas Zeit, Raum und Privatsphäre brauchen“, sagte die 42-Jährige. 

Dass zuvor wild über ihre Abwesenheit spekuliert worden war, hat nicht nur eine Debatte über die Privatsphäre der Royals ausgelöst, sondern vor allem über den gesellschaftlichen Umgang mit sozialen Medien.

Wie grausam müsse es sein, sich von einer Operation zu erholen und dann zu hören, dass die eigene Abwesenheit verdächtig wirke, schrieb Autorin Rachel Cooke in der britischen Zeitung „The Observer“. „Wie furchtbar, eine Chemotherapie durchzumachen und zu wissen, dass man – wenn man vor seine Haustür tritt – sehr wahrscheinlich fotografiert wird.“ Quelle: dpa