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Eierstockkrebs: Hoffnung durch künstliche mRNA

In hohlen Händen liegt ein Uterus aus Papier
Die Überlebenschancen bei Eierstockkrebs sind derzeit nicht hoch. | Bild: SewcreamStudio / AdobeStock

Bei Eierstockkrebs, also Ovarialkarzinomen, ist Forschenden der Goethe-Universität und des Universitätsklinikums in Frankfurt ein großer Erfolg gelungen. Sie haben mithilfe von künstlicher mRNA ein wichtiges Protein in der körpereigenen Krebsabwehr funktionsfähig gemacht und konnten damit Tumorzellen vollständig eliminieren. 

Eierstockkrebs – aggressiv und spät entdeckt

Statistisch erkrankt eine von 75 Frauen im Laufe ihres Lebens an Eierstockkrebs. Diese Ovarialkarzinome gelten als besonders aggressiv. Das Tückische daran ist, dass sie meist zu spät erkannt werden. 

Da die Frühstadien oft symptomlos verlaufen, wird die Erkrankung häufig erst in einem der fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert, in denen der Krebs schon „gestreut“ und Metastasen gebildet hat. Bei drei von vier Frauen wird Eierstockkrebs erst dann entdeckt. Daher ist die Prognose für diesen Krebs häufig ungünstig: Lediglich 20–30 % der Patienten mit einem metastasierenden Ovarialkarzinom überleben die nächsten fünf Jahre.

Gut zu wissen: Eierstockkrebsvorsorge

In Deutschland gibt es kein gesetzliches Angebot zur Früherkennung von Eierstockkrebs. Denn: Bisher konnte nicht gezeigt werden, dass Früherkennungsuntersuchungen die Sterblichkeitsrate von Patientinnen mit Eierstockkrebs senken – weder eine Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke durch die Scheide noch die Bestimmung spezieller Tumormarker.

Trotzdem sind folgende Symptome vom Arzt abzuklären, wenn diese gehäuft auftreten:

  • unklare Schmerzen oder Beschwerden im Bauch
  • unbestimmte Verdauungsbeschwerden, Völlegefühl und Blähungen
  • Zunahme des Bauchumfangs ohne Gewichtszunahme (Bauchwassersucht)
  • häufigeres Wasserlassen als bisher üblich
  • Blutungen außerhalb der Monatsregel oder nach den Wechseljahren

Modifizierte mRNA aktiviert Tumorsuppressor

Leider hätte sich daran in den letzten zwei Jahrzehnten nicht wirklich viel geändert, sagt Prof. Klaus Strebhardt, Leiter der Abteilung Molekulare Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Frankfurt. Er und das Team um Dr. Monika Raab, die ebenfalls für diese Abteilung tätig ist, haben womöglich einen neuen Weg gefunden, Eierstockkrebs den Garaus zu machen.

Sie konnten im In-vitro-Modell („im Glas“), aber auch schon im Tierversuch, eine modifizierte mRNA mittels Liposomen in die Krebszellen einbringen, die dort dafür sorgt, dass ein wichtiger Tumorsuppressor – also ein Schutzschild des Körpers gegen Tumorzellen – namens p53-Protein funktioniert und die Krebszelle unschädlich macht.

Bei Eierstockkrebs fehlerhaftes p53-Protein

Auch wenn Eierstockkrebs ein multifaktorielles Geschehen ist und von einigen genetischen Faktoren und Anomalien abhängt, zeigen doch 96 % der Ovarialkarzinom-Patientinnen eine Gemeinsamkeit: Bei ihnen liegt eine Mutation im Tumorsuppressor-Gen p53 vor. 

Aus dem fehlerhaften Gen kann kein funktionsfähiges p53-Protein hergestellt werden. Diese Mutation ist dabei zwar nicht die Ursache der Krebserkrankung, jedoch aber der Unfähigkeit des Körpers, gegen Zellentartungen frühzeitig vorzugehen und malignes – also bösartiges – Wachstum zu verhindern.

Gut zu wissen: Wofür braucht der Körper das p53-Protein?

Das p53-Protein ist ein Tumorsuppressor. Darunter werden Proteine verstanden, die durch ihre Aktivität den Zellzyklus kontrollieren und das Zellwachstum beeinflussen. 

Sie sorgen dafür, dass entartete Zellen wie Krebszellen unschädlich gemacht werden und sich nicht weiter vermehren können. Das p53-Protein ist also eine der wichtigsten Kontrollinstanzen für das Zellwachstum. 

Circa 60 % aller Tumorerkrankungen sind mit p53-Mutationen assoziiert. Mittlerweile gibt es hoffnungsvolle Forschungsansätze, die sich der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit dieses Proteins mithilfe von „molekulare Prothesen“ widmen.

Eine dieser molekularen Prothesen ist die mRNA aus Raabs Forschungsgruppe. Aus dieser stellt die Krebszelle selbst im Rahmen der Proteinbiosynthese ein funktionell einwandfreies p53-Protein her und schaufelt sich damit ihr eigenes Grab.

Zur Erinnerung: Was war nochmal eine mRNA?

mRNA (messenger-Ribonukleinsäure) ist ein einzelsträngiges, fadenförmiges Makromolekül, das zusammen mit der DNA und tRNA (transfer-RNA) eine Schlüsselrolle bei der Proteinbiosynthese spielt.

Die mRNA schreibt dabei den codogenen Strang der DNA ab (Transkription), wandert aus dem Zellkern ins Zellplasma – was die DNA aufgrund ihrer Größe nicht kann – und wird dort durch Ribosomen mithilfe der tRNA wieder zurückübersetzt (Translation).

Dabei ist jedem Basentriplett eine bestimmte Aminosäure zugeordnet, die auf der tRNA sitzt. Jede Aminosäure wird an die vorhergehende geknüpft und es bildet sich eine Aminosäurenkette, die Primärstruktur eines jeden Proteins. 

Durch Falten und Brückenbindung entsteht so das fertige Protein, das einsatzbereit und funktionsfähig ist – sofern richtig codiert und abgelesen wurde. 

mRNA als Krebstherapie – die Idee dahinter

Bei den Patientinnen mit Eierstockkrebs, die eine p53-Mutation zeigen, ist also nicht nur der genetische Code fehlerhaft, sondern auch die abgeschriebene mRNA, die dann ein funktionsloses p53-Protein hervorbringt. 

Der Ansatz der Forschergruppe ist also der: Man fügt in die Zelle eine künstliche mRNA ein, die den Bauplan für ein fehlerfreies p53-Protein enthält.

Da die natürlich vorkommenden mRNA nur eine Halbwertszeit von einigen Minuten bis Stunden haben, nutzen die Forschenden künstlich hergestellte, modifizierte mRNA. Diese sind zum einen wesentlich stabiler und können bis zu zwei Wochen vom Körper genutzt werden, zum anderen kann eine Immunantwort auf das mRNA-Molekül durch die Modifikation abgepuffert werden, sodass keine Entzündungsreaktionen auftreten.

Künstliche mRNA in Tierversuchen erfolgreich eingesetzt

In kleine Fettbläschen – die sogenannten Liposomen – eingebettet, wurde die mRNA zunächst in Krebszellen aus einer Zellkultur injiziert. Die Zellen nutzten daraufhin die künstliche mRNA, um ein fehlerfreies p53-Protein herzustellen. 

Als das glückte, züchtete das Team aus Krebszellen von Ovarialkarzinom-Patientinnen, die vom Universitätsklinikum Frankfurt zur Verfügung gestellt wurden, winzig kleine Eierstock-Tumoren. Die liposomal verkapselte mRNA sorgte auch in diesen sogenannten Organoiden dafür, dass das p53-Protein seine Funktion ausüben konnte. Die Tumor-Organoide schrumpften nach der Behandlung und begannen abzusterben. 

Gleiches konnte im Tiermodell mit Mäusen beobachtet werden. Zunächst wurden menschliche Ovarialtumorzellen in die Eierstöcke von weiblichen Tieren eingebracht. Nach einer Zeit verabreichte man den Mäusen die künstliche mRNA und die angewachsenen Tumoren und sogar die Metastasen verschwanden nahezu vollständig.

Forschungsergebnisse mit mRNA machen Hoffnung

Jetzt muss sich zeigen, ob diese Technologie auch klinische Anwendung findet und Patientinnen vom Krebs befreit werden können. Strebhardt und Raab suchen nun nach Projektpartnern für diese Phase der Studie. 

Die aktuellen Ergebnisse stimmen hoffnungsvoll – zu Recht. Vielleicht lässt sich mit dieser neuen Art und Qualität der Krebstherapie im Kampf gegen die aggressiven Ovarialkarzinome doch noch die Oberhand gewinnen. Quellen:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/mrna-wirkstoff-bekaempft-erfolgreich-eierstockkrebs-in-maeusen/
https://flexikon.doccheck.com/de/MRNA
https://flexikon.doccheck.com/de/P53
https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/eierstockkrebs.php