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Zum Deutschen Venentag am 20. April: Venenleiden: Welche Phytopharmaka helfen?

PTA am HV im Gespräch mit einer Kundin
Kunden mit Venenbeschwerden sollten in der Beratung ausgiebig über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten aufgeklärt werden. | Bild: Schelbert / PTAheute

Die Arterien transportieren das Blut vom Herzen in den Körper und mit Hilfe der Venen gelangt dieses Blut dann wieder zurück zum Herzen. Der Transport erfolgt hierbei entgegen der Schwerkraft, daher sind die Beinvenen besonders gefordert. Die Muskelpumpe der Beinmuskulatur hilft dabei mit. Wichtig sind auch die Venenklappen, denn sie sorgen dafür, dass das Blut nicht zurück in die Gefäße fließt. 

Bei einer Venenschwäche staut sich das Blut in den Beinen und Flüssigkeit kann in das umliegende Gewebe austreten. Schweregefühl in den Beinen, Kribbeln oder Juckreiz sowie nächtliche Wadenkrämpfe sind häufig erste Symptome bei einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI). 

Im weiteren Verlauf kann es zu Krampfadern, Venenentzündungen und Venenthrombosen kommen. Bei diesen gefährlichen Thrombosen bilden sich Blutgerinnsel in einer Vene, die z. B. in der Lunge zu einer Lungenembolie führen können.

Gut zu wissen: Was sind die Ursachen für Venenbeschwerden?

Die Auslöser für venöse Erkrankungen sind vielfältig. Übergewicht, sitzende und stehende Tätigkeit, Rauchen sowie genetische Faktoren fördern die Entstehung einer Venenschwäche. 

Frauen sind generell häufiger betroffen, insbesondere hormonelle Veränderungen während einer Schwangerschaft können Venenbeschwerden begünstigen. Auch treten die Beschwerden mit zunehmendem Alter häufiger auf.

Mit Venenbeschwerden wann zum Arzt?

Oft kommen Patienten mit Venenbeschwerden zunächst in die Apotheke. Leichte Beschwerden können gut zunächst im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden. 

Patienten mit Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herz- und Nierenerkrankungen sollten eine Venenschwäche jedoch zunächst ärztlich abklären lassen, ebenso bei stärkeren Unterschenkelödemen und Hautverfärbungen.

Wie sieht die Therapie bei Venenbeschwerden aus?

Die meisten Ärzte empfehlen bei einer Venenschwäche eine Kombination aus Kompressionstherapie, physikalischen und pharmakologischen Maßnahmen. 

Bei der Kompressionstherapie wird die Durchblutung der Beine verbessert, indem Stütz- oder Kompressionsstrümpfe die Funktion der Venenklappen stimulieren. 

Stützstrümpfe üben einen geringeren Druck aus und sind für Venengesunde gedacht, die beispielsweise auf Reisen die Funktion ihrer Venen unterstützen möchten. Kompressionsstrümpfe gibt es in verschiedenen Kompressionsklassen, sie üben einen deutlich stärkeren Druck auf die Beine aus. 

Zu den physikalischen Therapieverfahren gehören kalte Güsse und Wassertreten zur Anregung der Durchblutung, Venengymnastik zur Aktivierung und das Hochlagern der Beine.

Welche oralen Venentherapeutika können empfohlen werden?

Pflanzliche Venenmittel wirken antiphlogistisch, antioxidativ und vermindern den Austritt von Flüssigkeit durch die Gefäße der Venen. Aufgrund dieser antiexsudativen Eigenschaft werden Venentherapeutika auch als Ödemprotektiva bezeichnet. 

Laut der Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Varikose“ gelten Phytopharmaka mit standardisierten Extrakten aus Rotem Weinlaub und Rosskastaniensamen sowie solche mit der halbsynthetischen Substanz Oxerutin als empfehlenswert. Für diese Wirkstoffe liegen kontrollierte Studien vor, in denen eine Linderung der Beschwerden wie Schmerzen, Kribbeln, Juckreiz und Schweregefühl in den Beinen sowie eine Rückbildung der Schwellung gezeigt werden konnte.

Phytopharmaka bei venösen Erkrankungen:

WirkstoffArzneipflanzePräparateDosierung
Trockenextrakt aus roten Weinrebenblättern mit Flavonoiden, Anthocyanen und GerbstoffenRotes Weinlaub (Vitis vinifera)
  • Antistax® extra Venentabletten
  • Antiveno® Venentabletten
1 bis 2 Tabletten morgens vor dem Frühstück
Trockenextrakt aus Rosskastaniensamen mit AescinRosskastanie (Aesculus hippocastanum)
  • Venostasin® retard
  • Venentabs-ratiopharm® Retardtabletten
  • Venoplant® retard S
2-mal täglich 1 Retardtablette vor dem Essen
OxerutinJapanischer Schnurbaum (Sophora japonica)
  • Venoruton® intens
2-mal täglich 1 Tablette zu den Mahlzeiten

Venenpräparate mit Rotem Weinlaub

Präparate mit Rotem Weinlaub werden traditionell bei Venenbeschwerden eingesetzt. Die rote Weinrebe (Vitis vinifera) bildet im Herbst dunkelrot verfärbte Blätter, die als Arzneidroge verwendet werden. Wässrige Extrakte aus Rotem Weinlaub enthalten eine Vielzahl sekundärer Pflanzenstoffe wie Flavonoide, Anthocyane und Gerbstoffe. 

Als Tagesdosis werden 360 mg bis 720 mg Trockenextrakt angewendet. Die Einnahme der Darreichungsform sollte am Morgen vor dem Frühstück erfolgen. 

Entscheidend an der Wirkung beteiligt sind die Flavonoide: Nach der Resorption im Dünndarm werden diese zunächst an die Zuckersäure Glucuronsäure gebunden. Anschließend gelangen sie in den Blutkreislauf und reichern sich im Endothel (dünne Schicht von Zellen, die das Innere von Blutgefäßen auskleiden) der Venen an. 

Die Inhaltsstoffe des Roten Weinlaubs verbessern die Durchblutung und Sauerstoffversorgung in den Beinen, wodurch Schmerzen und Schwellungen reduziert werden. Durch eine schützende Wirkung auf das Endothel nimmt der Austritt von Flüssigkeit in das umliegende Gewebe ab. Die Flavonoide hemmen auch die Bildung von Entzündungsmediatoren im Blut und können damit einer Aktivierung von Thrombozyten bei einer Stauung des venösen Blutflusses, z. B. bei langem Sitzen oder Stehen, vorbeugen.

Rosskastanie bei Venenbeschwerden

Bekannte pflanzliche Venentherapeutika sind auch ethanolische Extrakte aus den Samen der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum). Die Samen enthalten ein Gemisch aus verschiedenen Triterpensaponinen. Der Extrakt wird auf die Substanz Aescin standardisiert. 

Um eine ausreichende Wirkung zu erzielen, müssen täglich 100 Milligramm Aescin eingenommen werden, dies entspricht 250 mg bis 300 mg standardisiertem Extrakt. Da Saponine leicht den Magen reizen, werden die Extrakte aus Rosskastaniensamen in retardierter Form eingesetzt. Kommt es bei der Einnahme zu leichten Magen-Darm-Beschwerden, können die Tabletten – statt wie eigentlich empfohlen vor einer Mahlzeit – auch zum Essen eingenommen werden. 

Aescin hemmt bestimmte Enzyme im Blut, welche die Außenwand der Endothelzellen der Blutgefäße schädigen. Dadurch kann die gestörte Gefäßbarriere wieder regeneriert werden und die Beschwerden lassen nach.

Oxerutin als halbsynthetischer Wirkstoff bei Venenleiden

Eine positive Wirkung in klinischen Studien konnte auch für Arzneimittel mit Oxerutin gezeigt werden. Die Verbindung wird aus dem Flavonoid Rutosid synthetisiert , welches in den Blüten des Japanischen Schnurbaums (Sophora japonica) vorkommt. Da Rutosid nach peroraler Einnahme nur schlecht vom Körper aufgenommen werden kann, wird es als besser resorbierbare Verbindung Oxerutin eingesetzt. 

Als Tagesdosis werden 1.000 Milligramm Oxerutin empfohlen, die Einnahme erfolgt zu den Mahlzeiten. Die Wirkung des Flavonoids kommt wahrscheinlich durch Hemmung von bindegewebsabbauenden Enzymen zustande. Durch diese gefäßabdichtende Wirkung können Schwellungen in den Beinen reduziert werden. 

Im Gegensatz zu Oxerutin ist die Wirksamkeit für Rutosid nicht ausreichend belegt. Dies gilt auch für Troxerutin, ein weiteres Flavonoid, das aus Rutosid hergestellt werden kann.

Der Deutsche Venentag auf PTAheute.de

Die Deutsche Venen-Liga e.V. ist Initiator des jährlich stattfindenden Deutschen Venentags. Der 22. Deutsche Venentag am Samstag, 20. April 2024, soll dazu beitragen, über Risiken, Vorbeugungsmaßnahmen und Behandlungsmethoden von Besenreisern, Krampfadern bis hin zum offenen Bein zu informieren.

Auf PTAheute.de unterstützen wir diese Aktion mit ausgesuchten Beiträgen zur Venengesundheit.

In unserem Podcast berichtet eine Gefäßchirurgin aus Sicht einer Ärztin, wie die Diagnose für Thrombose gestellt und die Erkrankung behandelt werden kann.
Unsere Rezepturexpertin Dr. Annina Bergner zeigt die Chancen und Grenzen in der Selbstmedikation bei Venenleiden auf. Außerdem berichtet eine PTA von ihren Erfahrungen mit Thrombose und Sie erhalten Informationen, wie Sie sich zum zertifizierten Venentrainer ausbilden können, um Ihre Kunden noch besser beraten zu können.

Tipps für die Beratung bei Venenbeschwerden

Bei allen Venentherapeutika ist eine Wirkung erst nach einer Einnahme von zwei bis vier Wochen zu erwarten, darüber müssen die Patienten im Beratungsgespräch informiert werden. Eine kurzfristige Anwendung, etwa vor einer Reise, wird keinen Erfolg haben. 

Wenn sich die Beschwerden nach vier Wochen nicht gebessert haben, ist auf jeden Fall ein Arzt aufzusuchen. Grundsätzlich sind die Arzneimittel zur Langzeitanwendung geeignet, doch auch diese längere Einnahme sollte zunächst ärztlich abgeklärt werden. 

Auch sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, dass die Einnahme der Venenmedikamente nicht das Tragen von Stütz- und Kompressionsstrümpfen oder weitere Maßnahmen wie kalte Wassergüsse ersetzen kann. Diese unterschiedlichen Wirkprinzipien ergänzen sich vielmehr. Durch den Druck von außen in Form von Strümpfen oder Kaltwasseranwendungen wird der venöse Rückstrom unterstützt. Dagegen wirken die Arzneimittel von innen an den Gefäßwänden und verringern ihre Durchlässigkeit.

Venenleiden: Wo liegen die Grenzen der Selbstmedikation?

Arzneimittel mit Rosskastanienextrakt können die Wirkung gerinnungshemmender Arzneimittel verstärken. Patienten, die mit Gerinnungshemmern behandelt werden, sollten diese Präparate daher nicht ohne ärztliche Rücksprache einnehmen. 

Auch bei Herzschwäche, Diabetes und Nierenfunktionsstörungen sollte vor der Einnahme von Venentherapeutika ein Arzt befragt werden. 

Während Schwangerschaft und Stillzeit dürfen Präparate mit Rotem Weinlaub und Rosskastanie nicht angewendet werden. Arzneimittel mit Oxerutin sind nur nach ärztlicher Anweisung ab dem 4. Schwangerschaftsmonat empfehlenswert. 

Patienten, die an einer Venenschwäche leiden, sollten in der Apotheke auch darüber informiert werden, dass sie bei plötzlich auftretenden stärkeren Beschwerden an den Beinen, wie starke Schmerzen, Hautverfärbung und Hitzegefühl, unverzüglich einen Arzt aufsuchen sollen. Dabei kann es sich um eine gefährliche Beinvenenthrombose handeln, die im Zusammenhang mit einer Venenschwäche auftreten kann.

Gut zu wissen: Was ist der Unterschied zu Drogerieprodukten?

Im Gegensatz zu den Präparaten aus der Apotheke ist die Wirkung für Produkte aus der Drogerie nicht nachgewiesen. Wirksamkeitsnachweise für Pflanzenextrakte können nicht ohne weiteres auf andere Hersteller übertragen werden. 

Bei Rosskastanien-Präparaten aus der Drogerie ist teilweise gar kein Wirkstoffgehalt angegeben, auch wurde zur Herstellung des Extrakts Wasser statt Alkohol verwendet. Da Aescin aber kaum wasserlöslich ist, ist der Wirkstoffgehalt fraglich und die benötigte Tagesdosis von 100 Milligramm kaum zu erreichen.

Venenbeschwerden: Wie sieht es mit Salben und Gelen aus?

Auch wenn sie von den Patienten gerne angewendet werden, für Salben und Gele zur Anwendung bei Venenbeschwerden gibt es keinen Nachweis zur Wirksamkeit. Die lokal anzuwendenden Präparate können daher nicht empfohlen werden. 

Zwar kann ein kräftiges Einreiben der Beine von unten nach oben den Abfluss des venösen Bluts Richtung Herz unterstützen, dazu müssen aber nicht zwingend Venentherapeutika mit Extrakten aus Rotem Weinlaub oder Rosskastanie verwendet werden. 

Wenn von den Patienten gewünscht, können auch kühlende Gele mit Menthol auf die Beine aufgetragen werden. Durch die lokale Massage und Kühlung können die Beschwerden gelindert werden. Quellen:
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose (Stand 03/2019)
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2017/daz-22-2017/nichts-versacken-lassen
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2015/daz-33-2015/gegen-die-schwerkraft
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/04/30/venenmittel-rosskastanie-und-weinlaub-aus-der-apotheke-ueberzeugen
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/07/29/venenmittel-schlucken-oder-schmieren