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Schlafstörungen: Was empfiehlt die neue Leitlinie?

Schlafstörungen (Insomnie) sind ein häufiges Problem. Gemäß der BKK-Schlafstudie 2024, für die die Krankenkasse 2.000 Erwachsene befragte, fällt das Einschlafen 30 % der Deutschen „eher schwer“ oder „sehr schwer“.
Aber auch wenn das Einschlafen geschafft ist, ist dies kein Garant für eine geruhsame Nacht. Jeder Fünfte wacht dreimal oder noch öfter pro Nacht auf. Häufig genannte Gründe sind Sorgen, unerledigte Aufgaben und Stress. Knapp ein Viertel der Befragten bis zum Alter von 60 Jahren halten diese Dinge nachts wach.
Nicht verwunderlich also, dass viele Menschen – insgesamt 39 % der Befragten – zumindest gelegentlich versuchen auf medikamentöse Weise ihren Schlaf zu verbessern:
- 29 % gaben an, rezeptfreie, pflanzliche Schlafmittel zu nutzen.
- 27 % verwenden rezeptfreie Melatonin-Präparate,
- 17 % apothekenpflichtige Antihistaminika und
- 22 % ärztlich verordnete Schlafmittel.
Wenn auch die bisherige Nutzungsdauer (je nach Produktgruppe) bei 25 % bis 35 % aller Nutzenden bei unter einem Vierteljahr liegt, verwenden 10 % bis 22 % die jeweiligen Präparate bereits seit über vier Jahren.
Verhaltenstherapie als Mittel der Wahl bei Schlafstörungen
Einen genauen Blick auf die Evidenz dieser Arzneimittel werfen die Autoren der jüngst aktualisierten S3-Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“S3-Leitlinie Insomnie bei Erwachsenen, gültig bis 12.11.2029 .
Mittel der Wahl ist gemäß dieser jedoch ein nichtmedikamentöser Ansatz: Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I), die eine Aufklärung über die Erkrankung (Psychoedukation), Entspannungsmethoden oder eine kalkulierte, initiale Begrenzung der Schlafdauer (Bettzeitrestriktion) umfassen kann.
Angezeigt ist die kognitive Verhaltenstherapie, wenn aufgrund von Schlafproblemen, die mindestens mehrmals pro Woche für wenigstens drei Monate auftreten, die Diagnose „Insomnische Störung“ ärztlich gestellt wurde.
Vor Therapiebeginn ist jedoch noch zu klären, ob die Schlafstörungen möglicherweise durch potenziell schlafstörende Substanzen oder Grunderkrankungen verursacht werden. Hierbei sollten insbesondere solche Krankheiten berücksichtigt werden, die mit Schmerzen oder Juckreiz einhergehen, weiterhin neurologische und psychische Erkrankungen sowie (obstruktive) Lungenerkrankungen.
Gut zu wissen: Was sind potenziell schlafstörende Substanzen?
Als Ursache für Schlafprobleme können folgende Substanzen infrage kommen:
- Alkohol
- Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer)
- Antidementiva (z. B. Piracetam)
- antriebssteigernde Antidepressiva (z. B. SSRI)
- Antihypertensiva (z. B. β-Blocker)
- Asthma-Medikamente (z. B. β-Sympathomimetika)
- Diuretika
- Hormonpräparate (z. B. L-Thyroxin, Steroide, insbesondere Glucocorticoide)
- stimulierende Genussmittel und illegale Drogen (z. B. Koffein, Amphetamine)
Arzneimittel zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen
Ob Medikamente eingesetzt werden, sollen Arzt und Patient zusammen entscheiden. Angeboten werden können sie, wenn die KVT-I nicht hinreichend effektiv oder nicht durchführbar ist, mit großer Zurückhaltung bei älteren Patienten.
Benzodiazepine und Benzodiazepin-Rezeptoragonisten sind für die kurzzeitige Behandlung – in der Regel maximal vier Wochen – von Schlafstörungen zugelassen. Über diese kurze Behandlungsdauer haben die Substanzen positive Auswirkungen auf den Schlaf, so die Leitlinienautoren. Eine längere Anwendung wird aufgrund der Nebenwirkungen und der möglichen Abhängigkeitsentwicklung nicht empfohlen.
Die sedierenden Antidepressiva Doxepin und Trazodon kommen off-label und typischerweise in niedrigeren Dosen als in der Behandlung von Depressionen zum Einsatz. Auch diese empfehlen die Leitlinienautoren nur für die Kurzzeitbehandlung. Hier ist jedoch nicht die Sicherheit, sondern vielmehr die unzureichende Datenlage zur Wirksamkeit bei einer Langzeitbehandlung ausschlaggebend.
Melatonin ist für die Kurzzeitbehandlung bei von Insomnie Betroffenen ab 55 Jahren zugelassen. Die Effekte seien in dieser Anwendergruppe laut dem derzeitigen Forschungsstand klein bis mittel. Für die langfristige Behandlung fehlen den Leitlinienautoren auch hier Daten und es gibt keine Empfehlung. Durchaus eine Empfehlung geben sie jedoch zur Frage ab, wo entsprechende Präparate eingekauft werden sollten:
„Die Autorinnen und Autoren der Leitlinie sind der Auffassung, dass die Beschaffung von melatoninhaltigen Präparaten in Apotheken gegenüber anderen Bezugsquellen mit einer höheren Produktsicherheit verbunden ist.“
Keine Empfehlung für Antipsychotika, Orexin-Rezeptorantagonisten & Antihistaminika
Die Antipsychotika Melperon und Pipamperon werden in der Leitlinie trotz entsprechender Zulassung nicht empfohlen. Der Grund: Für das Anwendungsgebiet Insomnie liegen den Leitlinienautoren keine randomisierten klinischen Studien vor.
Ebenfalls eine entsprechende Zulassung weisen Orexin-Rezeptorantagonisten auf. Diese können seit einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 2023 bei regelmäßiger Kontrolle auch ohne zeitliche Einschränkung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden. Die Leitlinienautoren üben dennoch Zurückhaltung: Es läge derzeit noch unzureichend „Real World“-Evidenz vor, sodass keine Empfehlung für die Langzeitbehandlung ausgesprochen werden kann.
Auch für sedierende Antihistaminika gibt es trotz vorhandener Zulassung keine Empfehlung. Gemäß aktueller Studienlage sei die Effektivität „allenfalls geringgradig“ bei rascher Toleranzentwicklung.
Weitere Forschung zur Langzeitbehandlung von Schlafstörungen nötig
Die Autoren der Leitlinie sprechen also für die Langzeittherapie keinem einzigen Wirkstoff eine Empfehlung aus, sondern benennen dies als noch zu adressierende Forschungsaufgabe. Ein klinisches Potenzial sehen sie für sedierende Antidepressiva und Orexin-Rezeptorantagonisten.
Zurückhaltend sind die Aussagen in der Leitlinie auch in Bezug auf ergänzende medikamentöse und nichtmedikamentöse Ansätze. Während Bewegungs-, Licht- und Kunsttherapien eine „kann“-Empfehlung erhalten, werden Phytopharmaka mit „sollte nicht“, Aromatherapie, Akupunktur, Fußreflexzonenmassage und Homöopathie sogar mit „soll nicht empfohlen werden“ eingestuft.
„Zusammenfassend gibt es im Bereich der Therapien für Insomnien eine Vielzahl verschiedener anderer Therapieansätze mit sehr unterschiedlichen postulierten Wirkmechanismen, die jedoch bislang kaum methodisch adäquat untersucht wurden“, heißt es in der zugehörigen Begründung. Quellen:
- Schlafstudie 2024. Pronova BKK, Oktober 2024. www.pronovabkk.de/media/pdf-downloads/unternehmen/studien/pronova-bkk-schlafstudie2024-ergebnisse.pdf
- Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ - Update 2025 (AWMF-Registernummer 063-003) Version 2.0. April 2025. https://register.awmf.org/assets/guidelines/063-003l_S3_Insomnie-bei-Erwachsenen_2025-04.pdf