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Doku: Arzneimittel auf dem Schwarzmarkt

In Zeiten des globalen Online-Handels gelangen jedes Jahr Plagiate im Wert von Hunderten Millionen Euro auf den deutschen Markt. Konzentrieren sich die Fälscher auf Arzneimittel, kann es um Leben und Tod gehen.
Genau diesem Problem widmet sich die NDR-Doku „Billig bis tödlich – Fälschern auf der Spur“. Die Dokumentation ist in der ARD-Mediathek abrufbar und wurde am 19. Mai um 21:00 Uhr im NDR Fernsehen ausgestrahlt.
Fälschungen: Internethändler europaweit verteilt
Erhältlich sind die Fälschungen hierzulande bei dubiosen Internethändlern abseits der etablierten Lieferwege. Doch „mit dem scheinbar sauberen, schönen Online-Auftritt der Webseiten, auf denen diese Medikamente angeboten werden, haben die hygienischen Zustände in diesen Laboren nichts zu tun“, sagt Jan Op Gen Oorth, einer der Experten in der Doku und Sprecher für Europol.
In der „Operation Shield“, die Europol koordinierte, fahndeten Beamte aus 30 Ländern im Jahr 2023 nach gefälschten oder missbräuchlich verwendeten Arzneimitteln. Die Beteiligten nahmen 300 Personen fest, konfiszierten vier Labore und beschlagnahmten 64 Millionen Euro.
Ozempic-Fälschungen führten zu Krankenhausaufenthalten
Die Autorinnen der Dokumentation rollen einen Fall auf, über den das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Oktober 2023 berichtete: Das Fälschungsschutzsystem hatte bei als Ozempic® deklarierten Fertigpens angeschlagen.
Die Pens enthielten jedoch kein Semaglutid, sondern Insulin. Sie gelangten über einen Schönheitschirurgen in Österreich an Patienten. Diese mussten aufgrund der unerwarteten Hypoglykämie im Krankenhaus behandelt werden.
Ozempic® über dubiose Wege erhältlich
Die Spur führte damals in die Türkei. Also schickten die Autorinnen der NDR-Doku einen als Großhändler getarnten Reporter nach Istanbul, um dort nach Händlern zu suchen. Dieser wurde bald fündig.
In einem öffentlichen Café in Istanbul bot jemand, ohne zu wissen, dass gefilmt wurde, neben Zytostatika und dem auf Botulinumtoxin Typ A beruhenden Dysport® auch Ozempic® feil. „Das hier, da müsst ihr aufpassen – manchmal tun die Schmerzmittel hier rein und verkaufen das als Botox“, warnt ein Händler. Habe es keine Beschwerden gegeben? „Nein, wenn das ins Ausland geht, kommt da nichts mehr“, antwortet der Händler.
Eine weitere Szene generierten die Reporter, indem sie über einen dubiosen Telegram-Kanal Ozempic® in Deutschland bestellten. In Hamburg übergab der Händler der Reporterin nicht deklarierte Kanülen und meinte, diese wirkten genauso wie Ozempic®, auch wenn es sich nicht um Fertigpens handele.
Die Reporterin ließ sich auf das Geschäft ein. Im Arzneimitteluntersuchungsinstitut in Bremen stellt sich heraus: In den in Istanbul gekauften Ozempic®-Pens war statt Semaglutid Insulin enthalten. Die zweifelhaften Ampullen hingegen enthielten die versprochenen 200 mg Semaglutid.
Fälschungen: Vor allem Lifestyle-Produkte betroffen?
Einen Hinweis sprechen die Autorinnen der Dokumentation allerdings nicht aus: Fälscher finden derzeit nur dort eine Eintrittspforte, wo der Bedarf die Grenzen des Gesundheitssystems überschreitet.
Dies betrifft Lifestyle-Produkte, die auf illegalen Websites, auf Telegram, in Fitnessstudios oder in zweifelhaften Schönheitskliniken angeboten werden. Hinsichtlich essenzieller Arzneimittel haben wir jedoch ein Krankenkassensystem, das die Kosten für lebensnotwendige Arzneimittel übernimmt.
Zudem gibt es eine maßgeblich von Apotheken getragene Infrastruktur, die in der Regel die Verfügbarkeit und Qualität der Arzneimittel sicherstellen kann.
Wert der Arzneimittel-Infrastruktur bleibt unerwähnt
Für ein Drittel der Weltbevölkerung sieht die Lage anders aus: In Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen enthält laut Studien jedes zehnte Arzneimittel nicht den angegebenen Wirkstoff oder die angegebene Dosierung.
Entweder haben Fälscher ihren Weg ins System gefunden oder Wirkstoffhersteller bringen Chargen schlechterer Qualität gezielt in Länder, die wenig Ressourcen haben, um die Qualität zu überprüfen. Das kostet Schätzungen zufolge allein in den Ländern südlich der Sahara jährlich eine halbe Million Menschen das Leben.
In Deutschland gibt es kaum Bedarf für essenzielle Arzneimittel abseits des etablierten Vertriebswegs. Daher konzentriert sich der Markt für gefälschte Zytostatika oder Antibiotika auf andere Länder.
Eigentlich müsste eine Warnung der Dokumentation erfolgen, welchen Wert es für die öffentliche Gesundheit hat, eine sichere Arzneimittel-Infrastruktur auch in Deutschland zu erhalten. Aber sie bleibt aus.