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In der Apotheke werden PTA mit den unterschiedlichsten Themen konfrontiert. Lesen Sie hier die tagesaktuellen News aus den Bereichen Pharmazie, Forschung, Ernährung, Gesundheit und vielem mehr. Bleiben Sie informiert, um Ihre Kunden stets kompetent zu beraten.

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Körpersprache im HV: Was sagt sie aus?

PTA steht im HV und berät eine Kundin
Die Körpersprache verrät, was bei unserem Gegenüber ankommt und welche Emotionen es auslöst. | Bild: Schelbert / PTAheute

Körpersprache-Experte Stefan Verra kennt das Einmaleins der Körpersprache und lehrt es unter anderem Politikern, Ärzten oder im Verhandlungstraining der Nato. Nach über 20 Jahren Erfahrung weiß er, dass eine ungünstige (Körper-)Haltung provoziert und beispielsweise bei politischem Disput über Krieg oder Frieden entscheiden kann. Auch für Apothekenteams hat er hilfreiche Tipps, die er in einem Vortrag verriet.

Man beurteilt Menschen erst mit den Augen

Glücklicherweise ist die Tragweite missglückter Körpersprache im Umfeld der Apotheke nicht so gravierend. Knallt es jedoch öfter im Team, reagieren Kunden schroff und ablehnend oder lassen sich nicht auf die Beratung ein und blocken ab? Dann könnte es an ungünstigen Mustern in der Körperhaltung liegen. 

„Wir wollen nach Persönlichkeit und Bildung einsortiert werden“, weiß Verra. Deshalb agieren wir aus unserer inneren Überzeugung, dass wir Leistung bringen müssen, und gehen häufig der Vorstellung auf den Leim, dass im Patientengespräch ausschließlich Fachwissen und Expertise zählen. 

„Doch wir – also auch Patienten – urteilen nach den Augen“, erklärt er. Für diesen ersten Eindruck genügen 0,1 Sekunden. Landen wir dabei in einer falschen Schublade, wird uns fälschlicherweise Inkompetenz oder Arroganz unterstellt. Dann nimmt unser Gegenüber Informationen nicht an, so wohlwollend und hilfreich diese auch sein könnten. Tückischerweise lässt sich der erste Eindruck auch bei längerer Betrachtung nur schwer korrigieren.

Schlechte Körpersprache kann Folgen nach sich ziehen

Körpersprache kann als Türöffner fungieren oder zum Stolperstein werden und einen Dominoeffekt nach sich ziehen. Hat beispielsweise eine PTA einen schlechten Tag, merkt diese oft gar nicht, welche weitreichenden Folgen dies nach sich ziehen kann:

Augenkontakt wird gemieden, die Schultern hängen schlaff nach vorne und der nächste Kunde wird möglicherweise zunächst ignoriert, da dem Einlegen der neuen Papierrolle in die Kasse Vorrang eingeräumt wird, ehe er mit eintöniger Stimme begrüßt wird. Was Kunden besonders unruhig macht, ist das Gefühl, übersehen zu werden.

Auf Kunden in der Apotheke gleich reagieren

In einem konkreten Tipp legt Verra dar: „Reagieren Sie sofort und prompt auf Menschen.“ Wie das geht? „Keine Sorge, Sie müssen nicht sofort alles stehen und liegen lassen und zum Kunden hechten! Signalisieren Sie mit kurzem Blickkontakt mit erhobenen Augenbrauen: Wir haben Sie wahrgenommen. Kombiniert mit einem Lächeln zeigt es auch: „Schön, dass Sie hier sind.“ Das kostet Sie nicht mal eine halbe Sekunde und klappt auch, wenn Sie mit einem Kunden im Gespräch sind.“

Empathie und Wohlgefühl dem Kunden vermitteln

Menschen kommen in die Apotheke, weil sie etwas zur Heilung suchen. Deswegen sei entscheidend, ein Wohlfühlgefühl und Empathie zu signalisieren. Vor allem ein entspanntes Lächeln, wie wir es auch bei unserem kranken Kind machen, signalisiert: „Alles wird gut.“ 

Zusätzlich signalisiert diese entspannte Freundlichkeit einen niedrigen Cortisolspiegel. Das wirkt souverän und selbstsicher und bietet genau das, was Menschen brauchen, wenn sie Hilfe suchen.

Die meisten Signale unserer Körpersprache haben nämlich keinen besonderen psychologischen Hintergrund, sondern sind schlicht angewöhnte Routinen. Wer oft die Stirn runzelt, lehrt dem Körper ständig: Das ist die Standardhaltung. Der Körper wird früher oder später folgen und Falten über der Nasenwurzel sind auch dann zu sehen, wenn man weder skeptisch noch konzentriert ist. Die Wirkung auf andere bleibt trotzdem eine negative. 

Betritt der Kunde die Apotheke und erblickt hinter dem HV-Tisch Personen mit strenger Mundmimik und Stirnfalten, ist es mit dem Wohlgefühl vorbei.

Schlechte Mimik kann man selber ändern

Dabei hat diese Mimik niemand absichtlich oder böswillig gemacht. Natürlich hat jeder mal einen schlechten Tag. Sie dürfe nur nicht zur Gewohnheit werden. „Das Problem ist, dass wir selber gar nicht wissen, was unser Gesicht so den ganzen Tag macht.“ Wir können es nur indirekt am Feedback der Mitmenschen erkennen. 

„Wer also das Gefühl hat, mehrheitlich mit schwierigen Menschen zu tun zu haben, könnte selber die Ursache sein: Wer grantig drein schaut, löst grantige Antworten aus“, weiß der Österreicher. Das zu überprüfen und zu ändern, sei eine tägliche Aufgabe. 

Dabei helfen Erinnerungen, wie beispielsweise, indem man eine positive Angewohnheit mit einer häufig wiederkehrenden Tätigkeit verknüpft: Jeder Griff zum Handy dient etwa als kurze Erinnerung an die entspannte Stirn, jedes erste Tippen auf die Kassentaste an die Lächelmimik. 

„Das Wunderbare an der Körpersprache ist, sie ist immer real. Man kann sich in der Körpersprache nichts vornehmen. Entweder die Mimik ist freundlich oder eben nicht. Die Vergangenheit, ein Konflikt oder der Strafzettel interessiert nicht. Es zählt nur, welches Gefühl der Patient in der Apotheke bekommt.“

Deutliche Gesten wirken sympathisch im HV

„Machen Sie Ihre Gesten deutlich. Denn nur angedeutete und halb ausgeführte Bewegungen wirken oft genau gegenteilig“, erklärt Verra weiter. Ein Nicken, das nur ein kurzes Zucken ist, wirke nicht sympathisch, es wirke arrogant. Ein Handschlag, der an einen toten Fisch erinnert, löst mehr Negatives als Positives aus. 

„Haben Sie keine Angst, deutlich zu lächeln!“ Denn obwohl sich das Gerücht hartnäckig hält, tut ein deutliches Lächeln inklusive Lachfältchen der Kompetenz keinen Abbruch – ganz im Gegenteil. Es schafft Vertrauen, wirkt sympathisch und ist damit die ideale Basis für ein gutes Patientengespräch. Ein kleines Lächeln wirke hingegen gequält.

Tipp:

Sprechen Sie den Satz „Schön, dass Sie da sind“ zunächst mit versteinerter Miene und anschließend mit breitem Lächeln und hochgezogenen Augenbrauen vor einem Spiegel. 

Analog verändert sich die Stimme automatisch zum Positiven. Hier spielt die Synchinesie, also das automatische Mitbewegen, eine wichtige Rolle.

Ruhige Gesten vermitteln Sicherheit und Kompetenz

Unser Gehirn entscheidet zuerst, ob es sich wohl und sicher fühlt, ehe anschließend über Kompetenz geurteilt wird. Und selbst Kompetenz ist zuerst ein Gefühl. Denn wissen kann der Kunde nicht, ob die Beratung die richtige ist. 

Somit muss das pharmazeutische Personal vorab ein Kompetenz-„Versprechen“ abgeben, und das geschieht mit einer Grundregel der Körpersprache: Dazu wird auf etwas gezeigt und dem Gegenüber ein Produkt vorgehalten. Dies sollte immer mit großen Bewegungen durchgeführt werden, die lange stehen bleiben. Das vermittelt mehr Sicherheit und Kompetenz als hektische Gesten.

Tipp:

Empfehlenswert sind „palm-down“-Bewegungen: Bei wichtigen Aussagen werden dazu die Handflächen nach unten gerichtet, die Fingerspitzen sanft auf den HV-Tisch gelegt und mit ruhiger Stimme Folgendes erklärt: „Sie werden sehen, damit wird sofort eine Besserung eintreten.“ Das wirkt enorm beruhigend und souverän.

Körpersprache richtig entschlüsseln – mehrere Signale sind entscheidend

Verschränkte Arme und Stirnrunzeln – ob eine bestimmte Haltung der Arme oder Beine gut oder schlecht sei, lässt sich pauschal nicht sagen, weiß Verra. Es geht immer nur um den Kontext. „Einzelsignale sind bedeutungslos – und zwar immer!“ Das ist sogleich seine erste Regel der Körpersprache. 

Es klingt verlockend, ein einzelnes Signal in eine bestimmte Art zu deuten. Allerdings führt genau das in die Irre und verlockt zu selektiver Wahrnehmung. Verras zweite Regel besagt daher, dass mindestens drei Signale in die gleiche Richtung weisen müssen, um aussagekräftig zu sein.

Um zurück zum Thema Kompetenz und Lachen zu kommen, liegt es bei einer Person beispielsweise nie alleine am freundlichen Lächeln, wenn sie unsicher und inkompetent wirkt. Stattdessen resultiert ihre Ausstrahlung von mangelnder Kompetenz und Überzeugungskraft eher auf dem Zusammenspiel einer leisen Stimme, nach innen gerichteten Füßen, einem ungünstig gekippten Becken mit angespannter Armhaltung. Hat die Person dazu noch den Kopf schüchtern nach unten geneigt, signalisiert genau diese Kombination Unsicherheit – und nicht das Lächeln.

Auf starre Haltung verzichten und für mehr Lockerheit im Gespräch sorgen

Brust raus, Bauch rein. Zudem breit aufstellen, damit jeder sieht: Diese Person ist sich ihrer Sache sicher. Das haben wir alle schon in der Schule gelernt. Dabei wirkt diese Haltung nur in einer Situation gut: Wenn man Türsteher ist. 

Viel besser ist, ein Gespräch in einer lockeren, entspannten und damit einladenden Haltung zu beginnen. Verra empfiehlt, bewusst auf Asymmetrie und Lockerheit zu achten. So fühlen sich Kunden wohler.

Interesse und Aufmerksamkeit dem Gegenüber zeigen

Wollen wir Gehör finden, müssen wir vorher Relevanz zeigen und Patienten vermitteln, dass wir ihnen zuhören. „Gewöhnen Sie sich an, beim Zuhören Signale zu geben!“, schildert Verra. Wieder seien Kopfnicken und Blickkontakt einfache und hocheffektive Mittel, um dem Gegenüber das offene Ohr und die volle Aufmerksamkeit deutlich zu machen. Es sei eine Gewohnheitssache, die trainiert werden müsse. 

„Es hängt nicht davon ab, was Sie in der Birne haben“, wird Verra deutlich. „Es hängt einzig und allein davon ab, ob es Ihr Gegenüber interessiert! Und wenn Sie gut ankommen wollen, müssen Sie zunächst zeigen, dass Sie am Anderen interessiert sind.“ Es läge also an jedem einzelnen, den Anfang zu machen und zunächst ein guter Zuhörer zu sein.

Auf Veränderungen der Körpersprache des Gegenübers achten

Das Wichtigste sei allerdings, wie sich die Körpersprache im Laufe des Gespräches verändert. Beginnt ein Kunde mit verschränkten Armen, überkreuzten Beinen und gesenktem Kopf das Gespräch, sei irrelevant, was in der Kindheit passiert ist, nimmt Verra pseudo-psychologisches Deuten auf die Schippe. 

„Achten Sie lieber darauf, was sich verändert.“ Öffnet der Kunde nämlich die Beine und hebt ein wenig den Kopf, sei zwar objektiv immer noch Verschlossenheit zu erkennen, die Richtung sei aber eindeutig positiv. 

Körpersprache gibt uns also immer Auskunft über die emotionale Veränderung des Gegenübers. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Freundlichkeit sorgt für Wohlbefinden beim Kunden

Abschließend verwies der Körpersprache-Experte noch auf das Matthäus-Prinzip. Jeder ist auch Kunde und weiß, dass das Freundlichkeitsniveau in Deutschland stark ausbaufähig ist. „Glück im Unglück“, sagt Verra. 

„Denn meist genügt es, nur eine Kleinigkeit besser zu machen als die Konkurrenz. Damit fühlen sich Kunden in Ihrer Apotheke etwas wohler als in der anderen. Sie werden öfter kommen, mehr Menschen positiv darüber erzählen, was weitere Kunden bringt.“ Eine minimal sympathischere Wirkung wächst sich also zu einem Geschäftserfolg aus.

„Es geht darum, Ihre Strahlkraft nach außen zu tragen“, fasst Verra zusammen. Menschen sollten sich ihrer eigenen Wirkung bewusst werden und nicht davor zurückscheuen, etwas zu verändern, auch wenn es sich zunächst unangenehm anfühlt. „Sie müssen Ihr Leben nicht ändern, Sie müssen nur Kleinigkeiten anders machen“, ermuntert der Österreicher.