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Was ist eigentlich das hämolytisch-urämische Syndrom?

In und um die nordfranzösische Stadt Saint-Quentin weitet sich zurzeit eine Serie von Durchfallerkrankungen aus, die bereits ein zwölfjähriges Mädchen das Leben gekostet hat.
Die Kinder entwickelten das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das in der Regel bei Kindern infolge einer Infektion des Darms auftritt und zur Bildung von Blutgerinnseln führt, die vor allem die Nierenfunktion beeinträchtigen.
Jährlich treten in Frankreich nur 100 bis 165 dokumentierte Erkrankungen von Kindern mit dem HUS-Syndrom auf. In Mitteleuropa wird die Inzidenz auf 1 bis 1,5 Fälle pro 100.000 Patienten unter 16 Jahren geschätzt.
Wer bekommt ein hämolytisch-urämisches Syndrom und wie äußert es sich?
Obwohl das Syndrom in jedem Lebensalter auftreten kann, liegt der Erkrankungsgipfel zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. In Deutschland ist das HUS die häufigste Ursache für ein akutes Nierenversagen im Kindesalter.
Die Kinder, die in Frankreich ins Krankenhaus eingeliefert wurden, hatten durch das HUS ebenfalls ein akutes Nierenversagen erlitten. Die beiden anderen typischen Symptome des HUS sind eine zu niedrige Erythrozytenzahl (rote Blutkörperchen) und eine gleichzeitig verminderte Anzahl von Thrombozyten (Blutplättchen).
Die Folge sind Gerinnungsmechanismen, die zu Thrombosen und, bei Beteiligung der Nieren, zu einer Nierenfunktionsschädigung und folglich zu Urämie (Harnansammlung im Blut) führen.
Gut zu wissen: Was bedeutet „hämolytisch-urämisch“?
Hämolyse ist die Auflösung von Erythrozyten durch Zerstörung der Zellmembran mit Übertritt von Hämoglobin in das Plasma. Als Urämie bezeichnet man die Vergiftung des Blutes mit harnpflichtigen (durch den Harn auszuscheidende) Substanzen.
Die Erstbeschreibung des Syndroms erfolgte 1955 durch den Schweizer Kinderarzt und Hämatologen Conrad Gasser und seine Kollegen. Deshalb wird das HUS auch Gasser-Syndrom genannt.
Welche Ursachen hat das hämolytisch-urämische Syndrom?
Für das HUS gibt es infektiöse und nichtinfektiöse Ursachen. Am häufigsten tritt die Erkrankung in ihrer infektiösen Form nach einer mehrere Tage andauernden, oft blutigen Gastroenteritis (Schleimhautentzündung in Magen und Teilen des Darms) mit Shigatoxin bildenden Keimen auf.
Bekannte Erreger sind EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli), Shigellen, Salmonellen und verschiedene andere Bakterien. Neben diesen Durchfallerregern kommen auch influenzaassoziierte Pneumokokken und verschiedene Viren infrage.
Bei den aktuellen Krankheitsfällen in Frankreich gehen die Behörden von bakteriell verunreinigtem Fleisch aus und haben bereits Metzgereien geschlossen sowie den Verzehr bestimmter Fleischchargen aus weiteren Metzgereien verboten.
Die nichtinfektiöse Form des hämolytisch-urämischen Syndroms kann durch Medikamente, Vitamin-B12-Mangel, Schwangerschaftskomplikationen, Vererbung oder sekundär im Rahmen anderer Grunderkrankungen entstehen.
Wie wird das hämolytisch-urämische Syndrom erkannt und behandelt?
Neben dem mehrtägigen Durchfall, oft mit Blut im Stuhl, können als Symptome eines HUS Fieber, Blässe, Tachykardie (erhöhter Puls), Schläfrigkeit, Gelbsucht und Gewebespannungen auftreten.
Als Komplikationen sind Nierenversagen, Elektrolytentgleisungen, Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle oder im Herzbeutel sowie Krampfanfälle und Koma möglich.
Zur Therapie der Erkrankung stehen die folgenden Maßnahmen in verschiedenen Kombinationen zur Verfügung:
- Flüssigkeitsbilanzierung und Blutdruckkontrollen
- Transfusionen
- Gabe von Antibiotika
- in selteneren Fällen Gabe von Glukokortikoiden (Steroidhormonen)
- Austausch von Blutplasma durch Frischplasma
- Verabreichung des Antikörpers Eculizumab
Wird die Erkrankung rechtzeitig diagnostiziert, enden weniger als 5 Prozent der akuten Fälle tödlich. Bei Kindern beträgt der Anteil der Patienten, die die volle Funktionsfähigkeit der Nieren zurückerlangen, rund 70 Prozent.
Oft zeigen sich jedoch noch mehrere Jahre nach der Erkrankung Folgeschäden wie Bluthochdruck oder eine chronische Niereninsuffizienz. Quellen: dpa, DocCheck Flexikon, RKI
Das hämolytisch-urämische Syndrom in Kürze
- seltene Erkrankung, die oft postinfektiös nach mehrtägigem Durchfall auftritt
- häufige Folge: akutes Nierenversagen
- Betroffene: meist Kinder, höchste Wahrscheinlichkeit zwischen zweitem und drittem Lebensjahr
- Ursachen: infektiöse Form durch durchfallauslösende Bakterien, seltener auch Pneumokokken und verschiedene Viren; nichtinfektiöse Form durch Medikamente, Vitamin-B12-Mangel, Schwangerschaftskomplikationen, Vererbung oder sekundär durch andere Grunderkrankungen
- Therapie: u. a. Transfusionen, Antibiotika, Plasmaaustausch
- Chancen auf vollständige Heilung: ca. 70 Prozent; Letalität: geringer als 5 Prozent