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Methylphenidat: Neue Neben­wirkungen bekannt

Scan beim Augenarzt beleuchtet Pupille
Der Wirkstoff Methylphenidat kann den Augeninnendruck erhöhen sowie zu Glaukom und einem trockenen Auge führen. | Bild:  VICTOR TORRES/Stocksy / AdobeStock

Menschen, die Methylphenidat aufgrund einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) anwenden, können einen erhöhten Augeninnendruck, ein Glaukom sowie gelegentlich ein trockenes Auge und selten eine Zwangsstörung entwickeln. Die möglichen Nebenwirkungen waren im Rahmen eines europäischen, die periodischen Sicherheitsberichte bewertenden Verfahrens aufgefallen.

Der PRAC – der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) – hält aufgrund des Wirkmechanismus und angesichts der verfügbaren Daten aus klinischen Studien, der Literatur, spontanen Berichten und positiven De-Challenges/ Re-Challenges einen „kausalen Zusammenhang zwischen Methylphenidat“ und einem erhöhten Augeninnendruck, Glaukom, Zwangsstörungen (einschließlich Trichotillomanie und Dermatillomanie) und trockenem Auge „zumindest für eine plausible Möglichkeit“, erklärt die Koordinierungsgruppe CMDh. 

Zulassungsinhaber Methylphenidat-haltiger Arzneimittel müssen die Fach- und Gebrauchsinformationen entsprechend ändern, dann bleibt nach Ansicht der CMDh das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Methylphenidat unverändert.

Zur Erinnerung: So wirkt Methylphenidat

Methylphenidat (kurz: MPH) ist ein zentral wirksames Stimulans, das vor allem zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und zur Therapie von Narkolepsie eingesetzt wird. In Deutschland zugelassene Methylphenidat-haltige Arzneimittel sind unter anderem Concerta, Equasym, Kinecteen, Medikinet, Ritalin sowie generische Präparate, z. B. Methylphenidat AL oder Methylphenidat Ratiopharm.

Der genaue Wirkmechanismus von Methylphenidat ist noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass Methylphenidat die Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin in die präsynaptischen Neuronen hemmt. Dies führt zu einer Erhöhung der Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt und somit zu einer verstärkten Übertragung der Nervenimpulse.

Die Einnahme von Methylphenidat kann zu einer Vielzahl verschiedener Nebenwirkungen führen. Häufig kann es unter anderem zu 

  • Appetitverlust,
  • Schlaflosigkeit,
  • Nervosität,
  • Konzentrationsschwäche,
  • Geräuschempfindlichkeit,
  • Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens,
  • Kopfschmerzen,
  • Übelkeit und Erbrechen,
  • Mundtrockenheit sowie
  • Schwitzen kommen.

Die Einnahme von Methylphenidat muss überwacht werden, da bei Missbrauch die Gefahr einer Abhängigkeit bestehen kann. /vs

Methylphenidat: Warnhinweis zu erhöhtem Augeninnendruck und Glaukom

Konkret soll in Abschnitt 4.4 ein Warnhinweis zu erhöhtem Augeninnendruck und Glaukom erfolgen: „Im Zusammenhang mit der Behandlung mit Methylphenidat wurde über erhöhten Augeninnendruck (IOD) und Glaukom (einschließlich Offenwinkelglaukom und Engwinkelglaukom) berichtet (s. Abschnitt 4.8). Die Patienten sollen angewiesen werden, ihren Arzt zu kontaktieren, wenn Symptome auftreten, die auf einen erhöhten IOD und ein Glaukom hindeuten. Ein Augenarzt sollte konsultiert und ein Absetzen von Methylphenidat in Betracht gezogen werden, wenn der IOD ansteigt (s. Abschnitt 4.3). Eine ophthalmologische Überwachung von Patienten mit erhöhtem IOD in der Vorgeschichte wird empfohlen.“ 

In der Packungsbeilage sollen die Zulassungsinhaber den Warnhinweis wie folgt formulieren: „Wenn Sie oder Ihr Kind verschwommenes Sehen oder andere Sehstörungen entwickeln, sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Ihr Arzt kann das Absetzen von Methylphenidat in Betracht ziehen.“

Trockenes Auge als „gelegentliche“ Nebenwirkung von Methylphenidat

In Abschnitt 4.8 sollen „erhöhter Augeninnendruck, Glaukom“ als Nebenwirkungen mit „nicht bekannter“ Häufigkeit ergänzt werden. Ein „trockenes Auge“ tritt als „gelegentliche“ Nebenwirkung auf, wobei hier eine Fußnote informiert, dass sich die Häufigkeit aus klinischen Studien mit Erwachsenen und nicht mit Kindern und Jugendlichen ableite. Dennoch könne es „auch für Kinder und Jugendliche relevant sein“.

„Seltene“ Nebenwirkung von Methylphenidat: Zwangsstörungen

In Abschnitt 4.8 kommt außerdem als „seltene“ Nebenwirkung „Zwangsstörung  (einschließlich Trichotillomanie und Dermatillomanie)“ dazu. Letztere ist in der Packungsbeilage patientenfreundlicher und wie folgt erklärt: „Zwangsstörung (obsessive-compulsive disorder, OCD) [einschließlich des unwiderstehlichen Drangs, Körperhaare auszureißen, Hautzupfen, das wiederholte Auftreten unerwünschter Gedanken, Gefühle, Bilder oder Triebe (Zwangsgedanken) sowie das Ausführen wiederholter Handlungen oder geistiger Rituale (Zwänge)]“.

Für Deutschland hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits am 11. August 2025 den einstimmigen Beschluss der CMDh vom 19. Juni 2025 umgesetzt.